Das richtige TimingWann Anleger Aktien verkaufen sollten

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Bulle und Bär stehen an der Börse für Gewinne beziehungsweise Verluste. Aktionäre sollten sich möglichst nicht von ihren Emotionen leiten lassen, denn dann gehen sie oft zu viel Risiko ein.

Bulle und Bär stehen an der Börse für Gewinne beziehungsweise Verluste. Aktionäre sollten sich möglichst nicht von ihren Emotionen leiten lassen, denn dann gehen sie oft zu viel Risiko ein.

Drei Prozent Gewinn, vier Prozent Verlust - und das innerhalb nur eines Tages. Keine Frage: Aktien entwickeln sich nicht immer nur positiv. Einige Titel verlieren auch an Wert. „Für Anleger geht es am Ende geht es immer um die gleiche Frage“, sagt Prof. Martin Weber von der Universität Mannheim. „Wann sollte man Aktien verkaufen?“

Die meisten Anleger machen dabei einen grundlegenden Fehler. „Aktien, die sich schlecht entwickelt haben, bleiben häufig viel zu lange in den Depots“, erklärt der Finanzwissenschaftler Weber. „Im Gegenzug werden Aktien, mit denen der Anleger Gewinn gemacht hat, oft zu früh verkauft.“ In der Wissenschaft wird dieses Verhalten auch als Dispositionseffekt beschrieben.

Geld ist Spiegel der Persönlichkeit

Nachgewiesen wurde dieser Effekt unter anderem in einer Studie des US-amerikanischen Wissenschaftlers Terrance Odean. Er hatte 10.000 zufällig ausgewählte Depots eines großen amerikanischen Discount Brokers von 1987 bis 1993 beobachtet. In seiner Analyse stellte Odean den Anteil der realisierten Gewinne dem Anteil der realisierten Verluste gegenüber. Das Ergebnis: Sobald die Aktienkurse im Plus lagen, wurden die Aktien verkauft. Drehten die Kurse ins Minus, blieben die Titel im Depot.

„Der Dispositionseffekt ist ein weit verbreitetes Phänomen“, erklärt Prof. Weber. In einem wissenschaftlichen Experiment wies er diesen Effekt ebenfalls nach. Die Teilnehmer bekamen eine feste Summe, die sie investieren sollten. Das Ergebnis: Verkauft wurden vor allem Gewinneraktien. Aktien, die Verlust gemacht hatten, blieben mehrheitlich in den Depots liegen.

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Stellt sich die Frage: Warum halten Anleger so lange an verlustbringenden Titeln fest? „Geld ist für jeden ein Spiegel seiner Persönlichkeit“, erklärt die Finanzpsychologin Monika Müller aus Wiesbaden. „Anleger gehen mit jedem Investment eine persönliche Beziehung ein.“ Das heißt: Sie identifizierten sich mit dem Titel. „Das Verkaufen im Verlust spiegelt das Scheitern.“ Passiere das öfter, verliere der Anleger Selbstvertrauen.

„Das zeigt, wie viel Emotionen in diesem Thema stecken“, sagt auch Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in Düsseldorf. „Wer mal an ein Unternehmen geglaubt hat, muss sich ja eingestehen, dass das falsch war. Und das ist schwer.“ Anders bei Gewinnen: „Menschen haben es schwer, sich große Gewinne überhaupt vorzustellen“, erklärt Finanzpsychologin Müller. „Das - und die Angst, einen kleinen Gewinn wieder zu verlieren - führt dazu, dass man sich eine kleine Freude macht und im Gewinn verkauft.“

„Emotionen müssen da raus“

Das Paradoxe dabei: Der Dispositionseffekt verleitet Anleger eigentlich dazu, größere Risiken einzugehen. Ist der Kurs einer Aktie im Plus, haben Anleger Angst vor Rückschlägen. „Fünf Prozent Minus können an der Stelle erschreckend sein“, sagt Kurz. Hat eine Aktie aber erstmal verloren, werden weitere Verluste in Kauf genommen. „An der Stelle tun weitere fünf Prozent Verlust nicht mehr so weh.“ Wirklich bewusst sind sich die meisten Anleger dieses Problems nicht.

Doch auch wenn der Dispositionseffekt weit verbreitet ist - hilflos ausgeliefert ist diesem Phänomen niemand. „Es kann schon helfen, wenn man dieses Handelsverhalten erkannt hat“, sagt Prof. Weber. Denn dann sei es unter Umständen möglich, sich weniger emotional mit seinen Aktien zu beschäftigen. Wichtig sei außerdem, seine Angst vor Verlusten zu verlieren. „Ein Sprichwort sagt: 'A good dealer loves losses'“, sagt Weber. Übersetzt heißt das etwa: Ein guter Händler liebt den Verlust.

Ein weiterer Trick: „Stellen Sie sich selber die Frage, ob Sie das Geld wieder in den Titel investieren würden“, rät Kurz. „Ist die Antwort Nein, ist das ein klares Signal für einen Verkauf.“ Ähnlich sieht das auch Müller. „Würde ich den Titel, wenn ich ihn nicht im Depot hätte, heute wieder kaufen? Wenn nein, dann gibt es gute Gründe, ihn jetzt zu verkaufen“, sagt die Finanzpsychologin. „Ein Fehler wäre es nur, trotz dieses Wissens an dem Titel festzuhalten.“

„Auch wenn Verluste schmerzen, die Emotionen müssen aus dem Thema raus“, ergänzt Aktienexperte Kurz. „Es geht schließlich um die Jahresperformance.“ Anleger müssten sich auch von der Hoffnung frei machen, den besten Zeitpunkt für den Ein- oder Ausstieg treffen zu können. „Das Tief oder das Hoch zu erwischen, das schaffen selbst ausgefeilte Computerprogramme selten“, sagt Kurz.

Eine Frage treibt Aktienbesitzer immer um: Wie entwickeln sich die Kurse? Um sich vor Verlusten zu schützen, können Anleger ihrer Bank einen entsprechenden Auftrag erteilen, eine sogenannte Stop-loss-Order. Darauf weist die Aktion „Finanzwissen für alle“ der Fondsgesellschaften hin

Die Aktien werden dann automatisch verkauft, wenn ein bestimmter Kurs erreicht wird. Wird der zuvor festgelegte Kurswert nicht erreicht, verfällt der Auftrag nach Ablauf der angegebenen Zeit.

Mit einer Stop-loss-Order stellen Sparer sicher, dass sie Erträge, die durch vorherige Kurssteigerungen erreicht wurden, nicht wieder verlieren. Denn sie realisieren automatisch ihre Gewinne, wenn eine bestimmte Kursmarke unterschritten wird.

Wer seine Wertpapiergeschäfte per Internet organisiert, kann eine Stop-loss-Order online selbst erteilen. Kunden von Filialbanken lassen sich am besten persönlich beraten.

Aktionäre sollten bei Gewinnertiteln daher Stopp-Loss-Orders setzen. Bei diesen automatischen Aufträgen legen sie eine Kursgrenze fest, ab der eine Aktie verkauft werden soll. Stopp-Loss-Orders sind für einen längeren Zeitraum gültig. Der Vorteil: „Auf diese Weise kann ich Gewinne mal laufen lassen“, sagt Prof. Weber. Bei größeren Rückschlägen wird das Papier dann verkauft - ganz automatisch. (dpa)

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