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„Dass der Dom ausgeraubt wurde, war eine Katastrophe“So schützen Kölner Museen ihre Schätze

5 min
17.10.2025
Köln:
Die Kölner Domschatzkammer informiert über ihr 25-jähriges Jubiläum und ihre Sonderausstellung „Der Kaiserswerther Suitbertusschrein in Restaurierung“. 
Foto: Martina Goyert

Blick in die Kölner Domschatzkammer, die als Museum für Besucherinnen und Besucher geöffnet ist.

Nach dem spektakulären Diebstahl im Pariser Louvre stellt sich auch in Köln die Frage nach den Sicherheitsvorkehrungen neu.

Zwölf Meter unter der Erde, in den mittelalterlichen Gewölbekellern der Domsakristei, lagert trocken und wohltemperiert das vielleicht Kostbarste, das Köln zu bieten hat: vergoldete Kunstwerke, heilige Überreste und seltene liturgische Geräte und Textilien aus mehreren Jahrhunderten. Der Wert des Kölner Domschatzes ist mit Geld allein nicht zu bemessen. Das Museum sei mit „modernster Sicherheitstechnik“ ausgestattet, betont die Leiterin Leonie Becks. „Die Schatzkammer ist ein Hochsicherheitstrakt.“ Und dennoch geht der aufsehenerregende Juwelendiebstahl in Paris auch am Domkapitel nicht spurlos vorbei.

Es sei „erstaunlich“, dass so etwas wie im Louvre passieren könne, sagt Leonie Becks. Einerseits. Andererseits wiederum sei es unmöglich vorherzusagen, auf welche Gedanken Kriminelle so alles kämen. „Die merkwürdigsten Dinge können passieren“, sagt Becks. Die Schutzvorkehrungen in der Domschatzkammer würden zwar „regelmäßig gewartet und auf den neuesten Stand gebracht“, sagt Becks. Hundertprozentig ausschließen lasse sich ein Einbruch oder Diebstahl aber dennoch nicht.

Die Stadt Köln teilt auf Anfrage, ob die Maßnahmen nach dem Diebstahl im Louvre auch in den hiesigen städtischen Museen überprüft würden, nur allgemein mit: „Die Sicherheitskonzepte werden laufend überprüft und sich verändernden Gegebenheiten angepasst.“

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Dass damals der Dom ausgeraubt wurde, war eine Katastrophe für die Kölner
Helmut Simon, pensionierter Fahnder der Polizei Köln

Bei jedem Fehlalarm der Sicherheitsanlage und natürlich auch jetzt, nach der Tat in Paris, schieße ihr unwillkürlich ein bestimmtes Ereignis durch den Kopf, erzählt Leonie Becks: der Kölner Domschatzraub von 1975. Am 2. November jährt sich der Coup, der bis heute zu den spektakulärsten Verbrechen der Kölner Nachkriegsgeschichte zählt, zum 50. Mal.

„Dass damals der Dom ausgeraubt wurde, war eine Katastrophe für die Kölner“, erinnert sich der inzwischen pensionierte Polizeifahnder Helmut Simon im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Diebe hätten eine ganze Stadt geschockt. „Sie haben einzigartige Kunstgegenstände von unschätzbarem Wert gestohlen.“

Die Nacht zum 2. November 1975 war kalt und windig. Regen prasselte auf die Domplatte, die Umgebung war fast menschenleer – bis auf drei Männer mit Bergsteigerausrüstung, Strickleiter und Funkgeräten, die ein historisches Verbrechen begingen: Ljubomir E., Borislav T.und Vilijam D. Sie entkamen in jener Nacht mit 15 Kunstobjekten aus der Domschatzkammer im Wert von damals mehreren Millionen D-Mark.

Köln: Historischer Raub in der Domschatzkammer

Um kurz nach Mitternacht kletterten Borislav T. und Vilijam D. auf ein Baugerüst am nördlichen Querhaus des Doms. Ljubomir E. blieb unten, hörte den Polizeifunk ab und stand Schmiere.

Heute kehrt Helmut Simon in unregelmäßigen Abständen als Stadtführer für die „Kölner Stadtgeschichten“ immer wieder zum Tatort zurück. „Irgendwoher wussten die Täter, dass in sechs Metern Höhe ein Lüftungsschacht in die Domschatzkammer führte“, erzählt er. Der Schacht war mit zwei Eisengitterstäben gesichert. „Die haben die Täter auseinandergebogen, vorsichtig, denn dort liefen die Kabel der Alarmanlage durch.“ Borislav T., der Schmalste der drei, zwängte sich durch die enge Öffnung, stieg an der Strickleiter in die Schatzkammer hinunter und brach eine Vitrine nach der anderen auf. „Die waren alle nicht gesichert“, sagt Simon. Heute ist das anders.

T. griff sich vor allem Juwelen wie etwa Bischofsringe sowie liturgische Geräte, darunter eine barocke Prunkmonstranz von 1657. Wer weiß, was er noch alles eingesteckt hätte, wäre ihm nicht ein folgenschwerer Fehler unterlaufen. „Versehentlich ließ er die große Prunkmonstranz fallen, das gab einen Höllenlärm“, erzählt Ex-Fahnder Simon. Zwei Domschweizer, die in der Sakristei Nachtwache schoben, rannten zur Schatzkammer, hatten aber keinen Schlüssel. Borislav T. band den Sack mit seiner Beute an ein Seil, das Vilijam D. nach oben in den Lüftungsschacht zog. Borislav T. kletterte auf der Strickleiter hinterher. Zu Fuß flüchteten sie über das Gerüst nach unten und entkamen.

Fotos vom Domraub.

Die Polizei zeigte 1975 Fotos von den gestohlenen Gegenständen aus der Domschatzkammer.

Helmut Simon half später bei der Rekonstruktion der Tat und kletterte dazu an einem Seil in die Schatzkammer. Schnell ahnte die Polizei, wer hinter dem Diebstahl steckte. Simon erinnert sich: „Von der damaligen Oberstaatsanwältin Maria Mösch weiß ich, dass der Ermittlungsleiter sofort nach der Tat sagte: Es gibt in Köln nur einen, der so bescheuert ist, den Domschatz zu klauen: Ljubomir E.“ Und das stimmte.

Ljubomir E., ein Jugoslawe, der als Kunsthändler arbeitete. Aber erst zwei Jahre später wurden er und seine beiden Komplizen gefasst. Den entscheidenden Tipp erhielt die Polizei aus der Kölner Unterwelt. Alle drei Täter bekamen hohe Gefängnisstrafen.

Köln ist für Kunstdiebe Tatort und Umschlagplatz

Doch auch in der jüngeren Vergangenheit wurde Köln immer wieder mal zum Schauplatz herausragender Kunstverbrechen. So machte 2001 der Diebstahl eines Kokosnusspokals und andere wertvoller Ausstellungsstücke aus dem Stadtmuseum bundesweit Schlagzeilen (siehe „Neun Kölner Kunstobjekte im Kanal versenkt“).

Im Jahr 2004 verschwand die „Winterlandschaft“ des niederländischen Malers Esaias van de Velde  aus dem Wallraf-Richartz-Museum. Der Dieb, der das kleine Gemälde in einem unbeobachteten Moment von der Wand geschraubt hatte, ließ es eine Woche später über einen Anwalt der Polizei übergeben, er selbst wurde kurz darauf in den Niederlanden gefasst.

Aber Köln ist nicht nur Tatort, sondern immer wieder auch Umschlagplatz der internationalen Kunstmafia. Im März 2012 etwa stellte die Polizei hier mehrere Gemälde sicher, die 1988 aus einer New Yorker Galerie gestohlen worden waren.

Polizisten sichern am 13. September 2023 Spuren nach dem Einbruch ins Museum für Ostasiatische Kunst.

Polizisten sichern am 13. September 2023 Spuren nach dem Einbruch ins Museum für Ostasiatische Kunst.

Unaufgeklärt ist dagegen bis heute der Einbruch in das Museum für Ostasiatische Kunst am Aachener Weiher. Die Tat im September 2023 hatte die Museumswelt in Europa nachhaltig erschüttert, zahlreiche Häuser überarbeiteten und modernisierten in der Folge ihre Sicherheitskonzepte. Zwei Täter hatten nachts ein bodentiefes Fenster am Parkplatz zertrümmert, einen Ausstellungsraum dahinter geplündert und waren mit wertvollen Porzellanstücken aus der Ming-Dynastie entkommen. Geschätzter Schaden: mehr als eine Million Euro.

Dass hier Profis am Werk waren, vermutlich angeheuert von finanzstarken Hinterleuten, war den Kölner Ermittlern schnell klar.  Dennoch sind die Ermittlungen mehr als zwei Jahre nach der Tat längst eingestellt. Sie würden sofort wieder aufgenommen, sollten sich „neue, erfolgversprechende Ermittlungsansätze ergeben“, sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Doch die sind derzeit nicht in Sicht. Und so bleiben die entscheidenden Fragen weiterhin offen: Wer waren die Einbrecher? Wurden sie beauftragt? Wenn ja, vom wem? Und vor allem: Wo sind die gestohlenen Porzellane jetzt?