Symptom des KlimawandelsWelche Folgen hat der warme Winter?

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Ein dünnes Schneeband ist am Zielhang im Skigebiet Brauneck zu sehen.

Wintersport in Zeiten des Klimawandels: Viele Skigebiete in Bayern leiden aktuell unter Schneemangel..

Zum Jahreswechsel herrschte in vielen Teilen Deutschlands T‑Shirt-Wetter. Von einer „Hitzewelle“ im Winter war bereits die Rede. Aber ist der diesjährige Dezember wirklich so ungewöhnlich – und was bedeuten Wärmephasen im Winter für die Natur?

Die letzten Tage des vergangenen Jahres sorgten für Frühlingsstimmung. Leicht bekleidet konnte man in vielen Teilen Deutschlands den Sonnenschein genießen. Auch wenn das zunächst vielleicht angenehm scheint: Rekordtemperaturen im Dezember sind ein Anzeichen des Klimawandels. Ein Meteorologe und eine Umwelt­schützerin erklären, was den aktuellen Winter besonders macht und welche Auswirkungen für die Tier- und Pflanzenwelt drohen.

Betrachtet man nur die Durchschnittstemperatur, war der Dezember recht ausgeglichen. Aber nur, weil sowohl recht niedrige als auch sehr hohe Extreme in die Berechnung mit eingeflossen sind. Gekennzeichnet war der Weihnachtsmonat durch eine „eisige Adventszeit, sehr milde Weihnachten und Rekordtemperaturen zur Jahreswende“, wie es eine Auswertung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zusammenfasst. Die „erst viel zu kalte und dann teils rekordwarme Witterung“ habe im Dezember zu einem Temperaturdurchschnitt von etwa 1,8 Grad Celsius geführt, so der DWD. Der Monat habe damit etwa ein Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990 gelegen und genau im Mittel der aktuellen und wärmeren Vergleichsperiode 1991 bis 2020.

Insgesamt beurteilt der DWD daher den Dezember nur als „etwas zu warm“ bei „ziemlich ausgewogener Niederschlagsmenge und Sonnenscheindauer“. „Wir haben bisher einen normalen bis etwas zu milden Winter“, bestätigt Andreas Friedrich, Meteorologe und Pressesprecher des DWD, auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND). Zwar habe es auch eine Kältewelle gegeben. Die bisherigen kalten Tage seien aber durch die hohen Temperaturen zum Jahresende hin überkompensiert worden.

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Folge des Klimawandels – aber keine „Hitzewelle“

An vielen Orten wurden bei den Temperaturen an Silvester die Rekordwerte gebrochen. In München und in drei weiteren Städten wurden 20 Grad Celsius und mehr gemessen. Auch wenn der DWD die landesweite Durchschnittstemperatur nur monatsweise und nicht pro Tag ermittelt, könne man davon ausgehen, dass es sich wohl um den insgesamt wärmsten Silvestertag in Deutschland seit Beginn der Aufzeichnungen handelt, so Friedrich. Grund für das ungewöhnliche Silvesterwetter sei der Klimawandel.

„Ohne die Erwärmung des Klimas hätte es solche Temperaturen zum Jahreswechsel nicht gegeben“, so Friedrich. Der Begriff einer Hitzewelle, der nun teilweise verwendet wird, sei dabei nicht zutreffend. Experten des DWD verwenden Begriffe wie Hitze oder Hitzewelle nicht relativ zur Jahreszeit – sondern ausschließlich für hochsommerliche Temperaturen. Bei 20 Grad im Winter spreche man einfach von einer „extrem milden Wetterlage“, so Friedrich. Von besonders milden Temperaturen im Winter spreche man ab Temperaturen von etwa zehn Grad und mehr.

Wie der Rest des Winters verlaufen wird, lasse sich noch nicht mit Sicherheit sagen. „Wir können immer nur sieben bis zehn Tage in die Zukunft schauen“, so der Meteorologe. Prognosen, die darüber hinaus gingen, seien weniger genau. „Bis Mitte Januar ist jedenfalls keine Rückkehr zum Dauerfrost zu erwarten“, sagt Friedrich. „Die milde Wetterlage wie vor Weihnachten bleibt im Prinzip bestehen.“ Verursacht werde die Wärme weiterhin durch westliche Luftströmung vom Atlantik her. Dazu sei zuletzt viel Wind gekommen.

Wahrscheinlich ist, dass der Winter im Schnitt ähnlich wie die letzten ausfällt: mit unter dem Strich zu hohen Temperaturen und eher mit Regen als mit Schnee. Und trotz der Schwankungen ohne riesige Abweichungen bei der Durchschnittstemperatur von der jüngeren Statistik.

Tiere erwachen aus Winterschlaf

Vor allem Temperaturschwankungen sind es aber, die sich negativ auf Tiere und zum Teil auch auf Pflanzen auswirken könne, sagt Silvia Teich, Pressesprecherin des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). Und zwar vor allem für die Winterschläfer. Dazu gehören in Deutschland zum Beispiel Igel, Eichhörnchen oder „Schlaf­mäuse“ wie der Siebenschläfer. Igel könne man derzeit herumlaufen sehen, sagt Teich. Denn die warmen Temperaturen lassen die Tiere aus ihrem Winterschaf erwachen. Auch Insekten, die eine Art Winter­ruhe halten, würden dadurch erwachen. „Bienen werden bei acht bis zehn Grad aktiv“, sagt Teich. „Sie können aber auch jetzt schon Nahrung finden. Es blühen zurzeit die Christrosen und Schneeglöckchen und bald auch die Haselnuss.“

Bleibt es bei einer einzelnen Wärmeperiode sei all das daher nicht weiter schlimm. Denn sobald die kalten Temperaturen zurückkehren, können der Winterschlaf oder die Winterruhe fortgesetzt werden. „Gesunde Wildtiere schlafen dann einfach wieder ein“, sagt Teich. Auch die Bienen kehrten dann wieder in ihren Stock zurück.

Ein ständiges Hoch und Runter bei den Temperaturen sei aber bedenklich, wenn dadurch der Winterschlaf mehrfach unterbrochen wird. „Das kostet die Tiere viel Energie, ihre Reserven können dadurch eher aufge­zehrt werden“, so Teich. Bei Pflanzen können Triebe und Knospen die während warmer Wintertage gebildet wurden, durch einen erneuten Kälteeinbruch erfrieren. „Für Wildpflanzen ist das nicht so schlimm, sie treiben in der Regel dann später wieder aus“, sagt Teich. Es könnten aber Ernteeinbußen für Obstbauern drohen.

Zugvögel ändern ihr Verhalten

Neben den unbeständigen Temperaturen sei es außerdem problematisch, dass die Winter insgesamt immer wärmer würden. Dadurch habe sich bereits das Verhalten vieler Zugvögel verändert. Die sogenannten Kurzstreckenzieher, die in mittlerer Entfernung zu Deutschland überwintern, kehrten früher aus dem Süden zurück und fingen dann auch eher an zu brüten. Kommt der Kuckuck, ein sogenannter Langstreckenzieher, aus seinen weiter entfernten Winterquartieren südlich der Sahara zurück, ist es für ihn zu spät, seine Eier in deren Nester zu schummeln. Die Küken der Teichrohrsänger, in deren Nester der Kuckuck seine Eier gern legt, sind dann vielleicht schon geschlüpft. Ein klarer Nachteil für den Kuckuck, der es, wie Teich sagt, „ohnehin schon nicht leicht hat“.

Bei einigen Vögeln mache sich angesichts der milden Temperaturen im Winter auch schon eine regelrechte „Zugfaulheit breit“: Sie verlassen Deutschland im Winter zum Teil überhaupt nicht mehr. „Uns wird von Störchen und Kranichen berichtet, die gar nicht mehr in den Süden ziehen“, so Teich. Welche langfristigen Folgen das für diese Vögel oder andere Tiere im Ökosystem hat, sei noch nicht abzusehen, sagt Teich. „Bei immer stärker steigenden Temperaturen sind in jedem Fall massive Auswirkungen auf die Tierwelt und die Natur zu erwarten, die wir jetzt noch nicht absehen können.“

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