Pro und ContraSchuldenschnitt für Griechenland

IWF-Chefin Christine Lagarde will Griechenlands Schuldenlast verringern.
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Das neue Kreditprogramm zur Finanzierung Griechenlands steht. Von den voraussichtlich 86 Milliarden Euro, die Athen bis 2018 erhalten soll, fließen 54 Milliarden Euro in den Schuldendienst – also in Rück- und Zinszahlungen. Das zeigt: Die Schulden des Landes sind eine schwere Last und bleiben es. Auf dem Tisch liegt daher die Frage nach einem Schuldenschnitt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) fordert ihn als Vorbedingung für weitere Kredite. Insbesondere die Bundesregierung sträubt sich aber noch. Was spricht für einen so genannten „Haircut“ und was sind die Gegenargumente?
Was für einen Schuldenschnitt spricht:
Überschuldung: Griechenlands Schuldenberg ist schlicht zu groß. Ende vergangenen Jahres erreichte er knapp 178 Prozent der Wirtschaftsleistung – mehr als 100 Prozent gelten gemeinhin als nicht nachhaltig. Laut IWF-Berechnungen steigen die Staatsschulden nächstes Jahr bis auf 200 Prozent der Wirtschaftsleistung – unter den Industrieländern hat nur Japan mehr. Die Gläubiger haben die Zinsen auf die Kredite zwar bereits stark gesenkt – bis auf 1,5 Prozent.
Gleichzeitig sind die Rückzahlungsfristen auf Jahrzehnte gestreckt worden, die letzte Tranche soll Athen 2054 an die EU-Gläubiger zurückzahlen. Das bedeutet: In den nächsten Jahren ist Griechenlands Belastung durch den Schuldendienst nicht besonders groß, derzeit muss Athen nur zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Zinsen aufbringen. Dennoch bleibt die Schuld eine permanente Bremse für das griechische Wirtschaftswachstum, aus dem die Beträge für Zinsen und Rückzahlung ja geleistet werden sollen. Ohne Aufschwung bleiben Athens Schulden auf Dauer untragbar und der Schuldenschnitt nur eine Frage der Zeit.
Zudem zielen die Gläubiger darauf, dass Griechenland mittelfristig keine staatliche Kredite mehr erhalten soll, sondern sich wieder Geld an den Finanzmärkten leihen kann, mit dem es dann seine Schulden bei EU und IWF bedient. Private Anleger allerdings werden höhere Zinsen verlangen als die staatlichen Gläubiger. Nimmt man an, dass Athen zu denselben Konditionen Geld geliehen bekommt wie Italien, so ergibt sich: Die Schulden sind auf Dauer nicht tragbar.
IWF: Der Internationale Währungsfonds besteht auf einen Schuldenschnitt in den nächsten Jahren. Andernfalls sei die griechische Schuld nicht nachhaltig und der IWF werde daher kein weiteres Geld leihen, so der Fonds. Insbesondere die CDU fordert aber eine Beteiligung des IWF an dem neuen Kreditprogramm für Athen.
Wachstum: Ohne Schuldenschnitt sind die Aussichten für Griechenlands Wirtschaft düster. Das könnte den Reformeifer im Land erlahmen lassen, da die Bedingungen des neuen Kreditpakets keine Verbesserung der Lage bringen. Zweitens: Griechenland braucht dringend ausländische Investitionen. Investoren dürften aber kaum Willens sein, ihr Geld in ein Land zu stecken, das überschuldet ist und bleibt.
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Was gegen einen Schuldenschnitt spricht:
„Griechenland hatte schon einen Schuldenschnitt“
Das stimmt. Im Jahr 2012 wurden dem Land Zahlungen über 100 Milliarden Euro erlassen, die es an private Gläubiger hätte leisten müssen. Kurzfristig sank dadurch auch der Schuldenstand des Landes. Allerdings kam dieser Schnitt zu spät. Zudem sorgten die drastischen Sparanforderungen dafür, dass das Bruttoinlandsprodukt Griechenlands einbrach. In der Folge stieg die Schuldenquote nach dem Haircut wieder steil an: von 157 Prozent der Wirtschaftsleistung 2012 auf 175 Prozent 2013.
„Mit einem Schuldenschnitt würde man einen Präzedenzfall schaffen“
Sollten die Gläubiger Griechenland einen zweiten Schuldenerlass gewähren, so könnten andere Länder ähnliche Erleichterungen fordern – oder eine laxe Haushaltspolitik betreiben in der Hoffnung, im Notfall künftig einen Schuldenschnitt zu erhalten. Damit würde die Finanzdisziplin in der Euro-Zone untergraben. Dieses Szenario unterstellt jedoch, dass es für andere Regierungen reizvoll sein könnte, den „griechischen Weg“ zu gehen. Das ist zweifelhaft. Denn die Bedingungen für einen Schuldenschnitt sind extrem hart: Griechenlands Wirtschaftsleistung ist in den vergangenen Jahren um ein Viertel gesunken, die Einkommen der Bevölkerung um rund 30 Prozent, die Arbeitslosigkeit ist auf 27 Prozent gestiegen. Zudem werden die Gläubiger als Gegenleistung für einen Schuldenschnitt weitere Sparmaßnahmen und Reformen verlangen. Die griechische Regierung verliert damit de facto ihre Souveränität und hängt von den Vorgaben aus Brüssel, Berlin und Washington ab. Das ist keine verlockende Option und macht einen Schuldenschnitt kaum attraktiv.
„Das wird für Europas Steuerzahler teuer“
Werden Griechenland Schulden erlassen, kommen auf Europas Steuerzahler echte Kosten zu. Es würden dann nicht mehr neue Kredite an Athen gegeben, mit denen es seine alten Kredite bedient. Stattdessen verlören die EU-Staaten echtes Geld. Allerdings würde ein Schuldenerlass die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Athen die Restschuld bedienen kann. Außerdem sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass in Zukunft weitere Kreditpakete nötig werden. Und schließlich wäre die finanzielle Belastung für die Gläubiger verkraftbar: Würde ein Drittel der staatlichen Schulden erlassen, betrüge der Verlust für Deutschland etwa 20 Milliarden Euro – allerdings gestreckt über 30 Jahre. Denkbar wäre auch, die Schuldenbedienung an die Wirtschaftsentwicklung zu koppeln: Wächst Griechenlands Bruttoinlandsprodukt nicht, muss es auch keine Zinsen zahlen. Wächst es stark, wird mehr zurückgezahlt.
„Ein Schuldenschnitt widerspricht den europäischen Verträgen“
Die Verträge erlauben keine Finanzierung von Euro-Staaten durch andere Regierungen, so das Argument, das insbesondere vom Bundesfinanzministerium vorgetragen wird. Erstens jedoch bezieht sich dieser Einwand nur auf einen „echten Schuldenerlass“, also auf eine Senkung des nominalen Schuldenbetrags. Eine Senkung der Kreditzinsen oder die weitere Verlängerung der Laufzeiten wären nicht verboten. Zweitens bieten die europäischen Verträge und Regeln großen Interpretationsspielraum – viele Experten sind der Meinung, dass auch eine „echter Schuldenschnitt“ mit ihnen vereinbar wäre.