Neue Meldepflicht für UnternehmenDroht in der Region jetzt eine Insolvenzwelle?

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Die Angst vor Zahlungsunfähigkeit ist groß.

Die Angst vor Zahlungsunfähigkeit ist groß.

  • Bis Ende September war die Insolvenzpflicht in Deutschland ausgesetzt, nun ist sie in Teilen wieder in Kraft.
  • Ein Überblick darüber, was neu ist – und worauf Arbeitsagentur und besonders stark betroffene Branchen sich aktuell einstellen.

Köln – „Wir bereiten uns auf den Ernstfall vor“ – so sagte es der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Dieter Scheele, kürzlich in einem Interview. Es seien zusätzliche Mitarbeiter eingestellt worden für den Fall, dass es in Deutschland zu einer größeren Pleitewelle käme. Seit Oktober gilt eine neue Regelung im Insolvenzrecht, die die Zahl steigen lassen könnte. Eine Übersicht darüber, was sich verändert hat –und wie die Situation im Kölner Raum ist.

Was ist neu?

Von März bis Ende September hatte die Bundesregierung Unternehmen die Pflicht erlassen, bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anzumelden. In der Folge lag die Zahl der Insolvenzen im ersten Halbjahr 2020 in NRW trotz Lockdown 14,7 Prozent unter dem Vorjahreswert.

Seit Oktober und befristet bis zum Jahresende gilt nun aber eine neue Regelung: Für Unternehmen, die sich in Folge der Pandemie überschuldet haben, bleibt die Insolvenzpflicht ausgesetzt. Hintergrund ist, dass bei vielen Unternehmen, die durch die Krise in die roten Zahlen gerutscht sind, davon ausgegangen wird, dass sie sich nach der Pandemie wieder erholen. Eine Überschuldung liegt dabei vor, wenn die Schulden das vorhandene Vermögen übersteigen. Ist eine Firma jedoch zahlungsunfähig, muss sie das von nun an wieder nach dem Insolvenzrecht anmelden.

Was sagt die Kölner Arbeitsagentur?

„Auch in Köln bereiten wir uns vorsorglich auf steigende Insolvenzzahlen vor“, sagt ein Sprecher der Kölner Agentur für Arbeit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es seien neue Mitarbeiter eingestellt und geschult worden, die sich um das Thema Insolvenzgeld kümmern sollen. Dabei handelt es sich aber um eine einstellige Anzahl – die nicht mit dem Personalzuwachs im Bereich Kurzarbeit zu vergleichen ist. Scheele hatte zuvor verkündet, dass für das Jahr 2021 1,6 Milliarden Euro Insolvenzgeld eingeplant würden – nach 950 Millionen Euro in diesem Jahr. Arbeitnehmer bekommen Insolvenzgeld, wenn ein Arbeitgeber in Insolvenz kein oder nur noch weniger Gehalt auszahlen kann.

In Köln rechnet man derzeit aber nicht mit dem schlimmsten: „Von einer Pleitewelle gehen wir so erstmal nicht aus“, so der Sprecher weiter. Man hoffe, dass es die meisten Unternehmen mit dem Geld von Bund und Land sowie dem Kurzarbeitergeld durch die Krise schaffen. Dennoch gibt es einige Branchen, die zurzeit als besonders gefährdet gelten: Zum Beispiel kleinere Betriebe, etwa aus dem Gastgewerbe, dem Einzelhandel und der Reisebranche.

Wie geht es den besonders betroffenen Branchen?

Während viele Unternehmen aufgrund der auslaufenden Insolvenzregelung lange Zeit besorgt auf den Herbst schauten, blicken sie nun auf den Anfang des kommenden Jahres – wenn die neue Insolvenzregelung ausläuft. Aktuell herrscht bei ihnen weiter ein Gefühl vor, das sich durch die gesamte Corona-Pandemie zieht: Unsicherheit.

Bei einer Umfrage des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Mitte September unter 715 NRW-Unternehmern gaben 72 Prozent von ihnen an, um das betriebliche Überleben zu kämpfen – mehr als zehn Prozentpunkte mehr als im Bundesschnitt. Seit dem 1. März haben sie durchschnittlich etwa 60 Prozent ihres Umsatzes verloren, zum Jahresende erwarten sie einen Umsatzrückgang von insgesamt 53 Prozent.

„Angespannter kann die Lage schon fast nicht mehr sein“, sagte Dehoga-Nordrhein-Präsident Thomas Henning Graf von Schwerin zur Veröffentlichung der Umfrage. „Das sind Umsatzverluste historischen Ausmaßes.“ Eine konkrete Insolvenzgefahr sah der Verband zuletzt – bundesweit, nicht auf Nordrhein-Westfalen bezogen – bei etwa 30 Prozent seiner Unternehmen. In der aktuellen Situation sei die Planungssicherheit auf null gefallen, sagt ein Dehoga-Nordrhein-Sprecher. „Es gibt sehr viele Corona-bedingte Faktoren, die wir zurzeit nicht beeinflussen und vorhersehen können. Was resultiert dann daraus? Können die geplanten Veranstaltungen überhaupt stattfinden? Werden die Gastwirte die Gäste in Herbst und Winter vom Außen- in den Innenbereich retten können? Die Verunsicherung ist unheimlich groß.“

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Auch im Handel zeigt man sich besorgt, auch wenn die Situation hier je nach Branche sehr unterschiedlich ist. Während Fahrradhändler vor lauter Nachfrage kaum noch an Ersatzteile kommen, geraten die Textilhändler mit der Lieferung neuer Kollektionen in tiefere Schwierigkeiten. Die Ware wird hier traditionell früh geordert und muss dann auch abgenommen werden – auch wenn die Folgen des Lockdown vielerorts noch nicht überwunden sind. „Die Händler hoffen auf das Weihnachtsgeschäft“, sagt Jörg Hamel, Geschäftsführer des Regionalverbands Aachen-Düren-Köln des Handelsverbands. „Aber niemand weiß, ob es funktionieren wird.“

Laut einer aktuellen Umfrage des Handelsverbands sehen zurzeit 14,1 Prozent der befragten NRW-Händler eine große oder sehr große Gefahr, ihr Geschäft aufgeben zu müssen. Zuletzt waren es noch 18 Prozent gewesen.

Beratungsangebot der IHK

In Zusammenarbeit mit der Schuldnerhilfe Köln hat die IHK Köln ihre telefonische Krisenberatung für aktuelle und ehemalige IHK-Mitgliedsunternehmen ausgeweitet. Auch wer bereits insolvent ist, kann sich beraten lassen. Die Hotline ist montags und mittwochs zwischen 15 und 18 Uhr sowie dienstags und donnerstags zwischen 9 und 12 Uhr erreichbar unter der 0800 6997998.

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