Vier Kölner StandorteLiefert Gorillas wirklich in zehn Minuten Lebensmittel?

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Lieferdienste versprechen Ware in zehn Minuten.

Köln – Kann ein Bringdienst innerhalb von zehn Minuten nach Eingang der Bestellung gefüllte Einkaufstüten vor die Tür seiner Kunden liefern? Und das auch noch zu Supermarktpreisen? Schwer vorstellbar, doch das Berliner Start-up Gorillas verspricht genau das. Seit wenigen Monaten ist Gorillas auch in Köln unterwegs und betreibt in der Stadt inzwischen vier Standorte. Unser Autor hat den Test gemacht und erklärt, was hinter dem Konzept steckt.

Gegründet wurde das Unternehmen von Kagan Sümer und Jörg Kattner, die beide in der Vergangenheit für die Berliner Start-up-Schmiede Rocket Internet gearbeitet haben. Von Rocket Internet stammen auch die Erfolgsgeschichten des Modehändlers Zalando und des Kochboxen-Lieferanten HelloFresh. Gorillas ist GoPuff nachempfunden, einem US-Dienst, den es bereits seit 2013 gibt und der innerhalb einer halben Stunde Lebensmittel liefert.

In der Südstadt gestartet

In Köln ist Gorillas mit einem Lager in einem Neubau nahe der Einsturzstelle des Historischen Archivs gestartet. Das Liefergebiet umfasste zum Start lediglich die Südstadt und Teile der Innenstadt. Seit November sind nun drei weitere Lage hinzugekommen: das Altstadt-Lager am Eigelstein, das Lager in Sülz, von dem aus auch Lindenthal und Zollstock beliefert werden und zuletzt das Ehrenfelder Lager. Ob der eigene Wohnort tatsächlich beliefert wird, lässt sich nur per Eingabe über die Gorillas-Smartphone-App herausfinden.

Über die App werden auch die Lebensmittel bestellt. Darin kann man wie durch Supermarktgänge virtuell durch die verschiedenen Warenkategorien „schlendern“ oder man sucht sofort nach einem bestimmten Produkt. Das funktioniert noch nicht so intuitiv, wie man sich das wünschen würde: Bei der Suche nach „Wasser“ findet Gorillas Wassermelone-Kaugummis und Mineralwasser einer Marke. Bei der Suche nach „Water“ findet die App dann deutlich mehr Auswahl. Bei der Suche nach Wurst findet die App nichts, obwohl verschiedene Marken und Sorten verfügbar sind. Am verlässlichsten ist es also derzeit noch, sich durch die verschiedenen Kategorien zu klicken.

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13 Produkte für einen Gesamtpreis von 24,53 Euro – exklusive Liefergebühr und Trinkgeld für den Fahrer

Das Angebot umfasst fast alles, was es auch in einem Supermarkt zu kaufen gibt: Früchte und Gemüse, Milchprodukte und Eier, Snacks, Getränke, Fertiggerichte, Süßigkeiten, Eiscreme, Shampoo, Wurst und Käse, Babynahrung und Hundefutter. Was fehlt, ist aber zum Beispiel Fleisch. Wer ein Hähnchenbrustfilet oder Rindergehacktes kaufen möchte, muss dafür in den Supermarkt gehen.

Preise auf Supermarktniveau

Insgesamt ist das Sortiment zwar umfangreich, bietet aber keine riesige Auswahl in den einzelnen Kategorien, wie es in einem Supermarkt der Fall ist. Das Angebot wird aber ständig erweitert. Mit einer breiten Palette an veganen Lebensmitteln wie Nuggets, Knusperschnitzeln sowie Käse- und Milchalternativen richtet sich Gorillas offensichtlich an eine junge, urbane Bevölkerung, die immer seltener Tierisches isst.

Die Preise liegen tatsächlich auf Supermarktniveau, mal sind sie ein paar Cent teurer, seltener preiswerter. Pro Lieferung fällt jedoch noch eine Gebühr von 1,80 Euro an. Zahlen kann man mit Paypal oder Kreditkarte.

Bis vor kurzem lieferte Gorillas auch sonntags Lebensmittel aus. Jetzt hat das Start-up seine Lieferzeiten geändert und bringt in diesem Zeitraum Lebensmittel bis zur Haustür: Montag bis Samstag 8 bis 23 Uhr.

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Gorillas-Tüte

In den vier Berliner Lagern (Stand November 2020), in denen etwa 180 Personen arbeiten, seien aktuell jeweils rund 1100 Produkte im Sortiment, erzählt ein Gorillas-Insider dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Am Standort Köln sei die Zahl derzeit noch niedriger. Das Angebot werde bald aber auf 1800 bis 2000 Produkte ausgeweitet. Zum Vergleich: In einem großen Supermarkt finden sich mitunter 25.000 verschiedene Artikel.

Die Gründer selbst halten sich aktuell lieber bedeckt, wollen öffentlich noch nicht über ihr Unternehmen reden. Das bekommt in der deutschen Gründerszene gerade sehr viel Aufmerksamkeit – insbesondere nach dem Milliardenverkauf des Getränke-Lieferdienstes Flaschenpost an Dr. Oetker.

„Kundenseitig steigt die Bereitschaft, Lebensmittel aus Bequemlichkeitsgründen zu bestellen“, sagt Eva Stüber, Expertin des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH). „Sie wollen flexibel und unabhängig sein. Dies wird stark von Corona befeuert.“ Zur Bequemlichkeit gehöre auch eine Lieferung ganz nach den Wünschen der Kunden: „Je klarer die Lieferzeit eingegrenzt werden kann, desto höher ist der Mehrwert“, sagt Stüber. Verlässlichkeit sei aber der entscheidende Faktor. Dabei habe ein Modell wie das von Gorillas „keinen kompletten Wocheneinkauf im Fokus, sondern Ad-hoc-Bedarfe“.

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Fahrer Hasan lieferte die Lebensmittel mit einem E-Bike aus.

Beim Testlauf in Köln liefert Gorillas, tatsächlich was es verspricht: Fahrer Hasan kommt neun Minuten nach Abgabe der Bestellung auf einem E-Bike vor die Haustür gefahren. Drei Minuten nach der Bestellung fuhr er los, während der Fahrt lässt sich verfolgen, wo er sich gerade befindet. Auf dem Rücken hat Hasan eine Botentasche, der er zwei volle Einkaufstüten entnimmt. Andere Kunden berichten bei einer Großbestellung mit 60 Produkten von acht Minuten Lieferzeit, nach denen drei Fahrer mit Händen voller Tüten an der Tür klingeln.

„Es ist Magie“

Aber wie kann das funktionieren? Schließlich ist die Lieferung deutlich schneller als wenn man selbst zum Supermarkt sprintet. Und kostet dabei fast das gleiche. Fahrer Hasan weiß es auch nicht. „Es ist Magie“, scherzt er.

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Die vollgepackten Einkaufstaschen werden in solchen Fahrradrucksäcken transportiert.

Der Vermutung, dass die Tüten schon gepackt werden, während Kundinnen und Kunden noch ihren virtuellen Warenkorb befüllen, widerspricht der Insider. Nach der bestätigten Bestellung gehe dafür alles ganz schnell: Auf der Warenliste fänden sich statt Produktnamen Codes aus Buchstaben und Ziffern, die den Packern den Weg weisen. Ein Beispiel: Brot mit dem Code A25 befindet sich im Lagerbereich A, zweiter Regalflügel, Fach 5. Das soll ein schnelles Einpacken ermöglichen, während der Fahrer sich für die Fahrt zum Kunden bereit macht. Genauigkeit sei aber wichtiger als die Zeit, so der Insider. Lieber brauche man elf Minuten für die Lieferung, als ein Produkt zu vergessen.

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Die Lieferung hat beim Test nur neun Minuten gedauert.

Zu erfahren ist, dass die Gorillas-Macher nun schnell expandieren wollen. In Köln sind sie auf der Suche nach Immobilien, die sich für die hyperlokalen Gorillas-Lager eignen. Innenstadtnahe Veedel und andere urbane Bereiche Kölns sollen schnell erschlossen werden.

Nicht jedes Umfeld eigne sich, sagt IFH-Expertin Stüber: „Eine Lieferung innerhalb von zehn Minuten lässt sich nur an Orten realisieren, die dicht besiedelt sind und eine junge, digitalaffine Zielgruppe bieten“. Die Kölner Südstadt sei dafür perfekt.

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Inzwischen hat Gorillas zahlreiche Standorte eröffnet, neben Berlin und Köln sind in Deutschland auch München und Berlin im Programm, in den Niederlanden Amsterdam, Den Haag und Utrecht. Erste Investoren sind bereits im August 2020 eingestiegen, „deutsche-startups.de“ berichtete kurz darauf von einer anstehenden Investition in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe. Der New Yorker Hedgefonds Coatue ließ der Ankündigung Taten folgen und steckte 40 Millionen Dollar in das junge Unternehmen.

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