Wasserstoff-Auto im SelbsttestÖko-Toyota mit Qualitäten – und Problemen beim Tanken

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Wirtschaftsressortleiter Thorsten Breitkopf neben dem Wasserstoffauto Mirai von Toyota.

Köln – „Wasserstoff ist die Zukunft“, das hört man derweil aus fast jeder Richtung. Grüner Wasserstoff soll die individuelle Mobilität erhalten. Oder pathetischer gesagt: Das Auto retten. Aber ist ein Fahrzeug, bei dem Wasser aus dem Auspuff kommt, nun einem Verbrenner konkurrenzfähig oder gar besser? Und was sind die Unterschiede zum Batterieauto? Ich habe eine Woche lang einen Toyota Mirai mit Wasserstoffantrieb getestet, das Auto wurde mir vom Hersteller, der seinen Deutschlandsitz in Köln hat, zur Verfügung gestellt. Und vorweg: Es ist ein erstaunlich gutes Auto mit erstaunlichen Hindernissen im Alltag. Ein Überblick:

Was ist der Mirai für ein Auto?

Unter Kfz-Enthusiasten kann man sagen: ein richtiges Auto. Der Toyota hat keine Räder, die an Trennscheiben erinnern, und Ausmaße, die imponieren. Der Mirai ist 4,98 Meter lang und 1,86 Meter breit. Für die Älteren unter uns: Das sind sieben Zentimeter länger und drei Zentimeter breiter als einst ein Opel Admiral! Für die Jüngeren: Das war ein gefühltes Riesenschiff der 60er und 70er Jahre und das mit Abstand Größte, was Opel je gebaut hat. Toyota zeigt also: Wasserstoffauto muss nicht zierlich bis klapprig aussehen. Selbstverständlich kann man die Frage stellen, ob eine Nummer kleiner nicht auch deutlich weniger des kostbaren Wasserstoffs verbrauchen würde. Aber die Japaner haben sich nun mal entschieden, eine Art Oberklassen-Limousine zu bauen. Das Stichwort Limousine ist allerdings zweischneidig. Der Mirai ist also keines der umstrittenen SUVs, sondern eine klassische Stufenhecklimousine – leider mit einem winzigen Kofferraum. Dieser hat ein Volumen von nur 300 Litern Tank und Brennstoffzellen zu verdanken. Selbst ein Opel Corsa – ein Kleinwagen – kann da mithalten. Doch konventionelle Limousinen, auch kleinere als der Mirai wie der Ford Mondeo, schaffen locker 520 Liter und mehr. Also ist der Mirai ein Auto für Menschen, deren Kinder mindestens schon selbst laufen können. Denn der Versuch, unseren Kinderwagen des Herstellers ABC-Design im Mirai unterzubringen, scheiterte, obwohl der sonst in unserem kleinen Suzuki Jimny spielend Platz findet. Im Innenraum freilich bietet der Mirai ausreichend Platz und ebenfalls ein recht nobles Ambiente.

Wie funktioniert der Mirai?

Wasserstoff hin oder her: Der Mirai ist ein Elektro-Auto. Ein E-Motor im Heck (der den Kofferraum so klein macht) treibt die hintere Achse an. Doch der Strom dazu kommt nicht aus der Batterie. Die Energie wird nicht per Stromkabel geladen, sondern unter der langen Haube von einem sogenannten Brennstoffzellenstack an Bord hergestellt. Das ist ein Stapel von Brennstoffzellen.

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Im breiten Kardantunnel des Mirai ist einer der Wasserstofftanks.

Als Primärenergie wird gasförmiger Wasserstoff aus Tanks im breiten Kardantunnel und unter der Rücksitzbank genutzt. In jeder dieser in Serie geschalteten Zellen wird in einer sogenannten „kalten Verbrennung“ die chemische Reaktionsenergie des kontinuierlich zugeführten Wasserstoffs und Luftsauerstoffs in elektrische Energie umgewandelt. Aus dem Auspuff kommt also nichts als Wasser. Damit das auch jeder sieht, hat der Mirai einen kleinen Knopf, mit dem man das Wasser ablassen kann, was den Wagen eindrucksvoll in einer Wasserdampfwolke verschwinden lässt – fast wie bei James Bond.

Das Abenteuer Tanken

Wenn man eine Tankstelle gefunden hat, dann geht das Tanken – wenn nichts schiefläuft – sehr schnell. Fast so schnell wie beim Verbrenner, binnen drei bis fünf Minuten. Die Krux ist eher, eine Tankstelle zu finden. Diese wird mir in der H2-App angezeigt, und die zeigt leider auch: Wasserstofftankstellen sind rar wie die Blaue Mauritius. Für Köln zeigt die App keine an, wohl aber in Frechen, was 30 Kilometer Umweg erfordert. Für Düsseldorf wird eine Tanke angezeigt, die ist aber noch im Bau, und eine zweite wird zwar angezeigt, wurde aber kurz vor Erreichen als „vorübergehend außer Betrieb“ gekennzeichnet. Bei der in Mönchengladbach passierte das Gleiche, zum Glück vor dem Losfahren.

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Der Tankstutzen des Mirai war im Test in Leverkusen festgefroren.

Abenteuerlicher war es an der H-Säule in Leverkusen. Denn nach erfolgreichem Tankvorgang fror der Tankstutzen am Fahrzeug fest. Ein Techniker war zwar telefonisch erreichbar, aber nicht vor Ort. Diverse Gespräche über eineinhalb Stunden führten später zu dem Tipp, den Stutzen mit „wenigen Tropfen warmen Wassers“ zu befreien. „Aber sehr wenig, und sehr vorsichtig!“ Was soll das heißen, explodiert sonst der mit unter 700 Bar Druck stehende Wasserstoff im Wagen? Für ehemalige Chemie-Grundkurs-Schüler wie mich eine beängstigende Vorstellung. Der Trick mit dem Wasser klappte, auch wenn ich zwei Termine verpasst hatte. „Ausnahme“ sagte die Service-Hotline. „Stimmt nicht“, sagte ein freundlicher Fahrer eines Wasserstoff-Kia hinter mir. „Ich musste hier kürzlich aus dem gleichen Grund meinen Wagen über Nacht stehen lassen, bis ein Techniker ihn wieder befreite.“

So fährt er sich und so weit

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Toyota Mirai mit klassischer Limousinen-Form.

Erstaunlich gut fährt er sich. Der Mirai hat den Fahrkomfort der oberen Mittelklasse, mindestens. Neun Sekunden braucht er auf 100 km/h, bei 175 km/h ist Schluss, das reicht, meine ich. Laut Hersteller soll er 0,89 bis 0,79 Kilogramm Wasserstoff auf 100 Kilometer schaffen. Bei meinem Test schaffte ich es nie unter ein Kilogramm. Ein Kilogramm Wasserstoff kostete an allen Tankstellen des Tests 9,50 Euro. Damit liegen die Kosten etwa bei denen eines Benziners.

In puncto Reichweite übrigens lässt der Wasserstoff-Mirai die meisten Batterieautos hinter sich. Bis zu 650 Kilometer sagt Toyota, im Test waren es 450. Aber die erwiesen sich als stabil. Während bei Batterie-Autos bei Kälte oder Bergfahrt die Reichweite rapide sinkt, hält der Mirai, was die Anzeige verspricht, warm wie kalt, bergauf, bergab. 63 900 bis 73 900 Euro kostet der Mirai und damit deutlich weniger als ein elektrischer Tesla Model S (99 000 Euro).

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