Borkenkäfer-PlageZu viel, zu wenig, zu teuer, zu billlig – NRW-Holzmarkt in der Krise

Tonnenweise Holz, der Preis für Fichten ist um zwei Drittel auf 30 bis 40 Euro gefallen.
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Köln/Münster – Der Holzmarkt in Deutschland und NRW ist völlig aus den Fugen geraten. Dabei scheinen sich die Nachrichten eigentlich zu widersprechen: Die Waldbauern sitzen in Folge der Borkenkäfer-Katastrophe der vergangenen drei Jahre auf Abermillionen Kubikmetern Fichtenholz und müssen ihre Ware zu Schleuderpreisen anbieten. Gleichzeitig eskalieren die Preise für Holz auf dem Baumarkt – Bauunternehmen und private Bauherren melden eine bedrohliche Verknappung des Baustoffs.
Die Lage ist so ernst, dass die staatlichen Ebenen sich einschalten: Das NRW-Umweltministerium hatte die Sägewerke aufgefordert, den Waldbauern angemessene Preise zu zahlen. „Es ist genug Käferholz für alle da. Es muss angemessen bezahlt und das Schnittholz in die regionalen Märkte gebracht werden“, hat Ministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) erklärt. Ohne angemessene Vergütung können die Waldbauern den Wiederaufbau der klimageschädigten Wälder nicht betreiben.
„Völlig verrückte Zeiten“
Zu teuer, zu billig, zu wenig Holz, zu viel Holz – „das sind völlig verrückte Zeiten“, bestätigte Andreas Wiebe, der Leiter des Landesbetriebs Wald und Holz NRW, jetzt bei einer Veranstaltung in Münster. Um das Problem grundsätzlich zu erläutern, verweist er auf zwei Märkte, die im Moment beinahe unabhängig voneinander agieren: der Markt für Rundholz und der Markt für Schnittholz.

In den Wäldern stapeln sich die Stämme, aber der Markt verlangt nach Schnittholz.
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Mit Rundholz sind gemeint die geernteten Stämme, die – mit oder ohne Borkenkäferbefall – in den Wäldern gelagert werden. „Davon“, sagt Wiebe, „gibt es nach wie vor mehr als genug.“ Unter Schnittholz versteht man das „Holz, das beim Sägewerk hinten rauskommt“, wie Wiebe sagt. Und da ist in jüngster Zeit die Nachfrage eskaliert. Die Sägewerke sind in dieser Gleichung das Nadelöhr zwischen Angebot und Nachfrage – dort wird unter Volllast gearbeitet, im Drei-Schichten-Betrieb rund um die Uhr: „Mehr geht nicht“, sagt Martin Schwarz vom Wald-und-Holz-Team Holzwirtschaft. Und trotzdem reiche es kaum mehr für den heimischen Markt.
China bestellt Rundholz, USA Schnittholz
In der vergangenen zwei Jahren galt der Export von Käferholz nach China als eine Art willkommenes Ventil für die Waldbesitzer, um ihre Lager wenigstens ein bisschen leeren zu können und ein bisschen Geld einzunehmen. Allerdings bestellten die Chinesen in erster Linie Rundholz – also die unbearbeiteten Stämme. „Sägewerke haben die in China selbst“, sagt Wiebe dazu. Sägewerke gibt es auch in den USA – aber dennoch bestellen die Amerikaner seit dem vergangenen Jahr Schnittholz: zwei Millionen Kubikmeter allein im Jahr 2020 und in den ersten Monaten des Jahres 2021 ist der Bedarf noch einmal deutlich angezogen.
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Als Grund für diese Entwicklung vermutet Wald und Holz NRW: „Ein weltweiter Bauboom, verstärkt durch die Corona-Pandemie , führt zu einer schwierigen Verfügbarkeit und zu steigenden Preisen.“ Die steigenden Exporte in die USA führt der NRW-Landesbetrieb zurück auf ein „Corona-Konjunktur-Programm der US-Regierung.“ Zudem beobachte man ein Ansteigen der Mehrfachbestellungen – so etwas nennt man dann eine Marktblase.

Durch das Arboretum Burgholz führen gleich mehrere, thematische Wanderwege.
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Minister Heinen-Esser hatte in ihrem Appell an den Markt betont: „Die Rohholzmengen werden auch in diesem Jahr das normale Einschlagsvolumen in der Fichte erheblich überschreiten.“ Die Prognosen von Wald und Holz NRW gehen von einem Anstieg auf rund 7 bis 8 Millionen Kubikmeter Käferholz in 2021 aus. Die Ministerin fügte hin: Frisches Käferholz sei technisch einwandfrei zu verwerten. Und Michael Blaschke, Sprecher von Wald und Holz, betonte ebenfalls, dass es keine Qualitätseinbußen gebe: „Frisch befallenes Borkenkäferholz ist genauso gut wie frisch eingeschlagenes Fichtenholz.“
Die lokalen Märkte versorgen
Mit Blick auf die Holzmarkt hofft Andreas Wiebe trotz der anhaltenden Fichtenholzschwemme auf Zeichen der Entspannung. Gerade in Konkurrenz zu ökologisch zunehmend als bedenklich geltenden Baustoffen wie Beton oder Stahl werde der Bedarf an dem natürlichen und nachwachsenden Rohstoff Holz auch auf lange Sicht zwar weiter ansteigen. „Aber ganz bestimmt wird es diese extremen Ausschläge im Bereich Schnittholz demnächst nicht mehr geben“, sagte der Leiter des Landesbetriebs Wald und Holz NRW, am Freitag in Münster. Es sei momentan eben auch „viel Aufregung im Spiel“.
Vor allem aber müsste die lokale und regionale Versorgung mit dem Baustoff Holz sichergestellt werden. Ministerin Heinen-Esser hatte deshalb erklärt, es müsse im Interesse aller sein, den nachwachsenden Rohstoff Holz in vollem Umfang insbesondere für die heimischen Märkte zu nutzen. Und Andreas Wiebe rief in Münster mit Blick auf die Sägewerke dazu auf, auch angesichts der aktuellen Marktsituation „die gewachsenen und langfristigen Lieferbeziehungen in den Regionen beizubehalten.“