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Handel und Gastro in KölnWarum manchmal nur Bares Wahres zu sein scheint

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"Keine Kartenzahlung möglich" steht auf einem Schild am Eingang eines Drogeriemarktes.

„Kartenzahlung erst ab zehn Euro“ oder „Kartenlesegerät defekt“, solche Informationen sind in den Fenstern und Eingängen von Cafés, Imbissen und Restaurants in der Stadt durchaus präsent. (Symbolbild)

Noch immer akzeptieren viele Händler oder Gastronomen in Köln keine Kartenzahlung. Dabei ist mobiles Bezahlen Trend, wie eine Studie ergab.

Ein Gedankenspiel: Urlaub in Italien, zwei Kugeln Eis bestellt, 5,20 Euro, zwar viel zu teuer, aber so einfach. Karte ans Lesegerät gehalten, ein kurzes Piepen, Zahlung akzeptiert, mit Limone und Stracciatella zum Strand zurück – ein Szenario, das viele Deutsche an Kassen im Ausland favorisieren.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Innofact, die das Vergleichsportal Verivox in Auftrag gegeben hat, zücken 55 Prozent der Befragten auf Reisen innerhalb der Euro-Zone bevorzugt die Karte, außerhalb davon sind es sogar 56 Prozent. Für einen Einkauf in Höhe von 20 Euro würden innerhalb Deutschlands jedoch nur 51 Prozent von ihnen lieber mit Karte zahlen. 

Umfrageergebnisse zur bevorzugten Bezahlweise der Deutschen im In- und Ausland

Umfrageergebnisse zur bevorzugten Bezahlweise der Deutschen im In- und Ausland

Obwohl es doch einige Vorteile mit sich bringt, wie das Beispiel im italienischen Eiscafé zeigt: Kein Warten darauf, dass der Kunde vor einem noch die letzten zehn Cent aus den verschiedenen Fächern der Strandtasche zusammenklaubt. Kein innerlicher Stress, weil beim Blick ins Portemonnaie mal wieder viel zu spät auffällt: kein Bargeld dabei. Und man sich in einem Gefühlsmix aus genervt und peinlich berührt wieder aus der Schlange entfernen muss.

Mindestgrenzen bei der Kartenzahlung

So etwas – so jedenfalls der Eindruck von Kartenenthusiasten – passiert einem nur in der Heimat. Beseelt vom unkomplizierten, kontaktlosen Bezahlen im Ausland kann sich die Suche nach einem geeigneten Restaurant in Köln schon mal schwieriger gestalten als an der Riviera – zumindest gefühlt.

„Kartenzahlung erst ab zehn Euro“ oder „Kartenlesegerät defekt“, solche Informationen sind in den Fenstern und Eingängen von Cafés, Imbissen und Restaurants in der Stadt durchaus präsent. Manchmal macht auch erst ein Hinweis in der Speisekarte darauf aufmerksam: „Bei uns ist leider nur Barzahlung möglich.“ Da ist die Limonade hoffentlich noch nicht bestellt, oder es finden sich doch noch ein paar Münzen und Scheine im Portemonnaie.

Ein Schild mit der Aufschrift: „Liebe Kunden, wir nehmen nur Zahlung in bar keine Kreditkarten“

In Köln akzeptieren einige Läden keine Kartenzahlung, wie in diesem Restaurant in der Innenstadt.

Was Bargeldfans wenig stört, sorgt bei Kartenzahlern für Unverständnis. Die Besitzerin eines Imbisses in der Kölner Innenstadt begründet den Verzicht auf ein Lesegerät so: „Unser Umsatz ist zu klein, die Gebühren zu hoch.“ Sie will anonym bleiben – obwohl sie mit „cash only“ per se nichts falsch macht. Ein Gesetz, ein Kartenlesegerät im Laden zu installieren, gibt es in Deutschland zumindest noch nicht. Allerdings könnte es bald dazu kommen. Die schwarz-rote Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgehalten, dass neben Bargeld schrittweise mindestens eine digitale Zahlungsoption angeboten werden soll. Die Wahl, ob zur Karte oder zum Bargeld gegriffen wird, soll beim Kunden liegen.

Noch nehmen einige Gastronomen ihren Gästen diese Entscheidung jedoch ab – nicht nur kleine Imbisse und Cafés, sondern auch größere Restaurants, wie der Anfang des Jahres eröffnete vegane Asiate „Adida“ im Eigelstein-Viertel. Warum, darüber gibt es auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ keine Auskunft.

Shirin Shaghaghi steht vor einer Siebträgermaschine.

Shirin Shaghaghi betreibt den Köln-Kiosk in der Brüsseler Straße im Belgischen Viertel. Dort ist beides möglich: bar bezahlen oder mit Karte.

Er finde das nicht mehr zeitgemäß, sagt ein Kunde, der im Köln-Kiosk, ein Mix aus Büdchen und Café im Belgischen Viertel, an der Kasse steht. Die Frage danach, ob sie bar oder Karte präferieren, löst bei den Gästen im Laden von Shirin Shaghaghi eine angeregte Diskussion aus. Die einen finden Bargeld lästig, die anderen fühlen sich von digitalen Zahlungsoptionen überwacht. Im Köln-Kiosk sind beide Optionen möglich. 70 Prozent zahlen laut Shaghaghi mit Karte, insbesondere die Jüngeren. „Die meisten haben gar kein Bargeld mehr dabei.“

Neben den klassischen Kiosk-Artikeln verkauft die Kölnerin Kaffeespezialitäten, Baguettes und frisch zubereitete Mittagessen. Meist fallen Kleinstbeträge an, häufig unter zehn Euro. Die Gebühren für die Transaktionen seien hoch. Trotzdem sagt Shaghaghi: „Man kann es sich kaum noch leisten, nur auf Bargeld zu setzen. Man verliert unheimlich viele Kunden ohne Kartenzahlung. Cash only ist ein Wettbewerbsnachteil.“ Die Nachfrage nach Kartenzahlung sei in den vergangenen Jahren gestiegen.

Kartenzahlung bei 44 Prozent der Einkäufe

Das bestätigt eine Studie des Kölner Forschungs- und Bildungsinstituts EHI über „Zahlungssysteme im Einzelhandel“. Demnach nehmen bargeldlose Einkäufe zu. In mehr als 44 Prozent der Fälle bezahlen die Kundschaft mittlerweile mit Karte – entweder direkt mit einer physischen Karte oder als digitale Variante im Smartphone hinterlegt. „In nur fünf Jahren hat sich der Anteil damit verdoppelt“, schreibt das EHI. Gemessen an der Zahl der Transaktionen war Bargeld 2024 trotzdem die häufigste und damit beliebteste Zahlweise im deutschen Einzelhandel.

Allerdings nimmt die Umsatzsumme bar bezahlter Einkäufe ab. Nur noch ein gutes Drittel (33,8 Prozent) des Einzelhandelsumsatzes von 495 Milliarden Euro wurde 2024 mit Bargeld erzielt. Im Vorjahr waren es mit 35,5 Prozent noch 1,7 Prozentpunkte mehr. Kartenzahlung – Marktführer ist hier die Girocard, gefolgt von internationalen Debitkarten – machten der Studie zufolge 63,5 Prozent des Einzelhandelsumsatzes von 2024 aus. Die restlichen prozentualen Anteile entfielen auf Finanz- und Rechnungskäufe sowie Gutscheine und Gutscheinkarten.

Umsatzanteile der Zahlungsarten im stationären deutschen Einzelhandel 2024

Umsatzanteile der Zahlungsarten im stationären deutschen Einzelhandel 2024: 63,5 Prozent des Einzelhandelsumsatzes fielen im vergangenen Jahr auf Kartenzahlung.

Vor dem Hintergrund der steigenden Nachfrage verstehe Shirin Shaghaghi nicht, warum sich einige Ladenbesitzer gegen die Einführung von Kartenzahlung wehren. „Außer, dass das Geld nicht so einfach aus der Kasse genommen werden kann, um es diplomatisch auszudrücken“, sagt sie. Was sie damit meint: Hartnäckig hält sich der Verdacht, dass Betriebe, die auf reine Barzahlung bestehen, an der Steuer vorbei wirtschaften. Entschieden wehrt sich der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) gegen diese Annahme. „Wir haben immer etwas dagegen, wenn man eine gesamte Branche und Branchenteile in Verruf nimmt, und kriminelle Energie unterstellt. Es stimmt nicht, dass bei bargeldlosem Zahlverkehr kein Schmu betrieben werden kann“, sagt Mathias Johnen von der Geschäftsstelle Köln.

Auch von der Pressestelle der Oberfinanzdirektion NRW heißt es: „Allein der Umstand, dass ein Betrieb Barzahlung verlangt, führt nicht automatisch dazu, dass man von einer Steuerhinterziehung in solchen Fällen ausgehen muss.“ Johnen sagt, es sei eine unternehmerische Entscheidung, für welche Zahlweise man sich entscheide. „Da mischen wir uns nicht ein.“

David Oldenburg, Besitzer des Krua Thai in der Kölner Innenstadt, steht in seinem Laden.

David Oldenburg ist Besitzer des Krua Thai in der Kölner Innenstadt. Er sagt: „Als Gastronom kann man es sich nicht mehr leisten, keine Kartenzahlung anzubieten.“

Häufig wird mit den hohen Gebühren für Kartenzahlsysteme argumentiert. Bargeld hingegen gilt unter einigen Gastronomen und anderen Einzelhändlern als weniger aufwendig und kostenfrei. Ob das stimmt, ist aber mehr als umstritten. 

David Oldenburg vom Krua Thai an der Brüsseler Straße etwa koste jede Transaktion mit der Karte zwei Prozent des Umsatzes. „Aktuell gibt es aber Angebote am Markt, die deutlich unter einem Prozent herauskommen.“ Er sagt: „Anhand der Kosten, die für den Händler bei der Kartenzahlung anfallen, kann man kaum noch rechtfertigen, nur Bargeldzahlung anzubieten. Man müsste das mal gegenrechnen mit den Personalkosten und der Arbeitszeit, die draufgehen, fürs Geld zählen, in den Safe legen, zur Bank fahren, am Schalter anstehen und den Gebühren, die fürs Geld wechseln anfallen.“ 

Barzahlung kostet den Händler im Schnitt 24 Cent

Genau das hat die Deutsche Bundesbank getan und in einer Studie die Kosten von Bargeldzahlungen im Einzelhandel unter die Lupe genommen. Demnach belaufen sich diese für jede einzelne Bargeld-Transaktion im Durchschnitt auf etwa 24 Cent. Dabei entfallen zwölf Cent auf den Kassiervorgang selbst, acht Cent auf die nachgelagerte Kassenabrechnung und weitere vier Cent auf die Bargeldentsorgung und Wechselgeldbeschaffung. Nicht berücksichtigt wird bei dieser Berechnung die Zeit, die verstreicht, bis die Einnahmen auf dem Händlerkonto verbucht wurden.

Ebenfalls unbeachtet ist die Tatsache, dass es dazu kommt, dass Kassiererinnen oder Kassierer sich verzählen, was bei Kartenzahlungen ausgeschlossen ist. Im Tagesgeschäft können Barzahlungen zu Fehlbeträgen im Bargeldbestand führen – verursacht durch ein fehlerhaftes Bestücken der Kasse oder falsche Ausgabe von Rückgeld. Bereits einer dieser Fehler sorgt dafür, dass die Kassenübergabe bei Schichtwechsel zeitaufwändiger wird und der abendliche Kassenabschluss nicht stimmt. Unbeabsichtigt könnte es auch zur Annahme von Falschgeld kommen. Im Einzelhandel kommt es dadurch, laut Bundesbankstudie, jährlich zu Bargelddefiziten in Höhe von 17 Millionen Euro.

Barkassen sind ein Sicherheitsrisiko: Beim Vorhalten von Bargeld besteht die Gefahr eines Raubüberfalls, sowohl innerhalb des Geschäfts als auch auf dem Weg zur Bank. Risikovermindernde Sicherheitsvorkehrungen sind wiederum mit Kosten verbunden. Zusätzlich fallen Gebühren für die Bargeldeinzahlung bei der Bank oder in sogenannten Cash-Centern an oder für das Beschaffen von Wechselgeld. Für diesen Service berechnen Banken oftmals eine Gebühr von bis zu drei Prozent des Einzahl- bzw. Wechselbetrages zuzüglich einer Grundgebühr. Ferner entstehen Kosten für das dauerhafte Bereitstellen von ausreichend Wechselgeld in der Kasse, die sich üblicherweise in Münzrollenpreisen niederschlagen.

Bargeld deswegen gänzlich abzuschaffen oder es gar zu verbieten, sei für den Kölner Gastronomen David Oldenburg trotzdem keine Lösung: „Es muss mehrere Optionen geben.“ Neben Bargeld und klassischer Kartenzahlung denkt der Besitzer des Krua Thais noch einen Schritt weiter. Er spricht sich für elektronische Zahlungsmöglichkeiten aus, die – wie das Bargeld – Anonymität wahren.“ Er habe sich deshalb dem Projekt GNU Taler angeschlossen, eine Alternative zu „marktbeherrschenden Anbietern wie Paypal“, die sich auch gegen „intransparente Datenschutzbedingungen“ wehrt.

Bar, mit Giro- oder Kreditkarte, Paypal oder doch anonym – momentan gilt meist: Jedem seine Lieblingszahlweise, manchmal aber tatsächlich auch nur bar. Die Zahlen zeigen aber auch: Deutschland ist auf dem Weg dahin, mit den Zahlungsmöglichkeiten im Ausland mitzuhalten.