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Laut neuen UntersuchungenAuch in der Schuhproduktion werden Arbeitsrechte verletzt

Lesezeit 3 Minuten
Schuhe imago

Arbeiter fertigen Schuhe an einer Produktionslinie in Wenzhou.

Berlin – Wenn es um die Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern geht, steht spätestens seit dem Einsturz des Rana-Plaza-Komplexes in Bangladesch vor vier Jahren die Textilindustrie im Brennpunkt des öffentlichen Interesses.

Doch Missstände gibt es nicht nur dort. Auch in der Schuhindustrie werden nach einer neuen Untersuchung mehrerer Entwicklungsorganisationen über die Situation in Indonesien grundlegende Arbeits- und Sozialstandards verletzt. Dabei hat sich die Lage in den Fabriken in den vergangenen Jahren etwas gebessert. Katastrophal sind jedoch weiterhin die Arbeitsbedingungen für das Heer der Heimarbeiterinnen. Hier gibt es auch Kinderarbeit.

Fünf Prozent der Weltproduktion

Indonesien ist nach China, Indien und Vietnam das Land mit der viertgrößten Schuhproduktion weltweit. 2015 wurden dort eine Milliarde Paar Schuhe und damit mehr als fünf Prozent der Weltproduktion hergestellt. Über eine Million Menschen sind in Indonesien in der Schuh- und Lederindustrie tätig. In dem südostasiatischen Land lassen unter anderem Ecco, Bata, Deichmann und Nike produzieren.

Untersuchung basiert auf Interviews mit Beschäftigten

In der Studie der Organisationen Südwind und Inkota wird gezeigt, dass extrem niedrige Löhne, fehlende Gewerkschaften, eine massive Einschränkung der Versammlungsfreiheit, nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge und Bestrafungen von Arbeiterinnen keine Seltenheit sind. Die Untersuchung basiert auf Interviews mit Beschäftigten in vier Fabriken in Zentral- und Ostjava. Sie berichteten unter anderem, dass ein Unternehmen, das auch für den europäischen Markt produziert, täglich drei bis vier Überstunden anordnet. Die Autoren der Studie schrieben, den Arbeiterinnen sei in der Regel gar nicht bewusst, dass es sich dabei um eine Art von Zwangsarbeit handele. Denn: Zwar sei das Ableisten der Überstunden formal freiwillig und zur Aufbesserung des Einkommens auch von den Beschäftigten durchaus gewollt – doch wer sich einmal weigere, Überstunden zu machen, laufe Gefahr, keine weiteren ableisten zu dürfen.

Befragt wurden für die Studie auch Heimarbeiterinnen, von denen es Schätzungen zufolge in der indonesischen Schuhindustrie etwa 40.000 gibt. Anders als die Beschäftigten in der Fabrik haben sie keine bestimmten Arbeitszeiten, weil sie pro Stück bezahlt werden. Um jedoch die Aufträge zu schaffen, gab ein Drittel der Befragten an, dass ihre Kinder beim Nähen helfen müssten. Gehen die Werkzeuge kaputt, muss auf eigene Kosten für Ersatz gesorgt werden. Zudem verfügen die Frauen in der Regel weder über einen Arbeitsvertrag noch über eine Kranken- oder Rentenversicherung.

Lohn deutlich unter Mindestlohn

Der Lohn dieser Frauen liegt nach der Untersuchung deutlich unter dem lokalen Mindestlohn. So kommen die Heimarbeiterinnen eines Unternehmens in der Region Semarang nach den Berechnungen der Autoren auf einen durchschnittlichen Monatslohn von umgerechnet 27,74 Euro, was lediglich einem Viertel des lokalen Mindestlohnes (112 Euro) entspricht. Entspricht die Qualität nicht den Ansprüchen der Fabrik, müssen die Frauen sogar noch eine Geldstrafe zahlen, die direkt vom Lohn abgezogen wird.

„Es hat sich gezeigt, dass die Arbeitsbedingungen in der gesamten indonesischen Leder- und Schuhindustrie in Indonesien dringend verbessert werden müssen“, so der Studien-Mitautor Autor Anton Pieper von Südwind. Die Aussagen der Arbeiterinnen widersprächen in vielen Fällen denen der Unternehmen, die auf hohe arbeitsrechtliche Standards ihrer Verhaltenskodizes und freiwilligen Initiativen verwiesen, kritisierte Nora Große von Inkota. Diese seien aber nur nachhaltig, wenn die grundlegenden Menschen- und Arbeitsrechte entlang der gesamten Wertschöpfungskette eingehalten würden, betonte sie.