Sparkurs rächt sichBahnunternehmen in NRW kämpfen weiter mit Personalmangel

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Fahrgäste steigen im Hauptbahnhof aus einer S-Bahn.

Köln: Fahrgäste steigen im Hauptbahnhof aus einer S-Bahn.

Die Branche versucht derzeit vieles, um mehr Menschen für einen Job in der Lok zu begeistern, trotzdem geht es nur langsam voran.

Wegen fehlender Lokführer und Stellwerksmitarbeiter fallen im Bahnverkehr in Nordrhein-Westfalen wieder vermehrt Züge aus. „Die Personalsituation ist - vorsichtig formuliert - angespannt“, sagt Volker Wente, Landesgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen NRW. Zwar versuchen die Bahnunternehmen seit Jahren, mehr Menschen für den Job als Lokführer zu gewinnen. Doch die Herausforderung ist enorm: Mehr als ein Drittel aller Lokführer gehe in den nächsten Jahren in den Ruhestand, mahnt Fokus Bahn NRW, eine gemeinsame Initiative von Politik und Bahnbranche.

Der Personalmangel hat zeitweise zur Einstellung des Betriebes ganzer Linien geführt.
Sprecherin Verkehrsverbund Rhein-Ruhr

S1, S3, S5, S6, S8, RE9, RE19, RE49... - gut ein Dutzend Linien in Nordrhein-Westfalen war in den vergangenen Tagen von personalbedingten Zugausfällen betroffen. „Aufgrund eines erhöhten Krankenstandes“ war auf den Bahnhofstafeln als Begründung zu lesen, wenn ein Zug nicht kam. Wegen der ohnehin angespannten Personallage und der beginnenden Urlaubszeit wurde für einige Bahnunternehmen jede Krankmeldung zum Problem. Auf einigen Linien waren es nur einige Verbindungen, die wegfielen - auf kleineren Strecken etwa im Ruhrgebiet fuhr an manchen Tagen kaum kein Zug. Fahrgäste mussten Umwege fahren oder langsamere S-Bahnen nehmen.

„Der Personalmangel hat zeitweise zur Einstellung des Betriebes ganzer Linien geführt“, bestätigt eine Sprecherin des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR). Es werde aber immer versucht, möglichst schnell wieder einen zwar ausgedünnten, aber doch regelmäßigen Fahrplan anzubieten.

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Mangel am gravierendsten bei Lokführern und Stellwerken

Am größten ist das Personalproblem bei den Lokführern. In einigen Stellwerken ist die Personaldecke aber ebenfalls dünn. So meldete die Eurobahn Zugausfälle durch ein „unterbesetztes Stellwerk“ am Düsseldorfer Hauptbahnhof. In Rahden im äußersten Norden Nordrhein-Westfalens zwischen Bielefeld und Bremen sei ein Stellwerk der Deutschen Bahn mindestens bis Ende Juni so schlecht besetzt, dass die Züge der Linie RB71 durch Busse ersetzt werden müssen.

„Wir bei der DB tun alles, um die Auswirkungen auf unsere Kund:innen so gering wie möglich zu halten“, teilt die Deutsche Bahn mit. „Dort, wo Zugverbindungen ausfallen müssen, gibt es in aller Regel parallel laufende Linien und alternative ÖPNV-Angebote“, sagt eine Sprecherin. Die Personalsuche laufe auf Hochtouren. „In NRW hat DB Regio allein im 1. Quartal 2023 100 neue Triebfahrzeugführer:innen auf den Zug gebracht.“

Sparzwang rächt sich: Quereinsteiger-Initiative soll helfen

Ein großes Problem sei, dass die Bahnunternehmen auf der einen Seite unbedingt neue Mitarbeiter brauchen - auf der anderen Seite aber gezwungen seien, ihre Personalkosten so niedrig wie möglich zu halten, sagt Verbandsgeschäftsführer Wente. Im Regionalverkehr stünden die Unternehmen ständig in einem Konkurrenzkampf, wer von den Verkehrsverbünden den Auftrag bekomme, die Züge auf einer Strecke zu betreiben. „Das einzige, womit ein Unternehmen da punkten kann, sind niedrige Personalkosten. Wer nicht knapp kalkuliert, ist weg vom Fenster“, kritisiert Wente. Dieser Sparzwang räche sich nun.

Seit drei Jahren sind Politik und Bahnunternehmen in der Initiative Fokus Bahn NRW zusammengeschlossen, um die Kräfte bei der Personalsuche zu bündeln. Vor allem Quereinsteiger hat die Initiative im Blick: Nur zwölf Monate dauert eine Umschulung zum Lokführer. Deshalb könne der akute Personalbedarf mit Quereinsteigern schneller gedeckt werden als mit jungen Azubis, deren Ausbildung drei Jahre dauere, sagt eine Sprecherin der Initiative.

Initiative hat Migranten und Frauen im Blick

Etwa 850 Quereinsteiger habe die Initiative bislang für den Beruf gewinnen können. Zuletzt wurden etwa neu zugewanderte Migranten gezielt umworben - 130 Menschen hätten das Integrationsprogramm, in dem es parallel zur Lokführerausbildung unter anderem Sprachkurse gibt, erfolgreich durchlaufen.

Und noch eine Personengruppe nimmt die Initiative in den Fokus: Frauen. Denn bislang seien nur vier Prozent aller Lokführer weiblich. Unter den Interessenten für eine Umschulung seien es inzwischen immerhin elf Prozent.

Ob Reisende auch in den nächsten Tagen gehäuft mit Zugausfällen wegen fehlender Lokführer rechnen müssen, ist für die Bahnunternehmen schwer vorherzusehen. Die Bahn-Sprecherin verspricht: „Wir versuchen, kurzfristig Ersatz für erkrankte Mitarbeitende zu finden.“ (dpa)

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