Ist der Hype schon vorbei?Wieso so viele NRW-Start-ups für Insektenriegel aufgegeben haben

Lesezeit 4 Minuten
Seit 2018 sind Lebensmittel mit Hausgrillen in der EU zugelassen.

Seit 2018 sind Lebensmittel mit Hausgrillen in der EU zugelassen.

Ein NRW-Start-up für Insektenprotein hält sich wacker, während andere aus Köln reihenweise aufgeben. Sind die Deutschen schon bereit, Würmer zu essen?

Die Waffe gegen den globalen Hunger, das neue Rind, die Proteinquelle der Zukunft sollen sie sein, die Insekten. Folglich gründeten sich in den vergangenen Jahren vermehrt Start-ups für Lebensmitteln aus Grillen oder Würmern, die medienwirksame Finanzierungen bekam. Doch in den vergangenen zwei Jahren gaben viele von ihnen wieder auf. Wie passt das zusammen?

Prominentes Beispiel ist Swarm Protein aus Köln, der Vorreiter startete schon 2015 mit Proteinriegeln aus Grillenmehl. Zu diesem Zeitpunkt ist die Gesetzeslage zur Verarbeitung von Insekten zu Lebensmitteln in Deutschland noch nicht eindeutig geklärt. Aber der Trend nimmt Fahrt auf. Swarm Protein erhält 2017 die Auszeichnung als Kultur- und Kreativpilot des Bundeswirtschaftsministeriums, mit der Begründung der „kulturellen Relevanz“ des Unternehmens. Drei Jahre später zeichnet sich für Swarm bereits das Ende ab. Ein letzter Versuch, auf Hundefutter aus Insekten umzusteigen, scheitert. Im März 2021 gibt das Unternehmen sein Aus bekannt.

NRW-Start-up Entorganics trotzt dem schwierigen Markt

Ebenfalls in Köln gründet sich Isaac Nutrition 2017 und sichert sich für Proteinpulver aus Buffalowürmern eine Finanzierung des späteren „Die Höhle der Löwen“-Jurors Nils Glagau. Ende 2022 stellt das Unternehmen die Geschäfte ein. Ähnlich ergeht es Bugfoundation. Nach dem Gewinn eines strategischen Investors im Herbst 2020, sind die Insektenburger des Unternehmens nun nicht mehr erhältlich. Auch Plumento stellt 2023, nach fünf Jahren, die Produktion von Nudeln mit Mehl aus Buffalowürmern ein.

Wacker hält sich hingegen das vergleichsweise jüngere Unternehmen Entorganics aus NRW seit 2019. Seine Gründer Finn Bußberg und Kai Funada Classen bringen unter der Marke Mybugbar Proteinriegel aus Würmern auf den Markt. „Der Gesamtmarkt wächst nicht so schnell, wie erwartet“, sagt Bußerg im Gespräch mit dieser Zeitung. Deshalb wolle Entorganics „langsamer und gesünder“ wachsen.

Verarbeitung von Insekten mittlerweile von EU geregelt

Und Bußberg verstehe die Skepsis der Deutschen: „Als ich vor sechs Jahren, das erste Mal Insekten gegessen habe, fand ich den Gedanken auch total ekelhaft.“ Deshalb verarbeitet er sie bewusst unsichtbar als Pulver, die häufigste verwendete Form auf dem deutschen Markt. Doch auch er habe festgestellt, rein vegane Proteinprodukte seien aktuell beliebter. Seit Januar ergänzt die vegane Marke Yasai die Produktpalette.

Inzwischen ist die Verarbeitung und Kennzeichnung von Insekten in der EU geregelter. Mit der Novel-Food-Verordnung, die 2018 in Kraft trat, brauchen Insekten als neuartige Lebensmittel eine Zulassung. Seit 2021 sind für den Verzehr die Wanderheuschrecke sowie Larven des Mehlkäfers (Mehlwürmer) zugelassen. Im Januar 2023 kamen die Hausgrille (Heimchen) und der Getreideschimmelkäfer (Buffalowurm) hinzu.

Bürgerinnen und Bürger mit der Sorge, dass nun Insekten ungekennzeichnet Lebensmitteln beigemischt würden, meldeten sich nach der Gesetzesänderung Anfang des Jahres zahlreich bei der Verbraucherzentrale in NRW. Die Ernährungsexpertin der Zentrale, Katharina Holthausen, beschwichtigt, das sei nicht der Fall. Sie müssen als Inhaltsstoffe ausgewiesen werden. „Für die Verbraucher in Deutschland sind Insekten einfach noch ein exotisches Ding“, sagt sie. Die Nachfrage sei nicht gegeben.

Insekten als Proteinquelle: Geschäftsmodell der Start-ups – Ernährungsexpertin zweifelt

Dass Insekten die Proteinquelle der zukünftigen nachhaltigeren Ernährung werden, zweifelt Holthausen an. Ihr Anteil in den Produkten sei geringfügig. Einfacher wäre eine pflanzliche Ernährung, die den Proteinbedarf zum Beispiel durch Hülsenfrüchte deckt. Damit sich Lebensmittel aus Insekten etablieren, müssten sie erst einmal günstiger werden. „Das sind Nischenprodukte“, sagt Holthausen. 

Die Züchtung von Insekten ist in Europa noch nicht weit erforscht, sie kommen derzeit meist aus Asien. Als Alternative zu Schweine- oder Rindfleisch werden sie diskutiert, weil manche Wissenschaftler davon ausgehen, dass Insekten keinen Schmerz empfänden. Andere zweifeln diese These an. Ihre Zucht soll zudem ressourcenschonender sein.

Auf eine Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ antwortet die in Köln ansässige Rewe Group, sie sehe nur eine geringe Relevanz für die Verarbeitung von Insekten. „Deshalb gibt es aktuell in der Rewe Group (Rewe, Penny) keine Eigenmarkenprodukte, bei denen Pulver aus Insekten eingesetzt wird – es bestehen auch keine Überlegungen dies zu tun“, schreibt ein Pressesprecher. „Auch Markenprodukte mit der Zutat Insekten sind zentralseits nicht gelistet und wurden auch nicht gelistet.“ Der Hype um das Insektenessen geht an der Realität des Handels vorbei.

KStA abonnieren