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SAP streicht FrauenquoteTrump-Effekt? Deutsche Unternehmen rudern zurück

Lesezeit 4 Minuten
SAP ist das wertvollste deutsche Unternehmen.

SAP ist das wertvollste deutsche Unternehmen.

SAP streicht die Frauenquote – und setzt andere Prioritäten. Ein Schritt, der nicht nur intern, sondern auch international Wellen schlägt.

Deutschlands wertvollstes Unternehmen verabschiedet sich von seiner Frauenquote. Der Softwarekonzern SAP wird das Ziel, einen Frauenanteil von 40 Prozent in der Belegschaft zu erreichen, nicht mehr verfolgen. Zudem schraubt er an seinen Kriterien für die Vergütung des Vorstands: Die Kenngröße „Frauen in leitenden Führungspositionen“ wird durch einen „Business Health Culture Index“ ersetzt. Das bestätigte ein Unternehmenssprecher dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Zuvor hatte das „Handelsblatt“ darüber berichtet.

Laut der Wirtschaftszeitung erklärte SAP in einer E-Mail außerdem, man beziehe die USA bei der Quote der weiblichen Führungskräfte nicht mehr ein. Zwar sei eine „vielfältige Belegschaft und integrative Führung“ für eine leistungsfähige Operation entscheidend. Allerdings müsse man als global agierendes Unternehmen mit starker Präsenz in den USA auf „externe Veränderungen, etwa auf aktuelle gesetzliche Entwicklungen“ reagieren.

Wegen Trump-Politik: Meta-Konzern ist umgeschwenkt

Eine entscheidende externe Veränderung sitzt sein Anfang des Jahres im Weißen Haus. Seit Donald Trump dort wieder die Geschäfte übernommen hat, satteln zahlreiche Unternehmen um und verabschieden sich von Zielen, die sie im Namen der Nachhaltigkeit, Diversität oder Gleichberechtigung selbst ausgerufen hatten.

Prominentes Beispiel ist der Meta-Konzern von Mark Zuckerberg, der seine Diversitätsprogramme einstampfte. Der US-Regierung sind insbesondere die drei Buchstaben „DEI“ ein Dorn im Auge - ein Sammelbegriff für Programme zur Diversität, Gleichstellung und Inklusion. Was genau dazu zählt, ist wegen des schwammigen Begriffs allerdings nicht immer klar.

Auch Telekom macht kleine Anpassungen

Wer in den USA unternehmerisch tätig ist, muss das bedenken. Die Deutsche Telekom etwa macht rund 65 Prozent ihres Konzernumsatzes in den Vereinigten Staaten. Die aktuelle politische Lage sei komplex, sagt eine Konzernsprecherin dem RND.

Das Logo der Zentrale der Deutschen Telekom in Bonn.

Auch die Deutsche Telekom macht kleine Anpassungen aufgrund der aktuellen politischen Lage.

„Als Telekom versuchen wir hier den richtigen Weg zu finden. Keine leichte Aufgabe – gerade, wenn rechtliche Vorgaben sich verändern, miteinander in Konflikt stehen oder ein Dilemma zu lösen ist“, räumt sie ein. „Aber wir stellen uns dieser Verantwortung. Wir diskutieren, wir hinterfragen und entscheiden – und wir bleiben unseren Werten treu.“ Allerdings gebe es durch die veränderten Rahmenbedingungen in den USA bei der Tochter T-Mobile US nun „kleinere Anpassungen, beispielsweise im Lieferantenauswahlprozess“.

„Beim Gendern rudern Unternehmen zurück“

Die gibt es in Europa in dieser Form zwar nicht, allerdings beobachtet der Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Marketing, Michael Bernecker, auch hier ein Umschwenken. „Da scheint wieder ein Kultur-Shift stattzufinden“, sagt er. In Deutschland mache sich das bei der Anrede fest. „Beim Gendern rudern Unternehmen zurück“, führt der Experte aus und nennt als Beispiel Audi. Der Autohersteller hatte angekündigt, auf Sonderzeichen zum „Gendern“ zu verzichten.

Mit Blick auf die USA gebe es aktuell eine Unsicherheit darüber, wie groß der Druck unter Trump noch werde, sagt Bernecker. Siemens allerdings - die USA sind der größte Markt des Dax-Unternehmens - sieht aktuell „keine Notwendigkeit zur Veränderung unserer Bemühungen vielfältiger Teams und eines inklusiven Arbeitsumfelds aufgrund der aktuellen Entwicklungen“, wie ein Unternehmenssprecher dem RND sagte. „Was uns weiterhin leitet, ist ein klarer Fokus auf vielfältige Teams, Chancengerechtigkeit und einen inklusiven Arbeitsplatz – denn sie unterstützen unsere Leistung und unseren langfristigen Erfolg“.

„Denken über Trump hinaus“: Nicht alle rücken von Klimaschuttzielen ab

Der Markenexperte Christopher Spall sieht drei Gruppen von Unternehmen und Marken, die sich der aktuellen Entwicklung stellen. Die erste Gruppe habe Themen wie Nachhaltigkeit oder Diversität fest in ihrer Identität verankert. „Ihren Umsatz und ihr Wachstum generieren sie genau deshalb, weil sie sich gezielt nachhaltig positionieren“, sagt er und nennt als Beispiel Outdoor-Marken.

„Dann gibt es Unternehmen, die einen langfristigen Ansatz verfolgen und über Trump hinausdenken“, sagt der Gründer und Geschäftsführer der Identitätsberatung „Spall Brand Identity Consultants“ . Die Deutsche Telekom etwa oder BMW hätten angekündigt, weiter an Klimaschutzzielen festzuhalten.

Strategiewechsel kann bei Gen Z nicht gut ankommen

Und dann gebe es noch eine dritte Gruppe. „Diese Unternehmen reagieren jetzt kurzfristig und passen sich haltungsfrei an“, sagt er. „Dort werden Themen wie Nachhaltigkeit oder Diversität eher opportunistisch bespielt oder als Teil einer Marketingkampagne betrachtet“, sagt Spall. Nun würden dort kurzfristige ökonomische Interessen über eine langfristige ethische Haltung gestellt.

SAP hält er allerdings für einen Sonderfall, denn die Frauenquote sei schon vor der Präsidentschaft Trumps sehr umstritten gewesen. Lenken Unternehmen jetzt ein, kann das allerdings auch Nachteile haben, schätzt der Markenexperte. „Gerade die jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Generation Z legen Wert darauf, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, der einen moralischen Kompass verteidigt und sich nicht wie ein Fähnchen im Wind dreht“, sagt er. Auch Investoren legten Wert auf eine unternehmerische Haltung, die über die amerikanischen Kongresswahlen hinausgehe.