Reisen mit VollzeitjobNie wieder Winter für Ex-Kölnerin – Das müssen digitale Nomaden wissen

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Nach ihrem Studium in Köln zog es Anna-Lena Eckstein in die weite Welt: Seit acht Jahren arbeitet sie aus dem Ausland.

Nach ihrem Studium in Köln zog es Anna-Lena Eckstein in die weite Welt: Seit acht Jahren arbeitet sie aus dem Ausland.

Eine Ex-Kölnerin bereist mehr als zwanzig Länder – und arbeitet dabei. Ein Arbeitsrechtlerin erklärt, was digitale Nomaden beachten müssen.

An einem Dienstag vor fast genau acht Jahren reichte Anna-Lena Eckstein ihre Bachelorarbeit ein. Zwei Tage später flog die damalige Sülzerin nach Vietnam. Seitdem lebt sie ausschließlich im Ausland – mit einem Vollzeitjob.

Eckstein ist digitale Nomadin, die von Ort zu Ort zieht. In mehr als zwanzig Ländern hat sie bereits zumindest kurzzeitig gelebt. Ihr aktuelles Zuhause ist ein Airbnb in Florianópolis im Süden Brasiliens. Drei Faktoren sind bei der Wahl ihres nächsten Ziels entscheidend: Erstens, darf es nicht zu kalt sein. Winterklamotten trägt sie gar nicht mit sich.

Laptop und Internet als Voraussetzung für digitale Nomaden

Zweitens, sollten andere digitale Nomaden vor Ort sein, auch wenn die oft schneller weiterziehen: „Ich bin eher ein ‚Slow Traveler‘, also ich versuche mindestens vier Wochen zu bleiben.“ So viel Zeit bräuchte sie, um neben ihrem Vollzeitjob als Online-Marketing-Mentorin einen Ort zu erkunden.

Drittens, braucht sie – und das ermöglicht erst dieses Lebensmodell – eine Internetverbindung. Digitale Nomaden sind ortsunabhängig, weil sie nur Internet und einen Laptop zur Ausübung ihres Jobs brauchen. Jobs im Marketing, Coaching und in der Software-Entwicklung sind dafür besonders geeignet.

Digitale Nomaden: Nachfrage seit 2015 exponentiell gestiegen

Wie viele deutsche digitale Nomaden es gibt, lässt nicht eindeutig sagen, da es kaum belastbare Zahlen gibt. Ecksteins Beobachtung ist, dass es immer mehr werden. Die meisten kämen aber aus den USA. Umfragen der Jobplattform MBO Partners zufolge steigt die Zahl der US-amerikanischen digitalen Nomaden jedes Jahr. 2023 waren es 17,3 Millionen.

Das Lebensmodell ist kein kurzweiliger Trend, wie Zahlen der BDAE Gruppe aus Hamburg zeigen, wo eigenen Angaben zufolge etwa 2500 digitale Nomaden versichert sind. Unternehmensberaterin Lea Fiebelkorn sagt, dass die Nachfrage nach Beratung und Versicherungsprodukten seit 2015 nahezu exponentiell gestiegen sei, seit der Coronapandemie sogar in erheblichem Ausmaß: „Für unsere internationalen Krankenversicherungen stellt die Zielgruppe inzwischen eine der größten und wichtigsten dar.“ Zu den beliebtesten Zielen gehören Chiang Mai, Bali, Lissabon, Zagreb, aber auch Mexiko und die Kanarischen Inseln.

Lea Fiebelkorn, Unternehmensberaterin der BDAE-Gruppe, sagt, dass seit 2015 immer mehr digitale Nomaden nach Auslandsversicherungen fragen.

Lea Fiebelkorn, Unternehmensberaterin der BDAE-Gruppe, sagt, dass seit 2015 immer mehr digitale Nomaden nach Auslandsversicherungen fragen.

Arbeitsrecht: 183-Tage-Regelung wichtig für digitale Nomaden

Vor dem Abflug müssen digitale Nomadinnen und Nomaden jedoch einige arbeitsrechtliche Fragen klären, erklärt Lydia Erdmann, Arbeitsrechtsexpertin des Digitalverbands Bitkom. Die erste wichtige Frage lautet, ob die 183-Tage-Regelung greift. Demnach wird der Lohn grundsätzlich nur in dem Staat besteuert, wo die Arbeitnehmenden leben, sagt Erdmann: „Üben sie ihre Arbeitstätigkeit jedoch in einem anderen Staat aus, wird durch das OECD-Musterabkommen grundsätzlich das Besteuerungsrecht dem Tätigkeitsstaat zugewiesen.“

Das heißt: Das Land, in dem ein Deutscher mehr als 183 Tage im Jahr arbeitet, bekommt ein Recht darauf, Lohnsteuern zu erheben. Sind es weniger als 183 Tage, dann bleibt das Besteuerungsrecht beim deutschen Staat.

EU oder nicht EU? Sozialabgaben abhängig von Zielland

Dann stellt sich die Frage, wo Sozialabgaben gezahlt werden, was maßgeblich davon abhängt, ob die Arbeit in oder außerhalb der EU verrichtet wird. Arbeitet die Person für einen deutschen Arbeitgeber maximal zwei Jahre lang im EU-Ausland, dann gehen die Sozialabgaben zurück nach Deutschland. Handelt es sich nicht um eine Entsendung, dann gehen die Abgaben grundsätzlich in das Land, in dem die Person wohnt und „einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt“, sagt Erdmann.

Acht Stunden arbeiten im Paradies sind trotzdem acht Stunden Arbeit
Anna-Lena Eckstein, Online-Marketing-Mentorin und digitale Nomadin

Außerhalb der EU kommt es darauf an, ob zwischen Deutschland und dem Zielland ein Sozialversicherungsabkommen gilt, so Erdmann. Aktuell hat Deutschland mit 20 Staaten ein solches Abkommen geschlossen, unter anderem mit den USA, Japan, Indien und Philippinen. Doch Erdmann warnt: Ohne Abkommen müssen Sozialabgaben in beiden Ländern gezahlt werden.

Unternehmensberaterin: Arbeitgeber sollten „Remote-Work-Guideline“ erstellen

Um den Arbeitsschutz sicherzustellen, muss ein Arbeitgeber rechtliche Besonderheiten im Zielland beachten, warnt Erdmann: „Diese gelten auch über die Anwendung des deutschen Arbeitsrechts hinaus.“ Generell hält Erdmann fest: Deutsche digitale Nomaden müssen innerhalb der EU weniger arbeitsrechtliche Regularien beachten als in Drittstaaten. Und grundsätzlich müssen Arbeitnehmer müssen ihrem Arbeitgeber mitteilen, wenn sie im Ausland arbeiten.

Fiebelkorn von BDAE empfiehlt Unternehmen: „Sie sollten unbedingt eine Remote-Work-Guideline erstellen, in der die Rahmenbedingungen von ortsunabhängiger Arbeit festgelegt sind, insbesondere wenn Mitarbeitende auch im Ausland arbeiten möchten.“

Als Selbstständige warnt Eckstein schließlich davor, das Lebensmodell nicht zu romantisieren: „Es kann auch nach hinten losgehen.“ Wie in Deutschland sei es schwer, sich eine Selbstständigkeit aufzubauen, sagt die gebürtige Erftstädterin. Und dann gelte immer noch: „Acht Stunden arbeiten im Paradies sind trotzdem acht Stunden Arbeit.“

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