Das Auge kocht mitVon der Lust, in Kochbüchern zu schmökern

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Regal mit Kochbüchern

Kochbücher erzählen auch von Menschen, Geschichten und Begegnungen.

Trotz der Menge an Rezepten im Internet verkaufen sich Kochbücher bestens. Für die aktuellen Titel gilt: Sie zeichnen sich durch eine klare Struktur und eine natürliche Bildsprache aus.

Da war die Jury so richtig hingerissen: „Die üppigen Fotografien sind jede für sich ein Stillleben“, „die Bilder wirken zum Streicheln samtig“, und manche Motive sähen aus, „als wäre der Fotograf ein Seelenverwandter von Caravaggio“. Solche Begeisterung löste Claudia Hirschbergers und Arne Schmidts Kochbuch „Die grüne Stadtküche“ aus. Die Stiftung Buchkunst kürte den Band aus dem Knesebeck Verlag 2018 zu einem der schönsten deutschen Bücher des Jahres in der Kategorie Ratgeber/Sachbücher.

Es gibt viele wunderbare Kochbücher. Wer in ihnen blättert, bekommt Lust, sofort etwas daraus nachzukochen. Auch wenn nicht einmal in der Hälfte deutscher Haushalte täglich gekocht wird und 8 Prozent der Deutschen laut dem Portal Statista sogar erklären, dass sie sich nie eine warme Mahlzeit zubereiten: Dem Interesse an Kochbüchern (und an Kochshows sowieso) tut das wenig Abbruch.

Kochbücher bieten die Möglichkeit zum Eskapismus.
Benjamin Cordes, Kochbuchexperte

2022 sind laut dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels 1781 neue Kochbücher auf den Markt gekommen. Das sind zwar weniger als 2021 (2123 Titel), doch deutlich mehr als in den Jahren vor der Pandemie. „In den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 schlug die große Stunde der Kochbücher“, sagt eine Sprecherin des Börsenvereins. Während der Pandemie entdeckten viele das Kochen für sich, und im Ratgeberbereich erreichten die Titel aus dem Bereich Essen & Trinken 2021 einen Spitzenwert. Mittlerweile hat sich das zwar wieder eingependelt, liegt aber immer noch auf hohem Niveau.

Und das Angebot ist immens. Vegane Gerichte, mediterrane Küche, gesunde Ernährung, Anleitungen zum Grillen … – für wohl jeden Ernährungsstil und jede kulinarische Vorliebe gibt es das passende Buch. Dazu kommen Veröffentlichungen der Kochprominenz, die den Verlagen guten Umsatz bringen. So stehen in den aktuellen Bestsellerlisten Bücher der Fernsehköche Steffen Henssler, Tim Mälzer und Jamie Oliver ganz weit oben.

Die Zeiten, in denen zwischen Buchdeckeln nur Rezepte und Wissenswertes für die sparsame Hausfrau (den Hausmann hatte man damals eher selten im Blick) ohne Fotos zu entdecken waren, sind lange vorbei. Die Zeiten, in denen sich jedes erdenkliche Rezept auch im Internet finden lässt, sind indes auch schon vor einer ganzen Weile angebrochen. Unverdrossen aber bringen die Verlage Kochbücher auf den Markt und an die Frau und den Mann. Wohl nicht immer steht der Nutzwert der Bände im Vordergrund: Kochbücher sind Wohlfühlbücher.

Ob sie tatsächlich immer zum Kochen animieren, ist fraglich. Sie bieten die „Möglichkeit zum Eskapismus“, meint Benjamin Cordes, Gründer und Geschäftsführer des Kochbuchportals „Kaisergranat“. Auf jeden Fall regen sie die Fantasie an – was man vielleicht mal zubereiten könnte oder wie schön es wäre, mal wieder ein paar Freunde und Freundinnen zum Essen einzuladen.

Charakter des Rezepts muss schnell deutlich werden

Für Cordes ist ein Kochbuch dann gelungen, wenn es „gute Orientierung“ bietet, wenn „guter Inhalt auch wirklich gut präsentiert wird“. Damit meint er zum Beispiel, dass der Charakter eines Rezepts schnell deutlich wird, dass es eine übersichtliche Zutatenliste gibt und die Zubereitungsschritte knapp und gut erklärt sind. Gerade Letzteres klingt nach einer Selbstverständlichkeit, doch laut dem Hamburger ist „manchmal in Rezepten die Kochlogik durchbrochen“.

Seit einigen Jahren vergibt „Kaisergranat“ in mehreren Kategorien den Deutschen Kochbuchpreis. Cordes resümiert: „Der Markt ist immer in Bewegung.“ Sprich: Themen und Aufmachungen verändern sich, und es gibt unterschiedlichste Stile – manche Neuerscheinungen sind bewusst opulent gestaltet, andere betont schlicht.

Wer in den Neuerscheinungen blättert, erkennt schnell: Die Bildsprache hat sich geändert. Vor Jahrzehnten zeigte man gern überbordende Tafeln und später Gerichte, die oft zu schön aussahen, um wahr zu sein. Da hatten Foodstylisten und -stylistinnen ganze Arbeit geleistet, um alles glänzend und perfekt in Szene zu setzen.

Neues Kochbuch Shemesh Kitchen, Dumontverlag, Sophia Giesecke & Uri Triest

Neues Kochbuch Shemesh Kitchen, Dumontverlag, Sophia Giesecke & Uri Triest

Heute sehen die Speisen meist natürlicher aus, sie werden ohne allzu viel Chichi präsentiert. Wichtig ist laut Cordes, dass die Gerichte gut ausgeleuchtet und klar zu erkennen sind. Im Moment sei es meist üblich, sie von oben zu fotografieren, also eine Draufsicht zu wählen. Das wirkt ungekünstelt, ist aber – natürlich – auch eine Art der Inszenierung.

Und die passt gut zu Kochbüchern, die eine eher unkomplizierte, oft auch vegetarische Küche favorisieren wie „Einfach Tanja“ (AT Verlag) von Spitzenköchin Tanja Grandits. Oder wie „Shemesh Kitchen“ (Dumont Verlag), ausgezeichnet mit dem Deutschen Kochbuchpreis in der Kategorie „Bester Newcomer“. Sophia Giesecke und Uri Triest gründeten Shemesh Kitchen als Food-Kanal im Internet – einer der unzähligen Kanäle oder Blogs zum Thema Essen. „Auch in den sozialen Medien gibt es im Foodbereich unterschiedlichste Stile“, so Cordes.

Manche Bücher widmen sich recht speziellen Themen wie Georgina Haydens „Nistisima“ (Dorling Kindersley Verlag), das vegane Fastenrezepte der Mittelmeerküche vorstellt. Das klingt frugal, kommt aber sehr verlockend daher. Und so, als seien die Rezepte durchaus auch für Hobbyköche und –köchinnen zu bewerkstelligen.

Das ist bei Büchern aus der Rubrik Sterneküche nach Beobachtung von Cordes anders. „99 Prozent der Käufer und Käuferinnen können das nicht kochen, lesen das aber gern.“


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.

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