25 Jahre jüdisches TheaterTrotz viel Zustimmung der Stadt Köln noch immer keine eigene Spielstätte

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Alex Schneider (l.) und Victor Tabor stehen in schwarzen Anzügen auf einer Bühne.

Alex Schneider (l.) und Victor Tabor vom jüdischen Theater Michoels

Vor 25 Jahren wurde das erste jüdische Theater der Nachkriegszeit in Köln gegründet. Ein Gespräch mit Gründer Alex Schneider (59).

Herr Schneider, Sie haben 1996 in Köln mit Freunden einen Verein zur Förderung jüdischer Kultur gegründet, aus dem das erste jüdische Theater in Deutschland nach dem Krieg hervorgegangen ist. Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an die Anfangszeit vor 25 Jahren denken?

Alex Schneider: Nach den ersten Veröffentlichungen hat die Nachricht von unserem Theater eine riesige Welle gemacht: Die „New York Times“ hat berichtet und die „International Herald Tribune“, da war ich in einem Artikel gleich neben der Schauspielerin Drew Barrymore abgebildet. 900 Medien-Publikationen gab es allein in den Benelux-Ländern. Wir konnten es kaum glauben, wobei wir doch nur spielen und Spaß haben wollten.

Ihr Theater wurde sehr ernst genommen. Auch die Stadt Köln fand es toll. Der damalige Oberbürgermeister Harry Blum wollte Ihrem Ensemble eine feste Spielstätte vermitteln.

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Was auch kurzzeitig geklappt hat – wir hatten für einige Monate eine Bühne im Rheinauhafen. Allerdings mussten wir wegen Umbauarbeiten wieder raus – und durften nicht wieder rein. Es folgte eine Odyssee, die bis heute andauert: Wir waren oft im studio dumont, im Schauspielhaus, für ein paar Jahre in der Annostraße in der Südstadt, mal in der Philharmonie, im Rautenstrauch-Joest-Museum und an sehr vielen anderen Orten.

Die Planung für ein Haus in der Innenstadt lag bereits im Jahr 2019 vor, damals wurde das Thema im Liegenschaftsausschuss für gut befunden
Alex Schneider, Gründer und Leiter des jüdischen Theaters Michoels

Ihr Theater existiert seit 25 Jahren, die Resonanz ist nach wie vor gut. Wie ist der Stand der Dinge? Ist eine feste Spielstätte in Aussicht?

In Aussicht irgendwie die ganze Zeit – wir hatten und haben die Bekenntnisse aller, von den Fraktionen bis zur Oberbürgermeisterin. Es gibt Lob, Zustimmung und jede Menge Sympathien. 2018 hatte sich eine räumliche Möglichkeit eröffnet. Ein Bauträger hatte großes Interesse uns zu helfen. Vor allem wegen der jüdischen Vergangenheit des Ortes. Er ließ einen inzwischen sehr fortgeschrittenen Bauplan eines namhaften Städteplaners und Architekten erstellen und eine Betriebsplanung ausarbeiten. Diese Planung für ein Haus in der Innenstadt lag bereits im Jahr 2019 vor, damals wurde das Thema im Liegenschaftsausschuss diskutiert und für gut befunden. In diesem Jahr könnte eigentlich Richtfest sein. Im Moment ist eine eigene Bühne aber wieder in weite Ferne gerückt.

Woran ist es gescheitert?

Vor allem daran, dass lange nichts passiert ist, obwohl eigentlich alles da war, würde ich sagen. Das ist sehr schade. Dabei gab es schon seit vielen Jahren von allen Seiten ein klares Bekenntnis zu der Spielstätte. Seit dem Beschluss des Liegenschaftsausschusses zur Realisierung der Spielstätte haben die Inflation und sonstige Gründe die Baukosten so sehr in die Höhe getrieben, dass die Baukosten – zusätzlich zu dem von der Stadt geforderten Kaufpreis – die Realisierung unmöglich machen. Jetzt ist die Zeit der klaren Worte, um das Projekt für Köln zu retten. Die Stadt muss die Mehrkosten, die seit dem ersten Beschluss entstanden sind, mit einem Zuschuss auffangen.

Alex Schneider, Leiter, Regisseur und Schauspieler am jüdischen Theater, hebt die Hände zum Himmel und betet.

Alex Schneider (59) spielt in vielen Stücken auch die Hauptrolle.

Ihre Erfahrungen erinnern ein bisschen an den öffentlichen Umgang mit dem Holocaust: Das Erinnern hat einen hohen Stellenwert, bei jedem Gedenktag gibt es eine Rede. Aber wenn es um die Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte und dem Umgang mit Antisemitismus heute geht, sieht es nicht so dolle aus.

Da sehe ich einen großen Zwiespalt. Fast alles, was mit jüdischer Geschichte und noch mehr mit dem Erinnern zu tun hat, wird zentral organisiert: Die Gedenkfeiern, auch das Jubiläum 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Man zieht das durch, ist ja auch schön, aber dann ist es hoffentlich auch schnell wieder vorbei. Ich glaube, dezentral lässt sich viel eher etwas Bleibendes schaffen: Zum Beispiel eben auch mit Hilfe von Theatern.

Die Fürsprachen für eine Bühne sind bislang Lippenbekenntnisse geblieben
Alex Schneider

Das Theater Michoels, benannt nach einem jüdischen Schauspieler und Regisseur, gibt es seit 25 Jahren. Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Umgang mit jüdischer Kultur und der Fokussierung auf den Holocaust?

Süß und sauer: Einerseits bin ich sehr dankbar, dass wir seit einem Vierteljahrhundert unsere Themen entwickeln können, dass israelische Bestseller-Autoren nach Köln kommen und Hollywood-Schreiber, dass wir auftreten können und gehört werden. Die Fürsprachen für eine Bühne sind allerdings bislang Lippenbekenntnisse geblieben. Der Holocaust ist das alles dominierende Thema geblieben – vielleicht haben deshalb andere Kulturinitiativen aufgegeben. Einige jüdische Theater, die sich ein paar Jahre nach unserem gegründet haben, gibt es längst nicht mehr.

Sie und Ihr Verein sind mit dem Anspruch angetreten, die Fokussierung der jüdischen Kultur auf den Holocaust aufzubrechen.

Wir haben immer die ganze Bandbreite gezeigt und tun das bis heute: Von Klezmer bis Comedy, jüdischen Alltag und jüdische Stereotype, natürlich auch den Umgang mit Geschichte. Die ersehnte Normalität, von der immer gesprochen wird, kann natürlich nur eine Normalität sein, die die Geschichte kennt.

Am Klavier mit Udo Jürgens, Lionel Richie und Adriano Celentano

Sie sind in der Sowjetunion auf dem Gebiet der heutigen Ukraine geboren worden, als sie zehn waren ist Ihre Familie nach Israel ausgewandert, als Musiker sind sie später durch Europa getourt und in Köln geblieben. Wie kam es dazu?

Ich habe mich in Köln verliebt, und zwar gleich doppelt. Die Mentalität des „Jeder Jeck is anders“ und „Et hätt noch immer jot jejange“ ist mir sehr nah. Ich habe mit Brings Klezmer gespielt und über die Musik sowieso in Köln schnell Anschluss gefunden. An einem meiner ersten Abende hier bin ich ins Promi-Restaurant „Maca Ronni“ gegangen, Moshe Fleisher hat dort Klavier gespielt und ich hatte gleich einen neuen Freund. Manchmal habe ich selbst am Piano gesessen, Peter Alexander begleitet und Lionel Richie, Adriano Celentano, Otto Waalkes und Udo Jürgens. Viel wichtiger aber war, dass ich im „Maca Ronni“ meine Frau kennengelernt habe, die als Gast dort war.

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