„Hotspot der biologischen Vielfalt“Hier will die NRW-Landesregierung einen zweiten Nationalpark einrichten

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Eine Frau und ein Mann mit Rucksäcken laufen auf einem schmalen Weg durch hohes, gelbes Gras. Im Hintergrund ist ein Aussichtsturm zu sehen.

Wanderer auf dem Weg zum Eggeturm. Der Aussichtsturm steht auf der Preußischen Velmerstot, der höchste Erhebung des Eggegebirges. Das Gebiet ist für einen weiteren Nationalpark in Nordrhein-Westfalen im Gespräch.

Köln-nahe Gebiete wie Wahner Heide und Bergisches Land sind wohl chancenlos, die NRW-Umweltverbände haben einen anderen Favoriten.

Mehr als 11.300 nachgewiesene Tier-, Pilz- und Pflanzenarten, rund eine Million Besuche und Bestnoten für die Naturerlebnis- und Umweltbildungsangebote: Der Nationalpark Eifel hat eine Erfolgsgeschichte vorzuweisen. „Er ist seit nunmehr fast 20 Jahren ein wertvoller Hort der biologischen Vielfalt, Faktor einer nachhaltigen Entwicklung und Vorbild des sanften Natur-Tourismus“, betont der nordrhein-westfälische Umweltminister Oliver Krischer. Seit seiner Gründung am 1. Januar 2004 beweise der Park, dass er ein wichtiger Motor der wirtschaftlichen Regionalentwicklung ist.

Bereits eine Studie aus den Jahren 2014/2015 hat demnach gezeigt, dass der Nationalpark in der Region bei damals 870.000 Besuchen einen Bruttoumsatz von über 30 Millionen Euro bewirkte, was rechnerisch 674 Arbeitsplätzen entsprach.

Zweiter NRW-Park noch in der laufenden Legislaturperiode

„Hieran wollen wir anknüpfen und noch im Sommer den Startschuss für das Beteiligungsverfahren zur Errichtung eines zweiten Nationalparks in Nordrhein-Westfalen geben“, kündigte Minister Krischer an. Das Ziel sei, den zweiten Park noch in der jetzt laufenden Legislaturperiode bis zum Frühjahr 2027 auszuweisen. Dazu solle bald schon „ein offener Prozess“ gestartet werden, in dem sich landesweit Regionen als Nationalpark bewerben können, so der Grünen-Politiker.

Wasser fließt durch einen kleinen Bach und schäumt dabei, rechts ist Gras zu sehen und im Hintergrund stehen Bäume.

Der Wüstebach im Nationalpark Eifel. NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) plant einen zweiten Park.

Laut Bundesnaturschutzgesetz müssen derartige Areale „rechtsverbindlich festgesetzte, einheitlich zu schützende Gebiete“ sein, „die großräumig, weitgehend unzerschnitten und von besonderer Eigenart sind“. Sie sollten sich in einem überwiegenden Teil „in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden“. Oder aber geeignet sein, „sich in einen Zustand zu entwickeln, der einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik gewährleistet“.

Nabu: Reichtum des Landschaftsraumes dauerhaft unter Schutz stellen

Die nordrhein-westfälischen Umweltschutzverbände haben sich bereits entschieden, wer ihrer Meinung nach den Zuschlag bekommen sollte. Der Landschaftsraum Eggegebirge gehöre „mit seiner besonders hohen Dichte an Arten zu den Hotspots der biologischen Vielfalt in Deutschland“, sagte Heide Naderer, Vorsitzende des NABU NRW, auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. In einer Zeit, in der die biologische Vielfalt rasant abnehme, „in der massenhaft Insekten- oder Pflanzenarten aussterben, wäre es grob fahrlässig, in Nordrhein-Westfalen weiterhin darauf zu verzichten, den Reichtum dieses Landschaftsraumes nicht dauerhaft unter Schutz zu stellen“.

Ein Haselhuhn ist im Gras zu sehen: ein kleines Huhn mit vogelartigem Kopf und braun-weiß geflecktem Gefieder.

Das Haselhuhn (Tetrastes bonasia) ist vom Aussterben bedroht. Eine der wenigen bekannten Vorkommen liegt im Eggegebirge.

Ähnlich sieht es Holger Sticht, der NRW-Vorsitzende des „Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland“ (BUND). Zu den zahlreichen Gründen, die für die Egge als Nationalpark sprächen, zähle, dass sich das Gebiet komplett im Eigentum des Landes befinde. „Das heißt, das Land und seine Bürgerinnen und Bürger können über die Zukunft tatsächlich auch befinden und es kommt zu keiner Überplanung von Privatbesitz, wenn die Eigentümer dies nicht wollen“, so Sticht.

Mit etwa 12.000 Hektar habe das Areal auch die erforderliche Mindestgröße und entspräche damit zudem auch den internationalen Kriterien der IUCN (Weltnaturschutzunion). Mehr als die Hälfte des Gebietes sei bereits durch andere Schutzgebietskategorien wie Natur- oder Vogelschutzgebiet gekennzeichnet. „Der überwiegende Flächenanteil befindet sich zudem bereits in einem naturnahen Zustand und mehr als drei Viertel der Fläche kann mittelfristig dahin entwickelt werden“, sagt Sticht.

Waldeulen, Wildkatzen und Schwarzstörche

Was die Egge in Ostwestfalen-Lippe so bedeutsam mache, sei „ihre Vielfalt unterschiedlicher naturnaher Lebensraumtypen“. Die großen und zusammenhängenden Wälder mit fünf unterschiedlichen Buchenwaldtypen beherbergen auch zahlreiche weitere Baumarten wie den Berg-Ahorn, die Esche, die Sandbirke oder die Stieleiche. Es gibt Wasserquellen, Moore und Hangwälder mit groben Felsen, etwa in Gebirgsschluchten oder auf zerwitterten vulkanischen Bergkegeln.

In dem Gebiet ist beispielsweise die gesamte Palette der Waldeulen zu finden, vom Sperlingskauz über die Waldohreule bis hin zum Uhu. Wildkatzen streifen durch den Bereich, Schwarzstörche brüten in den Baumkronen, das Trommeln von Schwarz- und Grauspechten hallt durch den Wald. Seltene Fledermäuse, die Geburtshelferkröte und eines der wenigen aktuell bekannten Vorkommen des Haselhuhns sind hier zu Hause.

Die NRW-Karte zeigt einige rot markierte Gebiete, die sich für Nationalparke eignen würden.

Rot markiert: Wo Nationalparke in NRW denkbar wären.

„215 Arten der Roten Listen gefährdeter Tiere und Pflanzen sind heute schon aus dem Gebiet bekannt“, betont Sticht. Hierzu zählten beispielsweise die vom Aussterben bedrohte Raufußkauze, sechs Libellen- oder 47 Schmetterling-Arten, sowie das Echte Fettkraut, eine „fleischfressende“ Pflanzenart.

Bergisches Land bei Köln kein Hotspot der Biodiversität 

Alleine auf ihre Größe bezogen wären als Nationalparke in NRW beispielsweise auch noch das Siebengebirge, der Arnsberger Wald im Sauerland sowie der an den bereits bestehenden Nationalpark Eifel angrenzende Hürtgenwald denkbar, so Sticht. Das Bergische Land bei Köln komme wohl schon deshalb nicht infrage, weil es dort „hinsichtlich der Biodiversität keine wirklichen Hotspots oder Besonderheiten, keine großen Schutzgebiete, dafür aber eine monotone Bewirtschaftung“ gebe. Auch bei der etwa 9000 Hektar großen südlichen Heideterrasse mit der Königsforster-Wahner Heide sowie der Lohmarer Teichlandschaft gehe es wohl eher „um miteinander vernetzte Wildnisentwicklungsgebiete“, nicht aber um die Möglichkeiten und Qualitäten eines Nationalparks.

Unabhängig von Nationalparks gibt es in Deutschland noch zahlreiche kleinere Naturschutzgebiete. Auch in diesen Bereichen sind Veränderungen verboten, so dürfen dort beispielweise keine Anlagen zur Wasserwirtschaft oder Beleuchtungen errichtet werden, zahlreiche Areale sind für den Menschen gesperrt. In NRW gibt es nach Angaben des Umweltministeriums 3331 Naturschutzgebiete. Im Regierungsbezirk Köln sind es 824, die 10,8 Prozent (79.254 Hektar) der Fläche ausmachen.

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