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Erfinder der Zentralverriegelung pleiteWas Trumps Zölle mit der Insolvenz von Kiekert im rheinischen Heiligenhaus zu tun haben

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Die Zentrale des Autozulieferers Kiekert in Heiligenhaus.

In Zeiten von hohen US-Zöllen wird ein chinesischer Eigentümer für den Autozulieferer Kiekert zum Bremsklotz. 

Kiekert, Spezialist für Autoschlösser in Heiligenhaus, bekommt kein Geld mehr von seinem chinesischen Eigner. Da bleibt nur die Radikalkur. Wie es dazu kam.

Weltmarktführer, Erfinder der modernen Zentralverriegelung, 168 Jahre Tradition – und trotzdem pleite. Das alles trifft auf die Kiekert AG aus Heiligenhaus zwischen Essen und Düsseldorf zu. Der Spezialist für Autoschlösser hat am Dienstag Insolvenz am Amtsgericht Wuppertal beantragt. 700 Arbeitsplätze in Deutschland stehen auf dem Spiel. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 4500 Mitarbeiter.

Kiekert-CEO: „Gesellschafter hat seine finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllt“

Klingt nach einer Firmenpleite aus der Autozuliefererbranche, wie man sie zuletzt häufiger gehört hat. Doch die Begründung, die das Management für die Insolvenz anführt, lässt aufhorchen. Nicht die maue Konjunktur, nicht gestiegene Kosten oder die Billig-Konkurrenz aus Asien zählt Vorstandschef Jérôme Debreu als Ursachen auf. Sondern: „Die Insolvenz ist die Konsequenz daraus, dass der chinesische Gesellschafter keine weiteren Mittel bereitgestellt und seine finanziellen Verpflichtungen im dreistelligen Millionenbereich nicht erfüllt hat.“

Denn die Kiekert AG, nach eigenen Angaben nicht nur Weltmarktführer für Kfz-Schließsysteme, sondern auch Erfinder eines Schließsystemdesigns, das in jedem dritten Auto weltweit verbaut ist, gehört seit dem Jahr 2012 zum chinesischen Automobilzulieferer Lingyun mit Sitz in Peking.

Nur vier Prozent des Umsatzes mit chinesischen Autobauern

Der ist nun insbesondere von US-Zöllen betroffen. Kiekert klagt, das habe auf die Tochter durchgeschlagen und zu „erheblichen Auftragsverlusten“ geführt. US-Kunden hätten bestehende „Großaufträge zurückgezogen, Rating-Agenturen das Unternehmen aufgrund des chinesischen Gesellschafters heruntergestuft, Banken verweigern neue Kredite.“ Operativ, so die Lesart des Unternehmens, laufe es dagegen gut. Als Beleg dient ein Auftragsbestand von etwa 10 Mrd. Euro.

Kiekert macht nur vier Prozent seines Umsatzes mit chinesischen Autobauern. Und so wendet das Management sich ungewöhnlich offen gegen seinen Eigentümer. Lingyun verwehre der deutschen Tochter „den Zugang zu wichtigen Märkten und Finanzierungen“. Das wiederum gefährde die Geschäftstätigkeit „erheblich“. Das Management teilte in einer Stellungnahme mit, man dürfe „nicht zulassen, dass geopolitische Restriktionen unser 96-prozentiges Kerngeschäft gefährden“.

„Ausstieg des Gesellschafters ist entscheidend“

Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ erläutert ein Sprecher der Kiekert AG die Dimension des Problems. Nach derzeitiger US-Gesetzgebung sind für Kiekert als Tochter einer chinesischen Gesellschafterin ab Mitte 2026 Vertragsabschlüsse mit US-Kunden untersagt. Ab 2027 gilt das Verbot sogar für die gesamte Lieferkette. Damit sind alle Waren, in denen Kiekert-Technik steckt, vom US-Markt abgeschnitten. „Dies wird die Fähigkeit von Kiekert, US-Verträge abzuschließen, erheblich beeinträchtigen", so der Sprecher weiter. Das ist besonders schmerzhaft für Kiekert, weil das Unternehmen bislang noch 40 Prozent seines Geschäfts mit US-Autobauern einfährt. 

Das Unternehmen zieht nun also die Reißleine. Mit der Insolvenz will das Management den unliebsamen Investor abschütteln. Der CEO spricht das direkt aus: „Der Ausstieg des Gesellschafters ist entscheidend, um unser Wachstum zu beschleunigen und die 168-jährige Geschichte von Kiekert als systemischen Zulieferer der Automobilindustrie fortzusetzen.“

Belegschaft unterstützt den Kurs der Geschäftsführung

Kiekert hat in den vergangenen Jahrzehnten eine wechselvolle Geschichte mit unterschiedlichen Eigentümern hinter sich. Zwischen 1995 und dem Jahr 2000 war der Automobilzulieferer an der Börse notiert, ehe verschiedene Finanzinvestoren die Kontrolle übernahmen. Mit Lingyun schien 2012 endlich wieder ein strategischer Investor aus der Industrie gefunden. Die Verbindung hielt immerhin 13 Jahre.

Aus Betriebsratskreisen verlautet, die Beschäftigten seien zu einem millionenschweren Sanierungspaket bereit gewesen. „Umso enttäuschender ist es, dass diese Anstrengungen am Ende am Verhalten des Gesellschafters zunächst gescheitert sind“, kommentiert Hakan Civelek, Geschäftsführer der IG Metall Velbert. Die Belegschaft signalisiert ihre Unterstützung für den amtierenden Vorstand. Der hatte die Insolvenz unter den gegebenen Umständen für „unausweichlich“ erklärt.

Löhne und Gehälter bis Ende November durch Insolvenzgeld gesichert

Der Geschäftsbetrieb läuft indes an allen Kiekert-Standorten weiter. Löhne und Gehälter sind noch bis Ende November durch Insolvenzgeld gedeckt. Spätestens bis dahin muss eine zukunftsfähige Lösung für das Unternehmen gefunden werden, im besten Fall wohl ein neuer Investor. (mit dpa)