Ratgeber fürs Feiern„Keine Angst vor Peinlichkeiten“

Die Party-Experten Nina Heymann und Sebastian Leber.
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Frau Heymann, Herr Leber, sie haben gemeinsam einen Feier-Knigge geschrieben. Warum brauchen wir den?
Sebastian Leber: Uns hat total gewundert, dass es den nicht schon längst gab. Es gibt für alles Mögliche Ratgeber - nur für diesen zentralen Bereich im Leben von Menschen in einem bestimmten Lebensabschnitt gibt es keinen. Obwohl man doch gerade hier Leute kennenlernt und Abenteuer erlebt. Es gibt zwar gefühlte Meinungen darüber, was man besser nicht machen oder nicht anziehen sollte, aber es kam noch niemand auf die Idee, mal die Leute zu befragen, die sich wirklich damit auskennen.
Und das sind Sie?
Leber: Nein! (lacht) Wir haben ja nicht nach Lust und Laune aufgeschrieben, was wir für cool halten oder nicht, sondern wir haben Leute befragt, die sich damit auskennen. Also Türsteher, Barbetreiber, DJs, Stylisten oder Klofrauen.
Aber ist denn eine Party nicht eigentlich per se eine regelfreie Zone, in der jeder macht, was er will?
Nana Heymann: Es stimmt schon, dass keine unumstößlichen Regeln gelten. Aber es gibt halt gewisse Codes. Und es ist ganz hilfreich, die zu kennen, um nicht in Fettnäpfchen zu treten. Nehmen wir die betrunkenen Erasmus-Studenten in der Schlange vor dem Club Berghain. Die wundern sich, warum sie nicht reingelassen werden. Denen musste man mal was an die Hand geben. Ihnen helfen, um letztlich die Qualität ihrer Abende zu verbessern und die Frustration zu senken.
Leber: Ich glaube auch, es ist ein Denkfehler, dass irgendwelche Zonen regelfrei wären. Selbst die Subkulturen, die sich für total regelfrei halten, haben bestimmte Codes. Schon bei den Punks Anfang der 1980er Jahre kam es darauf an, dass man sich die Sicherheitsnadel im richtigen Winkel durch die Oberlippe sticht. Man denkt, es sei Anarchie, aber tatsächlich gibt es immer Regeln und immer Leute, die darüber entscheiden, was ankommt und was nicht.
In Ihrem Buch entscheiden Sie, was ankommt und was nicht. Was prädestiniert Sie dazu?
Heymann: Wir leben in Berlin und das hat zwangsläufig zur Folge, dass man oft in die Verlegenheit kommt, auszugehen. Außerdem haben wir beim Tagesspiegel lange Zeit eine gemeinsame Kolumne geschrieben: "Der Partygänger". Und da sind wir oft auf die verschiedensten Fragen gestoßen. Hinzu kommt, dass wir selber über mittlerweile fast 20 Jahre Ausgeh-Erfahrung verfügen. So konnten wir auch Fragen in das Buch einbringen, die uns selbst umtreiben - Traumata-Verarbeitung eben.
Welche Traumata gilt es denn für Sie zu verarbeiten?
Heymann: Wir behandeln zum Beispiel in einem Kapitel die Frage, was tun, wenn sich die Klotür auf einer Privatparty nicht abschließen lässt. Ich muss leider gestehen, dass ich diejenige war, die die Türklinke in der ungünstigen Hockstellung über der Schüssel vor die Stirn bekommen hat.
Leber: Bei mir ist es die Frage, ob Männer Tanzen sollten. Da führen wir drei Kategorien auf. Den Überambitionierten, den emotionslosen Hin-und-her-Treter und den Ironie-Hampel. In Letzteren muss ich mich wohl einordnen.
Neben der eigenen Erfahrung, die in Ihrem Buch steckt und den Expertentipps, zitieren Sie auch wissenschaftliche Studien. Wie kommt es dazu?
Heymann: Ja, es gibt tatsächlich viele absurde und verrückte Studien zu dem Thema. So sind wir zum Beispiel auf eine Studie der italienischen Universität Chieti gestoßen, die untersucht hat, in welches Ohr man jemandem am besten flüstert, wenn man eine Zigarette schnorren will. Wer ins rechte Ohr flüstert, hat größere Chancen, eine zu bekommen.
Gelten diese Regeln auch außerhalb Berlins?
Leber: Wir haben versucht unsere Recherchen breit zu streuen. So waren wir natürlich in Berlin und Hamburg unterwegs, weil wir da Lebensmittelpunkte haben. Die witzigste Klofrau haben wir aber zum Beispiel in einer Großraumdisco in Bochum gefunden. Wir hatten auch Kontakte nach Freiburg, nach Frankfurt und nach München.
Heymann: Wir wollten auch nicht nur irgendwelche angesagten Berliner Clubs kontaktieren und die Leute dort interviewen, sondern möglichst umfassend Wissen zusammentragen. Das Buch hat also nicht nur Berlin-Relevanz. Wir haben versucht, eine deutschlandweite Gültigkeit herzustellen.
Halten Sie sich an Ihre eigenen Regeln?
Heymann: Ich will gar nicht leugnen, dass ich selber auch schon mal einen klebrig-süßen Cocktail getrunken habe und mich dadurch in einer Gruppe von vermeintlich coolen Leuten zum Gespött gemacht habe. Aber eigentlich geht es uns ja auch darum, eine gewisse Haltung zu vermitteln.
Die da wäre?
Heymann: Die Codes kennen, aber im Zweifelsfall, und das liegt uns am Herzen, trotzdem einen Caipirinha trinken - auch wenn es uncool ist. Man sollte nicht auf den eigenen Spaß verzichten, um cool zu sein. Denn nichts wäre ja langweiliger als sich an alle Regeln zu halten. Ausgehen lebt ja auch davon, im Exzess und in der Eskalation zu enden.
In Sachen Club: Welche Regel steht für Sie ganz oben auf der Liste?
Heymann: Wichtig ist natürlich erst mal, überhaupt in einen Club reinzukommen. Zu wissen, wie man sich am Türsteher vorbeimogelt. Da sollte man schon gewisse Regeln beachten.
Zum Beispiel?
Heymann: Nie in größeren Gruppen aufschlagen, sich ruhig verhalten und jede Diskussion mit dem Türsteher vermeiden. Und natürlich keinen Alkohol in der Schlange trinken. Denn jeder der schon in der Schlange konsumiert, wird potenziell später im Club weniger Umsatz generieren und somit nicht zu den favorisierten Gästen gehören.
Was ist, wenn's mal peinlich wird?
Heymann: Man darf sich immer danebenbenehmen, solange es jemanden im Raum gibt, der sich noch peinlicher verhält. Keine Scheu haben auf dem Tresen zu tanzen, solange neben dir jemand steht, der sich dabei noch die Sachen vom Leib reißt. Genau das sind ja die Erlebnisse, die eine Nacht zum glorreichen Erlebnis werden lassen.
Leber: So fällt die eigene Peinlichkeit gar nicht so auf. Und relativ gesehen, bist du dann immer noch der Coolere.
Sie als Party-Experten. Haben Sie ein unangefochtenes Getränk?
Heymann: Ich muss gestehen, dass ich hin und wieder mal einen Cosmopolitan trinke. Obwohl der, und das schreiben wir ja auch im Kapitel "Was verrät die Wahl des Cocktails über mich", mit "Sex and the City" konnotiert ist und ich dadurch Gestrigkeit beweise. Aber wie gesagt - im Zweifel die Regel brechen. Außerdem habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, auf der Getränkekarte das auszusuchen, was für mich am Abseitigsten klingt. Vor kurzem habe ich erst einen Sellerie-Daiquiri probiert - sehr empfehlenswert.
Man landet immer wieder auf langweiligen Partys. Was machen Sie, um doch noch Stimmung in die Bude zu kriegen?
Heymann: Wenn Privatpartys eher vor sich hin mäandern, kann man die durch ein paar gekonnte Tricks eskalieren lassen. Unsere Ratschläge im Buch sind da natürlich mal mehr, mal weniger ernst gemeint. Ein gutes Mittel: Einfach mal Gerüchte über anwesende Gäste streuen oder auf dem Buffet alle geschlossenen Colaflaschen schütteln und dann abwarten bis sich jemand ein Getränk eingießen will.
Haben Sie das selbst ausprobiert?
Leber: Na ja, die Mentos-Variante. Die funktioniert aber nur mit Cola light. Cola auf, Mentos rein. Das bewirkt eine unschöne Fontäne. Am besten einen Schritt zurückgehen.
Das Gespräch führte Jenny Filon.
Buchtipp:
Nana Heymann, Sebastian Leber: "Nachts sind alle Katzen blau", Goldmann, 8,99 Euro, 315 Seiten