Poliertes ImageMacht Prominenz die Mode vom Discounter besser?

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Illustration: Mode glamourös von einem weiblichen Model inszeniert

In Deutschland wetteifern vor allem Aldi und Lidl um Prominenz beim Verkauf von Trend-Textilien.

Seit einigen Jahren setzen Discounter vermehrt auf bekannte Designer und andere prominente Persönlichkeiten, um Kleidung zu vermarkten. So soll das Billigimage mit einer Prise Glamour aufpoliert werden. Doch was taugen die Textilien wirklich?

In diesem Jahr war es das niederländische Model Sylvie Meis, das von den Seiten des Aldi-Werbeprospekts lächelte: im März in Nachtwäsche, im April mit einer Sportkollektion, im Juli in pastellfarbenem Bikini. Damit reiht sich Meis ein in eine nicht gerade kleine Gruppe von bekannten Persönlichkeiten, auf die Discounter seit einigen Jahren setzen, um ihre Kleidung zu vermarkten. Ausgangspunkt dafür waren die massiven Umsatzrückgänge, die Aldi, Lidl, Netto und Co. 2006 im Textilbereich verzeichneten. „Damals standen Discounter vermehrt wegen schlechter Arbeitsbedingungen und der nicht nachhaltigen Textilien in der Kritik“, sagt Prof. Claudia Ebert-Hesse, Studiendekanin an der Akademie Mode und Design (AMD). Doch macht die Prominenz die Mode besser?

Nach dem Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik in Bangladesch 2013 geriet die Billigmodeproduktion in heftige Kritik. „Aufgrund solcher Entwicklungen mussten Discounter sich überlegen, wie sie es schaffen, bestehende Kunden zu halten und neue Kunden zu generieren“, sagt Ebert-Hesse. Ein erster Schritt war die Unterzeichnung des Abkommens zu Gebäudesicherheit in Bangladesch. 2016 begann die Zusammenarbeit mit Celebrities. Das Geschäftsmodell kam aus den USA, wo die Discounter Walmart und Target bereits ein paar Jahre zuvor erfolgreiche Kooperationen eingegangen waren.

In der Regel gilt, dass sehr günstige Preise für nachhaltige Textilien durchaus Greenwashing bedeutet.
Claudia Ebert-Hesse, Professorin für Mode

In Deutschland wetteifern vor allem Aldi und Lidl um Prominenz: 2017 stellten die amerikanische Sängerin Anastacia und Aldi Süd ihre „Music Loves Fashion“-Kollektion vor. Lidl antwortete mit „Let’s Wow“, entworfen von Model Heidi Klum. 2019 zog Aldi den Modedesigner Wolfgang Joop an Land. Im Sommer desselben Jahres bot Lidl Taschen von Designer Michael Kors an. 2020 warb der Youtuber Julien Bam mit seiner Kollektion „No Brand Needed“ für Aldi Süd. Der Discounter Netto setzte 2020 auf Reality-TV-Star Evelyn Burdecki. Warum dieses Aufgebot an mehr oder weniger bekannten Berühmtheiten, denen die Kundschaft in der Regel sowieso nicht zutraut, selbst Discountermode zu tragen?

„Höhere emotionaler Wert“

„Dadurch, dass ein Star damit in Verbindung steht, bekommt das Kleidungsstück einen höheren emotionalen Wert“, sagt Modeprofessorin Ebert-Hesse. „So wird das Produkt und damit das Billigimage des Discounters aufgewertet.“ Darüber hinaus besitzt der Name einer bekannten Persönlichkeit durchaus Strahlkraft: Dadurch erweitere sich der Kundenkreis, sagt Ebert-Hesse. Wie viel Einfluss die Promis wirklich auf die Kollektion haben, lässt sich ihr zufolge allerdings schwer beurteilen. Die Modeexpertin ist jedoch überzeugt, dass es sich insbesondere Designer und Designerinnen nicht nehmen lassen, sich die Entwürfe anzuschauen und ihren eigenen Stil einzubringen.

Prestigegewinn geht damit nicht zwangsläufig einher: „Eine Kooperation mit einem Discounter ist immer delikat“, räumt Ebert-Hesse ein. „Es ist etwas ganz anderes, als wenn jemand mit Edelmarken kooperiert, wo die Zusammenarbeit auf Augenhöhe stattfindet.“ Hinzu kommt, dass die Discountermode in Sachen Qualität und Nachhaltigkeit nach wie vor eher nicht punktet: Ebert-Hesse geht davon aus, dass bei der Produktion allenfalls Mindeststandards eingehalten werden. „In der Regel gilt, dass sehr günstige Preise für nachhaltige Textilien durchaus Greenwashing bedeutet“, sagt sie.

Ein Beispiel dafür sind die 2020 von Aldi auf den Mark gebrachten „Green Sneaker“. Die auf Nachhaltigkeitsthemen spezialisierte Onlineplattform Utopia monierte die schwache Aussagekraft der „Global Recycled Standard“-Zertifizierung, die Produkte schon ab 20 Prozent Recyclinganteil erhalten. Auch die Bezeichnung als klimaneutrale Schuhe sei irreführend. Denn das bedeutet nicht, dass keine Treibhausgase anfallen, sondern lediglich, dass ein Konzern Kompensationszahlungen dafür leistet. Auch die von Lidl ebenfalls 2020 lancierten Sneaker aus recycelten Plastikflaschen sind kein Paradebeispiel für Umweltschutz: Für die Schuhe wurden zusätzlich verschiedene andere, nicht nachhaltige Materialien verwendet. So ein Mix sorgt Umweltexperten zufolge für geringe Recycelbarkeit.

Preisgünstige Mode: Oft nicht besonders langlebig

Wie es darüber hinaus um die Qualität von Schuhen und Kleidungsstücken bestellt ist, lässt sich schwer belegen. Allerdings legen Stichproben wie zum Beispiel ein 2022 von RTL veröffentlichter „Schnäppchentest“ nahe, dass extrem preisgünstige Mode oftmals nicht besonders langlebig ist.

Ob gut oder nicht – am Ende obsiegt der psychologische Effekt bei Discountermode: Promis als Werbeträger für die Kollektionen schaffen eine gewisse Nähe zur Kundschaft. „Die Idee dahinter ist eine Demokratisierung des Lifestyles“, sagt Ebert-Hesse. Premiummarken sollen für alle erschwinglich und nicht mehr nur einer zahlungskräftigen Klientel zugänglich sein. Dass es dabei nicht um im Alltag eher untragbare Haute Couture geht, zeigt der Modeexpertin zufolge gut die Kollektion von Designer Steffen Schraut für Aldi Süd 2018: „Das Angebot bestand aus stylischen und zeitlosen Basics. Solche Teile haben kein High-Fashion-Image, sondern sind eher einfach.“ Damit bedienen die Kooperationen ein seit Jahren aktuelles Bedürfnis vieler Menschen: „Sie wünschen sich anspruchsvolle Mode zu erschwinglichen Preisen“, sagt Ebert-Hesse, „und das ist auf jeden Fall auch etwas, was zunehmend gefragt ist.“

Zusätzlichen Kaufanreiz schafft eine künstliche Verknappung: Denn bei den Starkollektionen handelt es sich in der Regel um limitierte Auflagen. Gleichzeitig beobachtet die Modeprofessorin, dass der Markt mit den Celebritys momentan „etwas ermüdet“ sei. Dafür setzt sich ein anderes Phänomen immer mehr durch: Tatsächlich ziehen mittlerweile auch die Discountermarken selbst. Und das vor allem bei Menschen, die finanziell nicht unbedingt darauf angewiesen sind, für Kleidung auf Supermarktangebote zurückgreifen zu müssen: Anti-Status-Statements sind en vogue. „Günstiges hat einen gewissen Kultstatus“, sagt Ebert-Hesse. So wie der 2020 in kürzester Zeit komplett ausverkaufte Lidl-Turnschuh in den typischen Farben des Discounters. Aldi verzeichnete 2021 mit der ersten eigenen Kollektion „Aldimania“ Erfolge – und brachte in diesem Sommer eine limitierte Unisexversion heraus. (RND)


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