Die Höhle-der-Löwen-Investorin über schlagfertiges Kontern, die Rolle, die sie in der Öffentlichkeit spielt und was wir uns von Donald Trump abgucken können.
Unternehmerin Tijen Onaran„Eigenlob stinkt nicht. Eigenlob riecht ziemlich gut“

Tijen Onaran beim Interview in Köln
Copyright: Dirk Borm
„Nur wer’s richtig sagt, kommt ans Ziel“, ist der Titel Ihres neuesten Buchs. Drehen wir das mal um: Wann dachten Sie zuletzt: „Hätte ich das mal anders formuliert“?
Im beruflichen Kontext passiert mir das tatsächlich selten. Solche Gedanken kommen eher in der Partnerschaft oder in Freundschaften. Neulich hatte eine Freundin Liebeskummer. Im Nachhinein dachte ich: „Mensch, musstest du wirklich dreimal sagen, dass die Welt wieder eine bessere wird?“ So treffsicher ich im Beruflichen bin, so bedacht und sensibel, auch mit meinem eigenen Wort, bin ich im privaten Raum.
Ist es nicht eigentlich andersherum: Im Privatleben kann man einfach mal drauflosreden, im Berufsleben ist man gehemmter?
Naja, ich bin auch ein Mensch. In meinem Freundeskreis hat sich viel getan in den letzten Jahren, er ist kompakter geworden. Ich möchte einfach, dass es den Leuten, die ich begleiten darf und die mich begleiten, richtig gut geht. Heißt: Je emotionaler es wird, desto bedachter werde ich. Im Job hingegen habe ich eine gewisse Position. Meine Rolle ist es, gut zu sprechen. Da rufe ich im Grunde genommen ein Programm ab. Im Privatleben gibt es diese Blaupause aber manchmal nicht.
Tijen Onaran (40) ist studierte Politikwissenschaftlerin, ehemaliges FDP-Mitglied, Unternehmerin und Autorin. Mit der Gründung des Netzwerks Global Digital Women setzte sie sich früh für die Förderung von Frauen in der Digitalbranche ein. Zudem berät ihr Unternehmen ACI Firmen in Sachen Diversität. Das Manager Magazin wählte sie 2019 zu den 100 einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft. Einem breiteren Publikum wurde sie durch ihre Rolle als Investorin in der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“ bekannt.
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Auch in Ihrem Buch schreiben Sie von dieser Rolle. Medienwirksame Veranstaltungen seien wie ein Schauspiel, heißt es da. Wen spielen Sie?
Ich hoffe, dass ich eine Art Jeanne d'Arc der deutschen Wirtschaft bin. Dass ich vor allem Frauen zeige, dass es sich lohnt, für sich, seine Rechte und Worte einzustehen. Da kann Sprache ein machtvolles Instrument sein. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder, der in der Öffentlichkeit steht, ob in der Politik oder Wirtschaft, ein Stück weit eine Rolle spielt. Das hat mit der Position zu tun, mit Verantwortung und Erwartungen, die zu erfüllen sind. Klar gibt es den Begriff der Authentizität, der rauf und runter dekliniert wird. Aber ganz ehrlich: Niemand ist auf dieser Bühne 150 Prozent authentisch. Das geht gar nicht. Das heißt aber nicht, dass die Glaubwürdigkeit darunter leiden sollte, das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied.
Wenn es nicht ausschließlich der Faktor Authentizität ist, was macht gute Kommunikation aus ihrer Sicht stattdessen aus?
Souveränität. Denn Klarheit siegt. Kein Geschwurbel, kein Rumgelaber, keine Nebenkriegsschauplätze. Es gibt eine Frage – du antwortest. Dieses Prinzip ist aber zumindest in der deutschen Politik passé. Einige Bundespräsidenten haben es in der Vergangenheit geschafft, die Macht des Wortes zu nutzen. Johannes Rau war jemand, der sehr gut darin war, Dinge zu formulieren. Angela Merkel war auch klar in ihrer Kommunikation, gleichzeitig mit einer humorigen Note. Das hat aber ihre Kompetenz nie in Frage gestellt, das fand ich super. Auf europäischer Ebene ist Christine Lagarde (Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Anm. d. Red.) eine Person, die, finde ich, ein souveränes Auftreten hat, mit einer sehr klaren Sprache.
Nur wer’s richtig sagt, kommt ans Ziel: Neues Buch von Tijen Onaran erscheint am 22. Oktober
Und international? Was machen Politiker wie Putin oder Trump anders?
In einer Welt der Überkomplexität schaffen sie es, ziemlich viele Menschen hinter sich zu vereinen. Warum? Weil es eine Sehnsucht nach starken Führungspersönlichkeiten gibt, das Bild formen sie mit ihren Worten. Es gibt zum einen viele Wiederholungsschleifen. Die Taktik nennt sich Schallplatte mit Sprung: Du sagst ein und dasselbe tausendmal, aber auf eine andere Art und Weise. Irgendwann manifestiert es sich beim Publikum. Zweitens arbeiten sie mit Feindbildern, das entwickelt ein Zugehörigkeitsgefühl und vereint ihre Anhängerschaft. Und das Dritte ist, dass sie sich von nichts und niemandem abbringen lassen. Weder in ihrem Redefluss noch in der Argumentation. Sie gehen nicht aufs Gegenüber ein, sondern bleiben stoisch bei ihrer Linie.
Und das ist das Erfolgsrezept?
Da kann man mit Sicherheit was von lernen: Klarheit, Souveränität und der Argumentationslinie treu bleiben. Die Geschichte mit den Feinbildern würde ich außen vor lassen. Und noch ein weiterer Ratschlag – mein persönlicher: Vorbereitung ist alles. Damit meine ich nicht die inhaltliche Vorbereitung, sondern das Beobachten. Vor einem Vortrag gehe ich in den Raum, gucke mir das Publikum an. Wie ist die Stimmung? Sind alle gut drauf oder wird kritisch diskutiert? Dasselbe gilt für Verhandlungssituationen. Du willst mit deinem Vorgesetzten über deinen Lohn reden? Entscheidend ist vielleicht nicht der Moment der Verhandlung, sondern das, was du schon einige Tage vorher aufschnappst. Was sind Dinge, auf die dein Chef oder deine Chefin reagieren könnten? Das kann man nutzen. Die Kunst liegt darin, das Publikum oder das Gegenüber zu lesen.

Das Buch „Nur wer's richtig sagt, kommt ans Ziel“ erscheint im Goldmann Verlag
Copyright: Dirk Borm
Wird es dann mal hitzig, gelten gerade Frauen allerdings gerne mal als zickig oder dominant. Was tun Sie gegen dieses Bild?
Das kommt häufig vor: bei Vehemenz wird Männern eine starke Positionierung zugeschrieben, à la „der weiß eben, was er will“. Bei Frauen ist es schnell too much. Die wissen offensichtlich zu sehr, was sie wollen. Das Wichtigste ist, sich davon freizumachen.
Wie?
Wenn ich in solchen Situationen bin, versuche ich, ruhiger zu werden. Ich stehe dann langsam auf, im Schneckentempo und versuche, runterzukommen. Dieses ruhige, gelassene, das hilft, die Argumente genau zu durchdenken. Und noch was: Nicht jede Aktion erfordert eine Reaktion. Schlagfertigkeit liegt manchmal auch darin, zu schweigen. Das bringt viele eher aus dem Konzept, als der Versuch, einen lustigen Spruch aus dem Hut zu zaubern.
Eine andere Art der Schlagfertigkeit haben Sie in einem Aufeinandertreffen mit einem Ministerpräsidenten bewiesen.
Da war ich als Key Note Speakerin bei einer Veranstaltung, einer Eröffnung eines Cyber Innovation Hubs, eingeladen. Ich stand hinter der Bühne, hatte einen roten Anzug an und wurde gerade verkabelt. Dann kam der Ministerpräsident mit seinem Referenten, schaute mich an und fragte: „Was machen Sie denn heute Abend hier, sind Sie die Tänzerin des Abends?“ Ich antwortete: „Nein, ich tanze nicht. Viel spannender wäre es aber, Sie heute Abend hier tanzen zu sehen.“ Übrigens ist das auch ein gutes sprachliches Werkzeug bei einer Konfrontation: das Bild umdrehen – er zumindest war maximal irritiert. Danach habe ich mich noch an seinen Referenten gewandt und meinte: „Das war ja jetzt total irre, oder?“ Der sagte nur süffisant: „Du brauchst dich nicht zu wundern, wenn du so einen Fummel trägst.“ Ich bin dann auf die Bühne gegangen und habe die Anekdote in meine Keynote integriert…
Ich hoffe, dass ich eine Art Jeanne d'Arc der deutschen Wirtschaft bin.
Ihre Art sorgt an einigen Stellen für Kritik – beispielsweise bei Ihren Auftritten als Investorin in der Höhle der Löwen, da wird ihnen auch mal Überheblichkeit vorgeworfen. Wie reagieren Sie?
Bei Kritik gibt es häufig einen Punkt, dem man zustimmen kann. Damit rechnen die Leute nicht. Als Beispiel: Ich weiß, dass ich auch ein sehr hartes und harsches Auftreten habe – das ändert aber nichts daran, dass ich bei meiner Position bleibe. Ich glaube, das ist entwaffnend. Ich diskutiere gerne und hart, es geht allerdings nicht darum, jemanden zu verletzen oder verbal in die Ecke zu stellen. Daher überlege ich bei Kritik immer: Was ist aus meiner Perspektive ein valider Punkt und wo arbeitet sich das Gegenüber gerade nur an mir ab?
Wären nicht manchmal Zurückhaltung und Bescheidenheit die sympathischeren Kommunikationslinien?
Ich finde, Eigenlob stinkt nicht. Eigenlob riecht ziemlich gut. Wäre ich immer bescheiden in meinem Leben gewesen, wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Mein Vater hat irgendwann zu mir gesagt: „Nicht meckern, sondern machen. Du hast eine Stimme, also nutze sie.“ Natürlich hängt das vom Charakter ab. Das eine ist, klar aufzutreten, das andere, das Ego nicht zu weit nach vorne zu stellen. Das sind Nuancen.
Also muss man nicht zwangsläufig ein Arschloch sein, um Erfolg zu haben?
Überhaupt nicht. Ich würde sagen, das Wichtigste für Erfolg ist, Du selbst zu sein und die Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Dafür muss man aber nicht unbedingt wie ein emotionaler Eisklotz mit Scheiß-Egal-Stimmung auftreten. Du kannst auch weich und zurückhaltend sein, Menschen lesen und daraus deine Stärke entwickeln.