Die Kölner Strafrechtlerin stellt sich Programme vor, die Nachteile ausgleichen, die Kinder und Jugendliche während der Pandemie erlitten haben.
100 Ideen für KölnFrauke Rostalski wünscht sich ein Köln-Labor zu den Pandemie-Folgen

Die Rechtswissenschaftlerin Frauke Rostalski plädiert für eine städtische Aufarbeitung der Pandemie.
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Was ist meine Idee für Köln?
Die Corona-Zeit zieht sich nach wie vor wie ein großer Riss durch die Gesellschaft. Betroffen sind davon nicht zuletzt Kinder und Jugendliche, unter denen sich in großer Zahl der Eindruck verfestigt hat, Politik und Gesellschaft hätten sie nicht nur während der Pandemie über Gebühr in Anspruch genommen, sondern danach auch im Stich gelassen.
Dies birgt ein großes Potenzial für Generationenkonflikte, die nicht einfach von selbst verschwinden werden und schon gar nicht ausgesessen werden können. Stattdessen sollten sich Politik und Gesellschaft dieser großen Herausforderung stellen.
Warum nicht auf kommunaler Ebene beginnen? Ich schlage ein Köln-Labor zu den Pandemie-Folgen vor. Für gezielte Projekte und Programme, um die Nachteile auszugleichen, die Kinder und Jugendliche während der Corona-Pandemie erlitten haben. Ein besonderer Fokus sollte dabei auf den Bereichen Bildung und Gesundheit liegen.
Warum wäre das gut für die Stadt?
Köln ist eine Stadt, in der viele Kinder und Jugendliche leben. Sie zieht Familien an, ebenso wie junge Menschen, die zum Studieren oder Arbeiten herkommen und hier ihren neuen Lebensmittelpunkt finden. Junge Menschen sind die Zukunft unserer Gesellschaft, sie sind die Zukunft des Landes. Für unser Gemeinwesen ist es wichtig, diejenigen nicht alleinzulassen, die während der Pandemie aus Solidarität große Opfer gebracht haben.
Kinder und Jugendliche waren und sind unter den Hauptleidtragenden der Pandemie. Zum Schutz der vulnerablen Gruppen haben sie große Opfer erbracht. Sie haben sich über die gesamte Dauer der Pandemie hinweg solidarisch gezeigt. Von den Maßnahmen, die zum Schutz vor dem Virus ergriffen wurde, waren Kinder und Jugendliche in besonderer Weise betroffen. Wir allen haben noch die Bilder im Kopf: von abgesperrten Spielplätzen; von Grundschülern, die stundenlang mit Masken im Unterricht sitzen mussten; von Jugendlichen, die allein zu Hause vor ihren Bildschirmen saßen, weil ihnen das Treffen mit Freunden untersagt war.
Dies alles hat teils erhebliche Spuren hinterlassen. Bildungschancen wurden vergeben, soziale Entwicklung gehindert, und nicht zuletzt leidet bis heute ein großer Anteil der Kinder und Jugendlichen unter gesundheitlichen Folgen der Pandemieschutzmaßnahmen – vor allem psychischer Natur (Depressionen, Essstörungen etc.). Das gilt natürlich auch für Köln.
Allerorten fehlt es an Angeboten, um die erlittenen Schäden wiedergutzumachen oder zumindest abzumildern. Besonders augenfällig ist dies im Bereich der psychologischen und psychiatrischen Betreuung von Kindern und Jugendlichen – noch viel mehr als bei den Erwachsenen fehlt es hier an verfügbaren Plätzen. Hinzu tritt eine große gesellschaftliche Gleichgültigkeit und mitunter Ideenlosigkeit gegenüber sonstigen Möglichkeiten, das Leben von Kindern und Jugendlichen im Nachgang der Pandemie zu verbessern, ihnen Dank auszusprechen und sie – ebenso dringlich – um Entschuldigung zu bitten: Die Gesellschaft hat sich von ihnen ohne Zweifel mehr genommen, als sie sich hätte erlauben dürfen. Köln könnte hier eine Vorreiterrolle übernehmen.
Wie könnte die Umsetzung gelingen?
Erforderlich ist der politische Wille, der die Finanzierung entsprechender Programme einschließt. Was die konkrete Ausgestaltung angeht, wäre es ratsam, diejenigen einzubeziehen, die selbst Unterstützung leisten würden.
Was braucht es dafür?
Es bedarf in erster Linie einer finanziellen Unterstützung, daneben aber eines Engagements aus Politik und Gesellschaft, vor allem aus den Bereichen, in denen entsprechende Programme entstehen sollten. Für den Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit sollten Expertinnen und Experten einbezogen werden, die konkrete Bedarfe ebenso benennen können wie Wege, diese zu erfüllen. Für Bildung kommen neben Schulen und Hochschulen zivilgesellschaftliche Gruppen in Betracht, die gemeinsam mit der Stadt Ideen entwickeln könnten, wie junge Menschen einen Ausgleich für erlittene Bildungschancen erhalten können. Und natürlich braucht es die Beteiligung der Betroffenen.
Frauke Rostalski, geb. 1985, ist geschäftsführende Direktorin des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität zu Köln. Die Philosophin lehrt dort als Professorin auch Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung. Seit 2020 ist Rostalski Mitglied im Deutschen Ethikrat. Ihr Buch „Die vulnerable Gesellschaft“ war 2024 für den Deutschen Sachbuchpreis nominiert. (jf)