Speditionen klagenAussetzung der Wehrpflicht führt zu Personalmangel bei LKW-Fahrern

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ABC Spedition

Ein Lkw der Spedition ABC-Logistik fährt  auf einer deutschen Autobahn.

  • Die Logistik-Branche leidet unter dem demographischen Wandel. Unter anderem.
  • Der hohe Preis für den Erwerb des Lkw-Führerscheins schreckt viele junge Leute ab.
  • Andererseits: Arbeitgeber, die attraktive Konditionen bieten, finden auch Fahrer.

Köln – Kaum eine Branche spürt den Mangel an Arbeitskräften so deutlich wie die Logistikunternehmen und besonders die Speditionen in Nordrhein-Westfalen. Konkret fehlen den Unternehmen vor allem ausgebildete Lkw-Fahrer, oder solche, die es noch werden wollen.

Für den Verband Spedition und Logistik NRW (VSL) gibt es dazu drei entscheidende Treiber: „Der demografische Wandel, der Wegfall der Wehrpflicht und der leer gefegte Arbeitsmarkt“, sagt Rüdiger Ostrowski vom Vorstand des VSL. „Bis zum Jahr 2025 scheiden jedes Jahr 50.000 Lkw-Fahrer aus. Doch leider kommen jährlich nur 10.000 neue hinzu“, sagt Ostrowski. Rein rechnerisch ergibt sich so eine Lücke von rund einer Viertel Million Fahrern.

Schon heute gibt es in Deutschland zu wenige, weswegen Unternehmen etwa auf Spediteure aus dem Baltikum oder Südost-Europa zurückgreifen. „Es wird der Tag kommen, da kann sich ein Lkw-Fahrer in Deutschland eine von drei freien Stellen aussuchen, in den 1980er Jahren sah die Welt noch exakt umgedreht aus“, sagt der VSL-Vorstand.

Insofern unterscheidet sich der Arbeitsmarkt der Logistikbranche nicht wesentlich von Gesundheitsberufen oder der Gastronomie. Doch eine Besonderheit macht den Speditionen zu schaffen. „Früher machten viele junge Männer als Wehrpflichtige bei der Bundeswehr ihren Lkw-Führerschein und konnten danach als Fahrer im zivilen Bereich eingesetzt werden. Doch mit der Aussetzung der Wehrpflicht fehlen diese Fahrer“, sagt Holger te Heesen, Inhaber der Düsseldorfer Spedition ABC-Logistik.

Für Speditionen und Mitarbeiter bot dieser Weg den großen Vorteil, dass die Bundeswehr kostenlos die Ausbildung für den Führerschein schon übernommen hatte. Diesen muss heute in der Regel der Arbeitnehmer bezahlen, und die Kosten sind mit 7000 bis 8000 Euro in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen.

Höhere Löhne werden bezahlt

Dritter Faktor für den Arbeitskräftemangel aber ist der Boom auf dem Arbeitsmarkt. „Wir haben fast Vollbeschäftigung, und wenn man sich Jobs aussuchen kann, wählt man nicht zwingend einen mit den Arbeitszeiten eines Lkw-Fahrers“, sagt Ostrowski. Dem versucht die Branche auch durch höhere Löhne entgegenzuwirken. In den vergangenen Jahren sind die Tarifgehälter der Logistiker um 18 Prozent und damit vergleichsweise deutlich gestiegen.

Holger te Heesen

Holger te Heesen

Der VSL arbeitet auch an einer Verbesserung des Images der Branche. „Die Menschen sollten lernen, die Logistik zu wertschätzen und nicht nur das Paket zu sehen, das am Ende einer Warenlieferung zu Hause ankommt“, sagt Ostrowski. Ihm ist auch die Aufwertung des Berufsbildes „Berufskraftfahrers“ wichtig.

Früher reichte der Führerschein, und ein junger Mensch konnte auf dem Lkw arbeiten. Doch im Jahr 2006 trat in Angleichung an EU-Recht das Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz. Das sieht unter anderem vor, dass die Fahrer von Lastkraftwagen mit einem Gewicht von mehr als 7,5 Tonnen eine duale Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer absolvieren müssen. Für Rüdiger Ostrowksi ist der Ausbau dieses Berufsbildes mit Blick auf Sicherheit und die Wertschätzung junger Mitarbeiter der richtige Weg.

Fahrer übernachten in Hotels

Spediteur Holger te Heesen sieht das grundlegend anders als der Speditionsverband, dem er nicht angehört. „Die Anforderungen an die jungen Azubis sind für den Beruf des Kraftfahrers viel zu hoch, die Durchfallquoten extrem hoch“, sagt te Heesen.

Die Prüflinge müssten physikalisches und vor allem theoretisches Wissen mitbringen, das eigentlich das Abitur voraussetzt. „Haupt- und Realschüler werden durch die schwere Theorie von dieser Ausbildung abgeschreckt“, sagt der Düsseldorfer Spediteur.

Te Heesen beschäftigt 90 Fahrer auf 80 Lastwagen und hat nach eigenem Bekunden keine Probleme, Mitarbeiter zu rekrutieren und auch zu halten. Dazu habe er ein ganzes Bündel an Maßnahmen im Unternehmen umgesetzt. „So bezahlen wir jedem Fahrer ein Hotel, so dass er nicht auf der Raststätte oder gar im Lkw übernachten muss“, so te Heesen.

Denn das sei auch wegen zunehmender Kriminalität unbeliebt. Außerdem zahle er einen höheren Grundlohn von 2000 Euro, der durch Prämien für Nachtfahrten oder Abwesenheiten recht einfach auf 3000 Euro aufgestockt werden kann. Außerdem schreibe er strikte Dienstpläne, damit die Fahrer nicht wie bei vielen Firmen 45 Stunden und mehr pro Woche arbeiten müssten.

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