Sportkleidung im WinterKunstfaser statt Baumwolle beim Sport

Die richtige Sportkleidung im Herbst muss oft atmungsaktiv und regendicht zugleich sein.
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Professor Walther, es gibt eine Menge teurer Jogging-Klamotten. Was davon ist aus medizinischer Sicht notwendig?
Markus Walther Notwendig ist sicher nichts. Aber es ist zum Beispiel nicht empfehlenswert, in einem Baumwoll-T-Shirt zu laufen, weil sich das mit Schweiß vollsaugt und Feuchtigkeit nur langsam an die Umgebung abgibt. Es liegt dann wie ein nasser kalter Schwamm auf der Haut auf, die Muskulatur kühlt aus. Das kann Verspannungen verursachen.
Das Heil liegt also in 100 Prozent Polyester?
Walther Es gibt verschiedene Fasern, die in Lauf-Bekleidung verwendet werden. Letztlich sind es allesamt Kunstfasern: Sie bilden netzartige Gewebe, die den Schweiß gut transportieren und selbst kaum Flüssigkeit aufnehmen. Dadurch erreicht man, dass der Stoff sich nicht vollsaugt. Der Schweiß verdunstet schnell, so dass ein Kühleffekt vorhanden ist.
Nun gibt es zwischen den Kunstfaser-Hemdchen extreme Preisunterschiede. Muss es wirklich das Shirt inklusive Turbokühler und strategischer Belüftung sein?
Walther Nicht unbedingt. Ob es sich um hochwertige Laufkleidung oder um ein eher günstiges Produkt handelt, sieht man unter anderem daran, ob unterschiedliche Gewebe verwendet werden. Bei den besseren Shirts hat man etwa im Nacken etwas dickeres Material, um diesen vor Auskühlung zu schützen. Das ist praktisch, weil man dort nicht stark schwitzt und es beugt Verspannungen vor. An der Wirbelsäule dagegen, wo man stärker schwitzt, verwendet man bei hochwertiger Laufkleidung dünneres Material. An der Frontseite wird wieder dichteres Gewebe verwendet, damit der Sportler gegen Wind geschützt ist.
Haben Sie getestet, ob die teure Kleidung wirklich das hält, was sie verspricht?
Walther Bei der Laufkleidung schauen wir uns mit Wärmekameras an, welchen Einfluss die Gewebestärke auf die Wärmeabgabe des Körpers hat. Wir können so recht einfach sehen, welche Neuentwicklungen funktionieren. Diejenigen, die ich gesehen habe, haben tatsächlich funktioniert.
Was ist von Laufkleidung mit Aluminium-Bestandteilen zu halten?
Walther Aluminiumpads oder eingewobene Aluminiumfasern verwendet man, um bei Hitze einen besseren Kühlungseffekt zu haben. Die Kleidung fühlt sich kalt an, wenn man sie anzieht, aber der Effekt bei intensivem Sport ist doch eher gering. Es gibt aber aus medizinischer Sicht keine Bedenken gegen diesen Kühleffekt.
Wirklich? Von Aluminium im Deo wird ja beispielsweise abgeraten…
Walther Im Deo sind Alu-Nanopartikel vorhanden – das ist etwas ganz anderes als Alufäden, die im Gewebe bleiben und nicht vom Körper aufgenommen werden.
Jetzt stehen kältere Tage an. Was trägt man dann am besten?
Walther Dann trägt man am besten Oberbekleidung aus semipermeablen, also halbdurchlässigen Membranen. Die sind so aufgebaut, dass winzige Wasserdampfmoleküle, die beim Schwitzen entstehen, austreten können. Regentropfen dagegen, die um ein Vielfaches größer sind, kommen von außen nicht rein.
Sind semipermeable Materialien auch sinnvoll, wenn es nicht regnet?
Walther Ja, weil sie winddicht sind, man aber gleichzeitig viel weniger schwitzt als unter einer normalen Kunststoffmembran. Man kühlt weniger aus. Die Grenze des Systems ist der Luftfeuchtigkeits-Unterschied: Wenn Sie im Regenwald unterwegs sind, wo die Luft mit Wasser gesättigt ist, gibt es ihn nicht, es kann kaum Feuchtigkeit austreten. Optimal funktioniert die Membran in den Bergen, wo die Luft sehr trocken ist.
Was zieht man am besten unter die semipermeable Membran?
Walther Es kommt darauf an, bei welchem Klima man läuft. Wenn es kalt ist, sollte man Materialien anziehen, die mehr Luft im Gewebe einschließen.
Also etwa Wolle?
Walther Der große Vorteil der Wolle ist, dass sie aus sehr kleinen Fasern besteht – sie schließt viel Luft ein und isoliert deshalb sehr gut. Vor allem für Unterwäsche, die man in kalter Umgebung trägt, ist das von Vorteil. Leider vertragen aber nicht alle natürliche Wolle direkt auf der Haut. Außerdem nimmt Wolle mehr Flüssigkeit auf als Kunststoffgewebe. Sie wird schwerer und man friert schneller. Eine gute Kombination bei Kälte könnte zum Beispiel sein: Ein Shirt aus Merino-Wolle, kombiniert mit einer leichten Jacke aus einer semipermeablen Membran. Wenn ich allerdings stark schwitze und es nicht drauf ankommt, den Körper warm zu halten, dann bevorzuge ich eine Kunststofffaser.
Sollte auch Unterwäsche aus Kunstfaser bestehen?
Walther Bei einer langen Strecke hat das Vorteile, weil Kunstfaser schnell trocknet. Wenn ich an Radtouren denke, wo man beim Rauffahren schwitzt und beim Runterfahren auskühlt, sind Kunstfasern am ganzen Körper sinnvoll. Eine Baumwoll-Unterhose wird den ganzen Tag nicht mehr trocken. Bei Sportkleidung ist ohnehin oft Kunstfaser-Unterwäsche eingearbeitet. Darunter muss man keine Unterhose anziehen.
Sollte Laufkleidung eher eng anliegen oder darf sie weiter geschnitten sein?
Walther Sie sollte nicht beim Atmen hindern, aber möglichst eng anliegen. Hat man ein großes Shirt, hebt es sich beim Laufen ab, erzeugt einen kalten Luftstoß und stört eventuell sogar die Bewegung.
Läuft oder fährt man sich eher einen Wolf mit Kunststoff-Geweben oder Naturfasern?
Walther Den Wolf läuft man sich, wenn entweder die Oberschenkel aneinander oder Textilien gegen den Oberschenkel reiben. Entsprechende Wunden kann es auch an der Achsel geben. Mit eng anliegender Kleidung wird das nicht passieren. Das ist der Grund, warum viele Langstreckler Tights anziehen.
Wie beugt man wunden Brustwarzen vor?
Walther Man kann sie mit Pflaster abkleben, damit die Kleidung nicht scheuert. Durch eng anliegende Kleidung kann man das Problem aber ohnehin begrenzen.