„Monumentaler Pfusch“Neue Züge zu breit für Tunnel – Spanien streitet über Bahn-Desaster

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Ein Zug des staatlichen spanischen Eisenbahn-Unternehmens Renfe steht im Bahnhof. (zu dpa «Eurostar-Züge könnten im Kanaltunnel Konkurrenz bekommen») +++ dpa-Bildfunk +++

Ein Zug des staatlichen spanischen Eisenbahn-Unternehmens Renfe steht im Bahnhof. Das Unternehmen ist Teil einer Posse um neue Züge, die in Spanien als „Galibogate“ bekannt geworden ist. (Archivbild)

In Spanien erhitzt das „Galibogate“ die Gemüter. Neu bestellte Züge sind zu breit für die vorhandenen Tunnel. Alle Beteiligten geben nun einander die Schuld.

Großer Ärger in Spanien: Erst wurden vom spanischen Eisenbahnunternehmen Renfe 31 neue Triebwagen beim Hersteller CAF bestellt, dann kam heraus: Bei der Ausschreibung hatte man sich vermessen. Die Züge passen nicht durch die schmalen Tunnel im Norden des Landes – nun wird der Vorgang zur Posse.

„Monumentaler Pfusch“ sei das, erklärte der Regionalpräsident von Kantabrien, Miguel Angel Revilla, laut der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ – und verlangte von der spanischen Verkehrsministerin, dass nun „Köpfe rollen“ müssten. In Spanien ist der Vorgang mittlerweile unter dem Namen „Galibogate“ bekannt („gálibo para vehículos“ heißt so viel wie „Fahrzeugabstand“).

Bahn-Posse in Spanien: Renfe beschuldigt Adif, Adif beschuldigt Renfe

260 Millionen Euro wurden für das Projekt ins Budget geschrieben – nun steht man in Spanien vor einem mittelschweren Bahndesaster. Hintergrund ist, dass es in Spanien zwei verschiedene Spurweiten gibt. So nutzt die Betreibergesellschaft Renfe Cercanias AM in Galicien, Asturien, Kantabrien, Murcia, Kastilien und León und dem Baskenland eine metrische Spurweite (auch als Schmalspur bekannt). Auf allen anderen Strecken wird jedoch laut „20Minutos“ auf normaler Spurweite gefahren.

Raquel Sanchez, Ministerin für Verkehr, Mobilität und urbane Agenda von Spanien, nimmt am ersten Jahrestag von LAB Bonnemaison in Barcelona teil.

Raquel Sanchez, Ministerin für Verkehr, Mobilität und urbane Agenda von Spanien, hat sich in die Eisenbahn-Posse eingeschaltet. (Archivbild)

Die Geschichte fand offenbar bereits 2019 ihren Anfang: Renfe veröffentlichte demnach eine Ausschreibung über den Erwerb von 31 Zügen mit Schmalspurweite. Im Jahr 2020 erteilte Renfe schließlich dem baskischen Hersteller CAF den Auftrag mit einem Volumen von fast 260 Mio. Euro. Die Herstellerfirma stellte den Messfehler aber offenbar bereits früh fest – und meldete das beim Betreiber Renfe. Der wiederum macht laut „20Minutos“ nun die Eisenbahninfrastrukturverwaltung (Adif) verantwortlich, die das spanische Schienennetz betreibt.

Bahn passt nicht in Tunnel: „Die ‚offiziellen‘ Maße der Tunnel entsprechen nicht der Realität“

Während die Adif erklärt, Renfe habe die falschen Spezifikationen in den Vertrag geschrieben, behauptet Renfe wiederum, diese Spezifikationen von Messungen der Adif übernommen zu haben. „Wir messen die Tunnel nicht, wir beschränken uns darauf, die Maße des Unternehmens zu erheben, dem die Infrastruktur gehört, und nehmen sie in die Spezifikationen des Vertrags auf“, erklärten anonyme Renfe-Mitarbeiter gegenüber der Zeitung „La Nueva Espana“. Das Problem sei, „dass die ‚offiziellen‘ Maße der Tunnel nicht der Realität entsprechen“, fügten sie hinzu.

Nun deutet offenbar vieles daraufhin, dass die falschen Zahlen durch Reparaturen an den Gleisen zustande gekommen seien. „In manchen Fällen verringert sich der Abstand zur Decke, zum Beispiel beim Erneuern des Vorschaltgeräts“, erklärten die Renfe-Mitarbeiter. Zudem hätten sich die Sicherheitsbestimmungen zum Mindestabstand der Züge von Decken und Wänden geändert.

Eisenbahn-Posse sorgte für personelle Konsequenzen in Spanien

Es sei demnach nicht so, dass die Züge tatsächlich nicht in die Tunnel passen würden – die Sicherheitsabstände würden nun aber unterschritten. Die Adif wiederum verteidigt sich ebenfalls: Die Messungen seien korrekt, Renfe habe bei der Bestellung beim Hersteller CAF aber falsche Zahlen angeben. Grundsätzlich hätte die Adif mit den Spezifikationen, die zwischen Renfe und CAF ausgetauscht worden seien, nichts zu tun.

Verkehrsministerin Raquel Sanchez reagierte auf den Streit zu Wochenbeginn und erklärte, dass bisher „kein Euro für die Herstellung dieser Züge ausgegeben“ worden sei. Zudem kündigte sie personelle Konsequenzen an. Die will man nun offenbar auch bei der Adif ergreifen. Als „vorbeugende Maßnahme“ soll demnach der Leiter der Abteilung für „Inspektions- und Gleistechnologie“ entlassen werden.

Eisenbahn-Posse in Spanien: Eine Lösung scheint in Sicht

Auch eine Lösung für das Problem scheint in Sicht – und die findet sich offenbar im EU-Recht. Laut den Quellen bei Renfe könnten laut europäischem Recht die Vorschriften so modifiziert werden, dass die in Zukunft erforderlichen Mindestabstände bei Tunneldurchfahrten die gleichen seien, die für die derzeit eingesetzten Züge gelten.

Laut spanischem Recht gelten für neue Züge demnach eigentlich auch neue Sicherheitsbestimmungen. Die könnten so nun umgegangen werden – und die Posse noch ein versöhnliches Ende finden. Nach Abschluss dieser Änderungen könnten die Züge laut „20Minutos“ dann schließlich ab 2026 doch noch auf den Gleisen landen.

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