Cyberattacken, Sprengstoffpläne, Drohnenspionage: Auch NRW ist im Visier mutmaßlich russischer Sabotageakte. Sind kritische Einrichtungen im bevölkerungsreichsten Bundesland ausreichend geschützt?
Agenten„Schlachtfeld NRW“ - Moskaus hybrider Krieg löst Sorgen aus

Im hybriden Krieg Russlands gegen den Westen gelten kritische Bereiche wie Energieversorgung, Bahnstrecken oder Krankenhäuser als Angriffsziele.
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Paketbomben, GPS-Tracker, Hacker-Angriffe - es sind Szenen wie aus einem Krimi, doch sie sind Realität. Die russischen Spionage- und Sabotageaktivitäten haben die Parteien im nordrhein-westfälischen Landtag alarmiert. Abgeordnete mehrerer Parteien - auch der schwarz-grünen Regierungskoalition - fordern einen besseren Schutz kritischer Einrichtungen. Dazu gehören Kraftwerke, Bahnstrecken, Rechenzentren oder Krankenhäuser.
„Russland führt längst einen Krieg gegen uns“, sagte die Grünen-Abgeordnete Julia Höller in einer Aktuellen Stunde. Der Krieg werde mit Desinformation, Cyberattacken, wirtschaftlicher Erpressung und billig angeworbenen „Taschengeldagenten“ geführt.
Zentrale Schwachstelle sei der Schutz der kritischen Infrastruktur, sagte Höller. Ihr Schutz liege in der Verantwortung der Unternehmen - mit sehr unterschiedlichem Sicherheitsniveau. „Das ist fahrlässig. Und das muss sich ändern“, sagte Höller.
Sie verwies auf das noch von der früheren Ampel-Regierung geplante Dachgesetz für einen besseren Schutz kritischer Infrastruktur. Dies werde jetzt dringend gebraucht, um klare gesetzliche Zuständigkeiten und verbindliche Mindeststandards für Sicherheit festzuschreiben.
Schlachtfeld ist nicht mehr nur virtuell
Nach Ansicht der oppositionellen FDP ist NRW nicht ausreichend vorbereitet auf die Bedrohung durch hybride Kriegsführung. „NRW ist nicht Beobachter, sondern Brennpunkt“, sagte der FDP-Abgeordnete Marc Lürbke. „Das Schlachtfeld ist längst nicht mehr virtuell - es reicht bis an Rhein und Ruhr.“ Lürbke bemängelte eine mangelnde Kontrolle von Schutzstandards bei kritischen Unternehmen.
Dem widersprach NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Es sei „blauäugig“ zu glauben, ein Bundesland könne die kritische Infrastruktur alleine schützen. „Wir brauchen da eine entsprechende gesetzliche Grundlage bundesweit.“ Im Übrigen handele die Landesregierung bereits, indem sie seit Jahren kritische Infrastrukturbetriebe berate und unterstütze. Im Innenministerium gebe es dafür eine „Koordinierungsstelle Kritis“. Diese habe ein Lagebild zur Versorgungssituation der kritischen Infrastruktur, das alle zwei Wochen aktualisiert werde.

Die Festnahme von drei mutmaßlichen Agenten ist nach Ansicht von Sicherheitsexperten nur die Spitze eines Eisbergs von zunehmender russischer Spionage- und Sabotageaktivität. (Foto-Achiv)
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Methoden wie aus dem Lehrbuch des KGB
Der CDU-Abgeordnete Gregor Golland sieht gleichwohl Nachholbedarf beim gesellschaftlichen Bewusstsein für die Bedrohungen durch Spionage, Sabotage, Propaganda und Zersetzung. „Leider sind wir eben nicht nur von Freunden umgeben.“ Die Methoden Russlands seien wie aus dem Lehrbuch des alten KGB aus der Zeit des Kalten Krieges, so Golland. „Es geht darum, Angst und Verunsicherung zu schüren, die Entschlossenheit des Westens als Ganzes zu unterminieren, aber auch Zweifel an der eigenen, persönlichen Haltung der Menschen wie Gift in die Gesellschaft einzuträufeln.“
Anlass für die Debatte waren die mutmaßlichen russischen Sabotagepläne mit Brand- und Sprengsätzen in Paketen. Kürzlich waren drei Ukrainer in Köln, Konstanz und der Schweiz festgenommen worden. Die Männer sollen sich gegenüber mehreren mutmaßlich von Russland beauftragten Personen bereiterklärt haben, Brand- und Sprengstoffanschläge auf den Gütertransport in Deutschland zu begehen.
„Wir sind ein herausragendes Ziel“
„Wir sind nicht irgendein Staat auf der Liste der russischen Regierung, sondern ein wichtiger“, sagte Innenminister Reul. „Wir sind herausragendes Ziel.“ Das hätten die Festnahmen gezeigt. Die Lage habe sich verschärft. Während es 2022 nur drei Straftaten im Spionage- und Sabotagebereich gegeben habe, seien es 2024 bereits elf Taten gewesen.

Mutmaßlich russische Sabotagepläne mit Brand- und Sprengsätzen in Paketen haben Sorge um den Schutz kritischer Infrastruktur ausgelöst (Foto-Archiv).
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Nach Ansicht der SPD-Opposition hat die Landesregierung keine Strategie mit Blick auf Sabotage, Spionage oder Cyberangriffe. Es sei ein „Gesamtkonzept“ notwendig, um Gegnern wie Russland etwas entgegenzusetzen, sagte die SPD-Politikerin Christina Kampmann. Unterlassen gefährde die öffentliche Sicherheit im Land. Alles andere wäre naiv. Reul reagierte darauf genervt. „Ich kann das nicht mehr hören von Gesamtkonzept. Wir entscheiden uns nicht für Konzepte und Theorien, sondern für konkretes Handeln und Hilfen.“
AfD spricht von verfehlter Russland-Politik
Der AfD-Abgeordnete Markus Wagner nutzte die Debatte für einen Rundumschlag gegen die nach Meinung der AfD verfehlte Russland-Politik Deutschlands mit Waffenlieferungen an die Ukraine und Sanktionen gegen Moskau, die letztlich die deutsche Wirtschaft in die Knie zwängen.
Die SPD-Abgeordnete Kampmann sagte in Richtung AfD, der Feind sitze nicht nur im Kreml. Diejenigen, die sich als Sprachrohr des russischen Präsidenten instrumentalisieren ließen, säßen auch ganz weit rechts außen im NRW-Landtag. „Eine Partei, deren Akteure immer wieder Gelder direkt aus dem Kreml beziehen und die sich damit immer wieder vor den Karren anderer Regierungen spannen lässt und damit zur Destabilisierung unserer Demokratie beiträgt.“ (dpa)