Die Kanzlerin der Deutschen Sporthochschule Köln, Marion Steffen, würde sich über eine Bewegungsoffensive der Stadt Köln freuen.
100 Ideen für KölnSpoho-Kanzlerin wünscht sich „eine City-Laufstrecke mit Start unterm dicken Pitter“

Marion Steffen, Kanzlerin Deutsche Sporthochschule Köln
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Bewegung ist nicht nebensächlich, sagt Marion Steffen, die Kanzlerin der Kölner Sporthochschule. Sie empfiehlt Köln zum Auftakt einer Bewegungsoffensive eine ausgewiesene Sightseeing-Route für Läufer.
Was ist meine Idee für Köln?
Jedes Mal, wenn mir der von BAP ins Leben gerufene Slogan „Arsch huh“ begegnet, freue ich mich über das typisch kölsche, schnörkellose zivilgesellschaftliche Engagement. Die Selbstverständlichkeit, mit der wir an Karneval generationenübergreifend das Brauchtum pflegen und mit der wir im Alltag und bei Großkundgebungen für Menschlichkeit, Weltoffenheit und Demokratie demonstrieren, sucht seinesgleichen.
Wenn ich „Arsch huh“ höre, denke ich ganz unwillkürlich aber auch daran, dass wir im wörtlichen Sinne in Bewegung kommen müssen. Denn schon lange ist klar: Wir sitzen zu viel. Köln nennt sich „Sportstadt“, aber wir Kölnerinnen und Kölner bewegen uns zu wenig und verbringen den Großteil des Tages sitzend – in den Klassenzimmern, im Büro, auf dem Sofa oder im Auto. Das muss sich ändern. Ich wünsche mir, dass Köln als Sportstadt uns alle in Bewegung bringt. Und dazu sollte das Thema Bewegung sehr sichtbar ins Stadtbild gebracht werden: Zum Beispiel, indem wir eine gut ausgewiesene, beleuchtete City-Laufstrecke für Kölner und Touristen schaffen, die die „Sight-Runnings“ in Berlin und München in den Schatten stellt: Start am Dom unterm dicken Pitter, vorbei am Kallendresser und an den vielen Stolpersteinen, vorbei an Colonius, Melaten und Rheinenergiestadion. Liebe deine Stadt? Laufe deine Stadt!
Warum wäre das gut für die Stadt?
Bewegungsmangel ist kein harmloser Nebeneffekt unseres modernen Alltags, sondern erhöht signifikant das Risiko, am Herzen, an Demenz, Krebs, Diabetes oder psychischen Problemen zu erkranken. Bei unseren Kindern führt zu wenig Bewegung nachweisbar zur Einschränkung körperlicher und geistiger Fähigkeiten. Auf Dauer bedeutet dies eine Überlastung des Gesundheitssystems, einen Rückgang der Wirtschaftsleistung und – ganz individuell – eine schlechtere Lebensqualität. Die WHO empfiehlt: 2,5 Stunden intensive oder fünf Stunden moderate Bewegung pro Woche. Für jeden – auch für Sie, die oder der Sie wahrscheinlich gerade sitzen.
Sport und Bewegung – das sagt uns die sportwissenschaftliche Forschung nicht zuletzt an der Deutschen Sporthochschule Köln, der einzigen Sport-Universität Deutschlands – fördern übrigens nicht nur die Gesundheit, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt und zivilgesellschaftliches Engagement. Im Sport liegen riesige Potenziale zum Erwerb sozialer Kompetenzen und auch zur Steigerung der Bildungsmotivation bei Kindern und Jugendlichen, von denen viele in ihrer Freizeit alleine mit Ihren digitalen Endgeräten sind, anstatt mit Familie oder Freunden die reale Welt zu erkunden und: sich zu bewegen.
Wie könnte die Umsetzung gelingen?
Mit einer Bewegungsoffensive für Köln, die nicht nur programmatische Eintagsfliege ist: Alle machen mit! Von der Kommunalpolitik über die Sportvereine und Karnevalsgesellschaften, die Kitas und Schulen, bis hin zum Einzelhandel, der Industrie oder der Gaming-Branche tragen alle dazu bei, dass Bewegung keine Nebensache mehr ist. In der Stadtentwicklung bleiben wir nicht bei einer prominenten Sightseeing-Laufstrecke stehen. Sondern wir entwickeln den öffentlichen Raum zum Bewegungsraum: zum Beispiel durch sichere, gute Rad- und Fußwege, durch Sport- und Grünanlagen, die insbesondere jungen Menschen attraktive Bewegungs- und Aufenthaltsmöglichkeiten bieten. Schließlich sind Politik, Wirtschaft und vor allem die Zivilgesellschaft gefordert, die Sportvereine zu stärken: in ihrem Kampf um gute Sportstätten, um Ehrenamtliche, um Trainerinnen und Trainer und Übungsleitende sowie im Dickicht von manchmal erdrückenden Vorschriften.
Was braucht es dafür?
Viele gute Ideen, die nicht immer neu sein müssen: Schulen bieten motivierenden, integrativen Sportunterricht an und die Pänz bekommen außerdem Bewegung im gesamten Schulalltag. Arbeitgeber organisieren Pausen-Sportangebote, die es dem „inneren Schweinehund“ so richtig schwer machen. Trinkwasserspender werden auf öffentlichen Plätzen und Parks installiert, Laufstrecken für abendliches Joggen beleuchtet. Wie wäre es, wenn zusätzlich Laufgruppen vom Einzelhandel durch eine Gratis-Flasche Wasser belohnt würden? Wenn es auf Plätzen und in Parks überdachte Sport-Courts gäbe, die von Unternehmen gestiftet oder über Crowdfunding finanziert würden oder die KVB ein Sportler-Ticket einführte, mit dem die Fahrt zum Sport nur 50 Cent kostet? Wenn für jeden Kölner ein Sportangebot nicht weiter entfernt wäre als fünfzehn Minuten – und zwar laufend, nicht motorisiert?
Ja, das ist vielleicht nicht alles umsetzbar. Aber nicht jede Verbesserung scheitert an fehlendem Geld. Oft sind es Beharrlichkeit, gemeinsames Engagement und der richtige Moment, die Ideen zur Realität werden lassen. Ich wünsche mir Köln als Stadt der Bewegung – mit einem um ein Gebot erweiterten kölschen Grundgesetz: Stonn op un bliev in Bewejung!
Marion Steffen ist seit September 2020 Kanzlerin der Deutschen Sporthochschule Köln. Die 49-Jährige hat in Münster und Montreal Jura und Politikwissenschaften studiert und in Osnabrück den MBA Wissenschaftsmanagement absolviert. Bevor sie an die Spoho kam, war Steffen von 2013 bis 2020 Kanzlerin an der renommierten Hochschule für Musik und Tanz in Köln, davor lagen u.a. Stationen an der Fachhochschule in Aachen und der Universität Bielefeld. Beim Kölner Stadtanzeiger hat sie vor beinahe 20 Jahren als Praktikantin in der Lokalredaktion gearbeitet und – wie es der Zufall will – auch einen Beitrag über die Deutsche Sporthochschule geschrieben.
Zur Serie „100 Ideen für Köln“
„100 Ideen für Köln“ ist die neue Serie des „Kölner Stadt-Anzeiger“, die der Stadt neue Impulse verleihen soll: „100 Ideen für Köln“. Was muss passieren, damit die viertgrößte Stadt Deutschlands mit ihrer Strahlkraft in die Region zukunftsfähig bleibt? Was ist dringend zu verbessern? Was fehlt in dieser Stadt? Im Vorfeld der Kommunalwahl am 14. September sammeln wir besten Vorschläge, Lösungen und Visionen – auch als Inspiration für die künftige Stadtspitze.