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Guide MichelinMehr als schlechtes Timing – vielmehr „eine peinliche Nummer“

Lesezeit 6 Minuten
30.04.2024
Köln:
Portrait von Yuriy Apelyushynskyy im Restaurant Ox & Klee. Wegen des Personalmangels ist der Geschäftsführer wieder selbst im Service tätig.
Foto: Martina Goyert

Kölns einziges Zwei-Sterne-Restaurant derzeit ist das Ox & Klee mit Geschäftsführer Yuriy Apelyushynskyy.

Kölns Restaurantszene funkelt weniger hell als im Vorjahr. Dennoch gibt es Lichtblicke. Eine Einschätzung unseres Restaurantkritikers.

Das Bitterste zuerst: Düsseldorf hat jetzt genau so viele Sternerestaurants wie Köln, nämlich neun. Wobei Köln aktuell einen Zwei-Sterner aufweist und die rheinische Konkurrenz keinen. Ein schwacher Trost nach einer Michelin-Präsentation, die für NRW insgesamt ernüchternd ausging. 

Die Zahl der Sternerestaurants in Nordrhein-Westfalen schmolz von 52 auf 46, im Jahr 2023 funkelten gar noch 56 Häuser mit Stern. Und das, obwohl man deutschlandweit nun in so vielen Sternerestaurants essen kann, wie nie zuvor, nämlich in 341. Mehrere NRW-Sterne - wie die für Astrein (Köln) und Bembergs Häuschen (Euskirchen) - sind durch Schließungen verloren gegangen, einige andere Gastronomen wurden aber auch schlicht nicht mehr ausgezeichnet.

Diesmal hat es eines der beliebtesten Kölner Spitzenrestaurants erwischt, das herrlich unkomplizierte und nahbare „MaiBeck“. Für mich war es das untypischste aller Kölner Sternerestaurants, es wartet mit einem besonderen Flair auf. „Den Stern zu verlieren, hat uns genau so überrascht wie damals, als wir ihn bekommen haben“ sagt Jan Cornelius Maier, einer der beiden Inhaber. Vor 14 Jahren war das und damals durfte man die Hoffnung haben, dass der Michelin-Restaurantführer sich für lässigere Konzepte öffnet – ein Trugschluss. „Der Verlust wird sich geschäftlich sicher auswirken. Es wird auch die Atmosphäre im Laden verändern, aber vielleicht lässt es auch die ein oder andere Schwelle beiseite“.

Das würde ich den MaiBeckern wünschen, die mit dem Stern nie groß hausieren gingen. „Wir nehmen das als Feedback und Ansporn“, so Maier weiter. Demnächst stellen sie ihr Herbarium vor, es geht um Pflanzen in der Stadt und wie man damit kochen kann. Das „MaiBeck“ ist zu einer Institution in Köln geworden und wird fraglos weiterhin Impulsgeber sein – auch mit seinem wunderbaren, italienischen Schwesterrestaurant „Otto“.

29.03.2024
Köln:
Das Restaurant maiBeck eröffnet ein italienisches Restaurant mit dem Namen „Otto“
Foto: Martina Goyert

Das MaiBeck-Schwesterrestaurant Otto eröffnete vor gut einem Jahr in Köln.

Das „Clostermanns Le Gourmet“ in Niederkassel bekam den Stern ebenfalls aberkannt, obwohl hier sehr der klassischen Vorstellung eines Fine-Dining-Restaurants entsprochen wird. Erhalten blieb er dagegen bei der „Post“ in Odenthal und der „Mühlenhelle“ in Gummersbach – hier honoriert der Michelin zu Recht die qualitative Konstanz.

Schlechtes Timing scheint dagegen beim „NeoBiota“ der Grund für den Verlust des Sterns zu sein. Von den beengten Räumlichkeiten in der Brinkgasse ging es in diesem Jahr ins Pantaleonsviertel – wofür man Geld in die Hand nahm. Der Verlust des Sterns kommt hier zur absoluten Unzeit, auch weil internationale Gäste, die sich für eine hochklassige Gemüse-zentrierte Küche interessieren, gerne den Michelin konsultieren. Als „Schlag in die Magengrube“ beschreibt Erik Scheffler die Aberkennung. Seit Jahren hätte das Restaurant auch einen grünen Stern für Nachhaltigkeit verdient. Eine peinliche Nummer.

26.03.2025 Köln. Das Restaurant Neobiota zieht in neue Räume. Laut Eigendarstellung ist es ein modernes Restaurant für Frühstück und deutsche Küche mit internationalen Akzenten. Erik Scheffler und Sonja Baumann. Foto: Alexander Schwaiger

Erik Scheffler und Sonja Baumann verwöhnen Gäste seit diesem Frühjahr im Pantaleonsviertel mit Gemüse-zentrierter Küche. Den Stern haben die beiden verloren.

Eine Merkwürdigkeit am Rande: schon ab dem 8. April gab es wieder Dinner im „NeoBiota“. Das „La Vie“ in Düsseldorf öffnete erst am 2. Mai offiziell seine Türen – und erhielt in diesem Jahr trotzdem schon einen ersten Stern. Arbeitet der Michelin da mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten? Oder fremdelt er ganz allgemein mit Köln und seinem Umland, aber nicht mit Düsseldorf? Das „La Vie“ ist das neueste Restaurant des ehemaligen Osnabrücker 3-Sterne-Kochs Thomas Bühner und bietet Klassiker aus seinem Schaffen, aber auch neu erdachte Gerichte. Der in diesem Jahr neu mit einem Stern ausgezeichnete „Setzkasten“ ist ausgesprochen ungewöhnlich, denn er befindet sich im Untergeschoss eines Supermarktes. Am Herd steht mit Egor Hopp ein Kasache, der gern die Küche seiner Heimat in klassisches Fine Dining übersetzt.

Bonn behält seine beiden Sternerestaurants

Alles beim Alten bleibt in Bonn: ein Stern für das „Halbedel“ von Altmeister Rainer-Maria Halbedel einen Vorreiter der Küche mit heimischen Zutaten, und einen für Christian Sturm-Willms vom japanisch-französischen „Yunico“, der sich prächtig entwickelt.

In Pulheim wartet derweil das gerade frisch und prachtvoll renovierte Restaurant im „Gut Lärchenhof“ weiterhin auf den zweiten Stern. Diese sträfliche Unterlassung ist schon zum Running Gag geworden – nur leider lacht kaum jemand darüber. Torben Schuster zaubert dort eine moderne französische Spitzenküche mit vielen japanischen Akzenten, stets aus Top-Produkten und ebenso individuell wie kreativ - zur Zeit gibt es dort übrigens ein für die hohe Qualität sehr günstiges Sommer-Menü.

25.04.2025
Pulheim:
Reportage über den Umbau des Restaurant Gut Lärchenhof.
Küchenchef Torben Schuster
Foto: Martina Goyert

Das Gut Lärchenhof wurde prachtvoll renoviert, Küchenchef Torben Schuster und das Team warten dennoch immer noch auf den zweiten Stern.

Dass Koch-Legende Joachim Wissler, der in diesem Jahr sein 25-Jähriges im „Vendôme“ (Grand Hotel Schloss Bensberg) feiert, nicht wieder den dritten verliehen bekommt, ist ebenfalls unverständlich. Ihm ist gelungen, was nur die wenigsten Köche schaffen: sich im hohen Koch-Alter noch einmal neu zu erfinden, mit einem Fokus auf kluge Konzentration bei den Zutaten und großer Leichtigkeit. Unabhängig davon haben die beiden neuen deutschen Drei-Sterner –„Tohru“ in der Schreiberei (München) sowie „Haerlin“ (Hamburg) ihre Auszeichnung absolut verdient.

Nelson Müller mit schlechtem Timing

Schlechtes Timing auch bei Nelson Müller, der seine „Schote“ in Bergisch Gladbach wohl zu spät für die Tester eröffnete. Allerdings strahlt sein Name als Promi-Koch so hell, dass er die Zeit bis zum Stern im kommenden Jahr problemlos überbrücken sollte. Schlechtes Timing ebenfalls beim Kölner „Ox & Klee“ das gerade erst sein weiterentwickeltes Konzept „The Art Of Taste“ vorgestellt hat, mit dem man noch stärker auf den dritten Stern hinarbeitet. Der Restaurantabend soll hier zum vollumfängliches Kunst-Erlebnis werden.

Ein Grundproblem des Michelin ist die fehlende Differenzierung im Ranking. Tatsächlich gibt es unter dem Stern noch die Kategorie „Ausgewählte Restaurants“, die aber niemand wahr- oder gar ernstnimmt. Im Ergebnis erhalten dadurch einige der spannendsten und individuellsten Restaurants der Stadt – „Alfredo“, „Phaedra“, „Ito“, „Ouzeria“, „Caruso Pastabar“, „Otto“, „L’Escalier“, „Essers “– nicht die verdiente Aufmerksamkeit. Zwar gibt es noch die Auszeichnung Bib-Gourmand, die für das beste Preis-Leistungs-Verhältnis steht. Aber auch hier gab es für Köln 2025 keine Neueinträge. Aktuell sind dort nur noch die „Henne Weinbar“, das „Capricorn (i) Aries“ sowie das „Gasthaus Scherz“ gelistet.

Zur Wahrheit der kulinarischen Situation in Köln gehört allerdings auch, dass es in den vergangenen Jahren kaum ambitionierte Neueröffnungen im Fine-Dining-Bereich gab, ganz anders als zum Beispiel in München, wo die Klientel allerdings auch eine andere ist. Trotzdem kann man in Köln aktuell sehr gut essen, allerdings vor allem im Casual-Fine-Dining-Bereich, der im Michelin keinen relevanten Platz hat. Das ist ein Problem für die Gastronomie, die sich aktuell in schwierigem Fahrwasser befindet. Durch den Wegfall des Gault-Millau Deutschland fällt dem Michelin nun verstärkt die Meinungsführerschaft zu. Kritik ist seine Aufgabe, Abwertungen sind Teil davon. Aber um mal Spiderman zu zitieren: „Mit großer Macht kommt große Verantwortung“. Diese scheint mir vor allem im Umgang mit dem Umzug des „NeoBiota“ nicht übernommen worden zu sein.