Gesunder SpaßTanzen hilft gegen Demenz und hebt die Stimmung

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Eine tanzende Frau mit Kopfhörer

Tanzen ist gesund für Körper und Seele.

Tanzen macht nicht nur Spaß, es hat auch viele positive Wirkungen auf unsere Gesundheit. Und es ist gut für das Gehirn: Bei älteren Menschen kann ein Tanzprogramm sogar gegen Demenz im frühen Stadium helfen, haben Studien gezeigt.

Am Freitag startete die neue Staffel von „Let‘s Dance“: In nur wenigen Tagen werden in der Show auch dieses Mal wieder Prominente Salsa, Tango oder Wiener Walzer lernen. Jedes Jahr stürzen sich die Teilnehmenden mit Freude und Ehrgeiz in diese Aufgabe – und legen erstaunlich an Fitness zu. Wie gesund ist Tanzen für Körper und Seele?

Beim Tanzen können wir zum einen unsere Gefühle ausdrücken – egal, ob alleine zu Hause oder im Club. Umgekehrt kann auch das Tanzen unsere Stimmung beeinflussen, hat eine Studie gezeigt. Versuchsteilnehmende hatten die Bewegungen eines Menschen oder eines Avatars imitiert, die tanzend entweder traurige oder fröhliche Stimmung ausdrückten. Anschließend hatte sich diese Stimmung auf sie übertragen. Die Ergebnisse würden zeigen, dass Tanzen eine „effektive Methode zur Stimmungsregulation“ sei, schreiben die Autoren und Autorinnen.

Gesünder als Aerobic

Aber ein Tanztraining bringt noch viel mehr. So stellten italienische Forschende fest, dass Walzertanzen sich bei chronischer Herzschwäche genauso positiv auf die Gesundheit auswirkte wie ein spezielles Aerobic-Programm. Noch dazu waren die Walzertänzer und-tänzerinnen emotional besser gestimmt und neigten eher dazu, das Programm durchzuhalten. Tanzen könnte daher als Ergänzung zu Herzsportprogrammen angeboten werden, schlagen die Autoren und Autorinnen der Studie vor. Oder als Alternative dazu: Für all diejenigen, denen das Tanzen einfach mehr Spaß macht als Gymnastik.

Tanzen ist im Prinzip Sport, im Profibereich sogar Hochleistungssport
Anita Hökelmann, Professorin für Sportwissenschaft an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Für Anita Hökelmann, Professorin für Sportwissenschaft an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, ist Tanzen eine Art Allheilmittel. Sie sagt: „Tanzen ist im Prinzip Sport, im Profibereich sogar Hochleistungssport.“ Es habe unter anderem positive Auswirkungen auf das Herzkreislauf- und Atemsystem und den Gleichgewichtssinn. Hökelmann erforscht außerdem seit vielen Jahren die positiven Auswirkungen des Tanzens auf das Gehirn – speziell bei älteren Menschen.

An der Uni Magdeburg wurde ein Programm für Senioren und Seniorinnen entwickelt, das aus zwei 90-minütigen Einheiten pro Woche besteht. „Bei über 65-Jährigen, die regelmäßig daran teilnahmen, haben sich die Konzentrationsfähigkeit, die Auffassungsgabe und die Reaktionsschnelligkeit verbessert“, sagt Hökelmann. Positive Effekte des Tanzens auf die kognitiven Fähigkeiten seien selbst noch bei Menschen mit Demenz der Stufe eins oder zwei festzustellen.

In einer Studie hatten auch Hökelmann und andere Forschende die Wirkung ihres Tanzprogramms mit den Effekten klassischer Fitness- und Kraftübungen verglichen – wie Hanteltraining, Stretching, Schwimmen, Fahrradergometer und Walking. Nach sechs Monaten hatten sich in der Tanzgruppe die Aufmerksamkeit und Wachsamkeit verbessert, ebenso der Gleichgewichtssinn und die Flexibilität der Teilnehmenden.

In der Fitnessgruppe steigert sich nur die Wachsamkeit. Nach einem weiteren Jahr hatten sich zudem die verbalen Fähigkeiten der Tänzer und Tänzerinnen verbessert. Die Erklärung dazu lieferten Aufnahmen des Gehirns: Dort hatte sich durch das Tanzprogramm das Volumen der weißen Masse vergrößert, die aus den Nervenbahnen besteht.

Gut für das Gehirn

„Das sorgt für eine bessere Kommunikation zwischen Hirnarealen“, so Hökelmann. Und nur bei den Teilnehmenden der Tanzgruppe wurde eine stärkere Ausschüttung des Neurotransmitters BDNF nachgewiesen, der das Wachstum und den Erhalt der Nerven und Nervenbahnen fördert. Es habe außerdem auch Zuwächse der grauen Substanz gegeben, in der Hippocampus Region. „Dadurch können sich auch noch bei über 70-Jährigen die kognitiven Fähigkeiten verbessern“, sagt die Professorin. Die Hippocampus Region, in der sich viele Nervenzellen befinden, ist für den altersbedingten Abbau von Hirnsubstanz anfällig. Tanzen scheint diesen teilweise ausgleichen zu können.

Aber wodurch genau ist das Tanzen anderen Sportarten überlegen, und wie muss ein Tanzprogramm aussehen, damit es sich positiv auswirkt? „Das Besondere beim Tanzen ist, dass es praktisch unbegrenzte Möglichkeiten an immer wieder anderen Bewegungsmustern gibt“, erklärt Hökelmann. Auf einem Fahrradergometer oder Laufband und bei vielen Fitnessübungen bleiben die Bewegungen immer dieselben. Im Tanzprogramm für Seniorinnen und Senioren wird stattdessen darauf geachtet, dass ständig etwas Neues erlernt wird: verschiedene Schrittvarianten, Armbewegungen und Kombinationen davon. „Dadurch wird die Denkfähigkeit trainiert“, so die Professorin.

Musik fördert Lernprozess

Die Musik und die Aktivität in der Gruppe würden die Stimmung heben und dadurch den Lernprozess unterstützen. Viele Senioren und Seniorinnen, die mit zunächst ernstem Gesicht zur Tanzstunde erscheinen, beginnen zu lächeln, sobald die Musik angeht: „Durch Emotionen lernt man, und mit Musik geht alles leichter“, sagt Hökelmann.

Beim Tanzen arbeiten Sie an der Körperhaltung und an Bewegungsausdruck und Körpersprache
Anita Hökelmann, Professorin für Sportwissenschaft an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Viele mögen noch immer die Musik aus ihrer Jugend: „Bei den heute 60-, 70- und 80-Jährigen gehören dazu der Rock ‚n‘ Roll der 50er, die Beatles oder Abba“. Im Tanzprogramm würden aber nahezu alle Arten von Musik gespielt. „Passend ist alles, was uns fröhlich stimmt und rhythmisch leicht erkennbar ist“. Auch werden Elemente aus allen Tanzstilen genutzt, die es gibt. Besonders gut geeignet sei „Line Dance“, weil es dabei viele Richtungsänderungen gibt. Dadurch werde das Gehirn angeregt, weil es sich immer wieder neu ausrichten muss.

Von der gesunden Wirkung des Tanzens würden längst nicht nur Senioren und Seniorinnen profitieren, sagt Hökelmann. „Beim Tanzen arbeiten Sie an der Körperhaltung und an Bewegungsausdruck und Körpersprache. Das ist besonders wichtig für junge Menschen, die viele Stunden sitzen und unter Bewegungsarmut leiden. Das Körperbewusstsein und die Bewegungskoordination werden verbessert.“

Jeder Mensch tanzt, wie er kann

Freizeittanz kann zudem das Level des Stresshormons Cortisol im Blut senken und so das allgemeine Wohlbefinden verbessern. Bei Profi- und Showtänzern und -tänzerinnen hingegen kann der Cortisol-Spiegel sogar steigen. Auch bei „Let‘s Dance“-Teilnehmenden ist oft eine große Nervosität zu beobachten. Zudem berge Paartanz ein gewisses Frustrationspotential, sagt Hökelmann, wenn die Tanzenden dabei ein zu unterschiedliches Niveau haben.

In ihrem Programm für Senioren und Seniorinnen verzichtet sie deshalb darauf. Jede Person tanzt für sich alleine, so wie sie kann. Andererseits könne man beim Paartanz wie bei „Let‘s Dance“ noch weitere Fähigkeiten lernen: sich der Führung anzupassen oder die Führung zu übernehmen. Wenn das gelingt, sei der Paartanz „natürlich das Highlight“.


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