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WeinkolumneVerrückt nach Riesling

Lesezeit 3 Minuten

Auf der Hong Kong Wine & Spirits Fair im November 2012

Köln – Kaum eine Woche vergeht, in der nicht in den Medien über Chinas neue Liebe gesprochen wird: Wein. Gespickt sind diese Berichte mit Mythen und Klischees. Angefangen bei den Superreichen, die teuerste Bordeauxweine angeblich gleich containerweise horten, und endend bei der von uns unterstellten Kulturbanauserei, dem Genuss der Rotwein-Cola-Schorle. Das mag es geben, doch zeigt dieses Bild nur einen kleinen Teil der Realität.

In der Tat ist der chinesische Weinmarkt im Boom. Zwar liegt der Pro-Kopf-Verbrauch nur bei 1,2 Liter pro Jahr – die Deutschen trinken fast 20-mal so viel. Doch multipliziert mit der Bevölkerungszahl lassen einen die Daten schwindlig werden. Es gibt allein 119 Städte in China mit mehr als einer Million Einwohnern, und es ist die neue Mittelschicht in den Megametropolen wie Hongkong, Peking und Guangzhou, die Wein in ihren Lebensstil integriert hat. Gründe dafür sind die gesundheitsfördernde Wirkung, die dem Rebensaft nachgesagt wird, und das Image: Wein wird mit westlichem Lifestyle verbunden, und der gilt als modern und mondän.

Damit Sie nachschmecken können, was chinesische Gaumen fasziniert, möchte ich Ihnen diese beiden Weine empfehlen.Einen gereiften Riesling, wie ihn Jeannie Cho Lee schätzt:

1990 Niersteiner Oelberg Riesling Spätlese, Weingut Rappenhof, Rheinhessen, 16 Euro bei: www.weingut-rappenhof.com

Sowie einen leichten, fruchtigen Riesling Kabinett von der Mosel, den Fongyee Walker als „Alleskönner“ zur chinesischen Küche beschreibt, mit der erwähnten ausgezeichneten Balance aus Süße und Säure:

2011 Riesling Gutswein Weingut St. Urbanshof, Mosel 8,90 Euro bei: www.koelner-weinkeller.de

Zwar wird der größte Teil des chinesischen Weinbedarfes mit der Produktion im Land gedeckt. Allerdings aus einer eigenen Rebenspezies, die sich aufgrund der isolierten Lage dort entwickelte und die wenig mit den uns bekannten Edelreben zu tun hat. Europäische Weinstöcke wie etwa Cabernet Sauvignon gibt es nur wenige. Diese wurden schon während der späten Qing-Dynastie im 19. Jahrhundert von findigen Geschäftsleuten importiert und gedeihen vor allem in der Küstenregion Shandong, die ein ähnliches Klima wie Bordeaux aufweist. Auch deshalb gibt es hier mehrere Joint Ventures zwischen staatlichen Investmentfirmen und Weingütern, wie etwa das berühmte Château Lafite-Rothschild.

Importierte Weine gelten als sehr gut, sie werden zu besonderen Anlässen serviert oder zu Festtagen wie dem chinesischen Neujahr verschenkt.

Hauptakteure auf dem chinesischen Importmarkt sind Frankreich mit seinen prestigeträchtigen Namen und das der Volksrepublik geografisch nahe Australien. Beide auch deshalb, weil ihre kräftigen Rotweine den Geschmack der großen Allgemeinheit treffen. Aber auch deutscher Wein wird immer populärer, vor allem bei der ständig wachsenden Zahl der Weinkenner. Riesling besonders, aber auch vermehrt Spätburgunder, der in Hochglanzmagazinen als perfekter Begleiter zur Peking-Ente empfohlen wird.

Um Erfolg auf dem chinesischen Markt zu haben, gibt es für deutsche Produzenten einige Hürden zu meistern. Eine davon ist die für Nichtdeutsche und für Asiaten besonders schwierige Aussprache deutscher Lagennamen. „Bacharacher Hahn“ und „Piesporter Goldtröpfchen“ werden schnell zum Zungenbrecher und können traditionell bedingt zum Gesichtsverlust des Bestellers führen. Auch müssen die Weinbeschreibungen chinesischen Genießern angepasst werden. Denn hier spricht der Kenner nicht vom Aroma von Zigarrenkiste oder von roten Johannisbeeren, sondern schwärmt schon mal vom Duft fermentierten Tofus, chinesischer Kräutermedizin und Yunnan-Schinken. Zwei Wein-Expertinnen erklären unten die chinesische Sicht auf deutschen Wein.