„Werden regelrecht abgezockt“Borkenkäferplage sorgt für Achterbahn-Holzpreise

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2020 gab es zu viel Holz, jetzt wird es dagegen knapp. Der Preis ist seit einem Jahr um mehr als 350 Prozent gestiegen. 

Als Außenstehender kann man nur staunen. Jeder, der im vergangenen Sommer durch die einstigen Fichtenwälder im Rheinland, in der Eifel und dem Bergischen Land gewandert ist, sah rechts und links der Wege gigantische Holzberge liegen.

Viele Waldbauern bangten um ihre Existenz. Die Fichten zu fällen war zeitweise teurer, als sie einfach liegen zu lassen, weil der Preis drastisch gefallen war. Da mutet der Alarmruf der Waldbauern in der vorigen Woche völlig deplatziert an.

Waldbesitzer werden zum Sägestreik aufgerufen

Die deutsche Forstwirtschaft sieht sich angesichts stark steigender internationaler Holzpreise benachteiligt und hat zu Gegenmaßnahmen aufgerufen. Der Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates, Georg Schirmbeck, rief die Waldbesitzer in Deutschland zum Sägestreik auf. „Ich sehe keine andere Möglichkeit mehr, als meinen Verbandsmitgliedern zu sagen: „Stoppt das Sägen, lasst die Bäume stehen“, sagte Schirmbeck der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Hintergrund sind die zuletzt stark gestiegenen Preise für Schnittholz. Dieses wird nach Angaben der Branche vor allem nach Nordamerika und China exportiert, wo die Baubranche boomt. Nach Einschätzung der Bauwirtschaft dürfte Bauen hierzulande teurer werden – auch wegen der aktuell gestiegenen Holzpreise.

„Mit unserem Rohstoff werden Riesengewinne eingefahren, aber die Waldbauern profitieren kein Stück davon“, sagt Schirmbeck. „Wir werden regelrecht abgezockt von den wenigen Holzhandelskonzernen, die den Markt dominieren.“ Immer noch bekämen die finanziell ohnehin durch Dürre und Borkenkäfer geschädigten Waldbauern im Schnitt zwischen 70 und 75 Euro pro Festmeter Fichtenholz. Später werde das Schnittholz für ein Vielfaches auf dem Weltmarkt weiterverkauft. „Wir fordern einen fairen Preis für unser Produkt“, so Schirmbeck.

Bauen wird durch Holzpreise teurer

Unter anderem die Bauwirtschaft geht davon aus, dass Bauen teurer wird. „Seit Jahresanfang sind die Baumaterialpreise aufgrund der weltweit starken Nachfrage teils drastisch nach oben gegangen“, sagt Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, in Stuttgart. Verbraucher müssten deshalb damit rechnen, dass sich ein klassischer Massivbau im Schnitt um bis fünf Prozent und ein Holzbau um bis zu zehn Prozent verteuere. Immobilien- und Wohnungsunternehmen im Südwesten rechnen zudem aufgrund fehlender Materialien mit Verzögerungen.

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Fichtenstämme sind an einem Waldweg gestapelt.

Der baden-württembergische Forstminister Peter Hauk (CDU) betont: „Wir haben genügend Holz. Aufgrund der derzeitig hohen Nachfrage ist jedoch jeder gefordert, seinen Teil dazu beizutragen, die hiesigen Wertschöpfungsketten zu unterstützen“, so Hauk. Er forderte die Holzbaubetriebe auf, Doppelbestellungen zu vermeiden und keine unnötigen Lagerkapazitäten aufzubauen. Und die Waldbesitzer sollten ihre Nasslager räumen und die heimischen Sägewerke bedienen.

Achterbahnpreise wie bei Bitcoin-Kursen

Was aber ist in so kurzer Zeit passiert? Tatsache ist, dass der Holzpreis eine Achterbahnfahrt hinter sich hat, die man sonst nur von Bitcoin-Kursen und Optionsscheinen kennt. In den USA, einem der wichtigsten Holzimporteure der Welt, werden Holzpreise in der Einheit 1000 Board feet (MBF) gehandelt, also etwa 1000-Quadrat-Fuß gehandelt, was etwa 2,36 Kubikmetern entspricht. Im Mai 2020, vor genau einem Jahr, kostete ein MBF knappe 350 US-Dollar. Der Preis hatte drei Jahre lang auf diesem Niveau gedümpelt. Das hatte zum einen den Grund, dass durch Trockenjahre und Borkenkäferplagen in Mitteleuropa Unmengen an Holz die Märkte fluteten. Zum anderen war die Wirtschaft im ersten Corona-Lockdown nicht besonders scharf auf Bauholz. Mit dem Wiederbeleben der Ökonomie im Sommer schnellte der MBF-Preis auf 1000 Dollar, fiel zum Herbst wieder auf 500, um dann bis zum Mai 2021 auf 1500 Dollar in die Höhe zu schießen. Ein Plus von mehr als 350 Prozent in nur zwölf Monaten.

Für die Waldbauern ist das ein Dilemma. Drei Jahre mit sehr großen Mengen an Holz wegen der Borkenkäferplage mussten sie ihr Holz regelrecht verramschen. Förster drängten zur Eile, die toten oder angeschlagenen Bäume möglichst rasch aus dem Wald zu schaffen. Einerseits sollte so eine noch schnellere Ausbreitung des Schädlings verhindert werden. Andererseits geht es um die Verwendung der Bäume als Schnittholz.

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Bauern verkauften Fichten zum ungünstigsten Zeitpunkt

„Wenn durch den Borkenkäfer abgestorbene Fichten länger als eineinhalb Jahre im Wald stehen, geht die Holzfeuchte verloren. Die Stämme sind dann kaum noch als Bauholz zu verwenden“, sagt Stefanie Wieland. Die promovierte Ingenieurin ist Leiterin des Teams Holzwirtschaft des Landesbetriebs Wald und Holz NRW. Und wegen dieser Zwänge verkauften die meisten Waldbauern ihre toten Fichten zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Von den aktuell hohen Holzpreisen können sie kaum profitieren, da die Zahl der schlagreifen Fichten rapide abgenommen hat. Bis neue Wälder wieder erntereif sind, können Jahrzehnte vergehen.

Den Holzexport nach China und in die USA sieht Wieland daher kritisch, würde ihn am liebsten kappen. „Ziel muss es sein, dass sich Deutschland oder zumindest die EU erst einmal mit Holz aus eigenen Wäldern versorgen kann“, sagt Wieland. Lange Transportwege beim Export in ferne Länder seien im Sinne des Klimaschutzes kontraproduktiv.

Laut dem Deutschen Forstwirtschaftsrat ist Holz ein klimafreundlicher Baustein in einer industriellen Gesellschaft. Demnach ist bei der Herstellung drei Meter hoher Stützen mit vergleichbarer Belastbarkeit der Primärenergieverbrauch bei Stahlbeton fast viermal so hoch wie bei Holz. Die Gewinnung, Verarbeitung und der Einbau von Aluminium benötige sogar 126-mal so viel Energie wie Holz. Und bei der Herstellung und Entsorgung eines massiven Hauses entstünden im Vergleich zu einem holzbasierten Haus rund 75 Prozent mehr Kohlendioxid, wobei etwa 60 Prozent mehr fossile Energie benötigt werden.

Holz wird vollständig verwertet

Die Ausnutzung des heimischen Holzes liegt bei nahezu 100 Prozent. Es werden daraus, Balken und Bretter gesägt, aus den Resten werden brennbare Hackschnitzel. Zehn Prozent des Holzes schließlich enden als Sägespäne. Und selbstverständlich werden auch diese weiter verwendet.

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CEO Boris Gorella: Die Firma Pfleiderer ist einer der größten Hersteller von so genannten Holzwerkstoffen.

Die Firma Pfleiderer ist einer der größten Hersteller von so genannten Holzwerkstoffen. Darunter fallen auch hochwertige Spanplatten für die Küchen- und Möbelindustrie, den Innenausbau aber auch Produkte für den Holzhausbau. Die Produkte von Pfleiderer werden zu 45 Prozent aus Sägespänen und Sägeresten, also Nebenprodukten der Sägewerke hergestellt. „Für unser Geschäft wird kein neuer Baum gefällt. “, sagt Pfleiderer-Chef Boris Gorella. „Aktuell verarbeiten wir nur rund 15 Prozent Frischholz, was aber fast ausschließlich aus Resthölzern aus der Forstwirtschaft besteht.“ Besonders stolz ist man bei Pfleiderer aber über etwas anderes. „Bei den restlichen 40 Prozent nutzen wir Recyclingmaterial aus dem Endverbraucherbereich“, sagt Gorella. In technisch aufwendigen Verfahren entstehen so neue Holzwerkstoffe und am Ende wieder Küchen und Möbel. Und bei Pfleiderer will man den Anteil des Recycling-Materials noch weiter steigern. Dort wurde viel investiert. „Das ist für uns nicht nur aus ökologischen Gründen eine Selbstverpflichtung, sondern auch unter ökonomischen Aspekten äußerst interessant“, sagt Gorella. Denn je höher der Anteil an recycletem Material, desto mehr koppelt sich Pfleiderer von den Schwankungen am Holzmarkt ab. „Von der Holzknappheit spüren wir nichts“, sagt der Manager.

Angesichts der riesigen Kahlschläge stellen sich viele die Frage, ob uns trotz Recycling bald das Holz ausgehen könnte. Wissenschaftlerin Stefanie Wieland ist da optimistisch, auch wenn die Fichte bei uns wohl bald gänzlich wegfallen dürfte. „Noch sind die Sägewerke auf gerade und einfach zu verarbeitende Fichten eingestellt. Bald werden sich die Betriebe auch auf andere Baumarten spezialisieren müssen“, so Wieland. Auch aus Buchen oder Eichen könnte wertvolles Holz gewonnen werden. „Dabei brauchen wir Innovationen“, sagt Wieland. Möglicherweise werden aber die Preise steigen, weil der Aufwand bei Hartholz größer ist.

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