Flüchtlingsrat sieht „emotionalisierte“ DebatteRegierung will schnellere Abschiebungen – das bedeutet der Gesetzentwurf für Köln

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Sachsen, Leipzig: Polizeibeamte begleiten einen Afghanen auf dem Flughafen Leipzig-Halle in ein Charterflugzeug. Deutschland schiebt vorerst keine Menschen mehr nach Afghanistan ab.

Polizeibeamte begleiten einen Geflüchteten in ein Charterflugzeug - in Deutschland sollen nach einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung mehr Menschen abgeschoben werden.

Die Bundesregierung will mehr Menschen abschieben. In Köln sind aktuell 4700 Menschen ausreisepflichtig - das heißt aber nicht, dass sie in ihre Herkunftsländer zurückmüssen. Ein Überblick. 

„Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.“ In Köln konnten sich von diesem jüngst von Bundeskanzler Olaf Scholz im „Spiegel“ geäußerten Satz rund 4700 Menschen angesprochen fühlen, die als ausreisepflichtig gelten - von denen aber die meisten trotzdem vorläufig bleiben dürfen. 1100 Geflüchtete befanden sich Ende 2022 zudem im Asylverfahren, bei 32.000 in Köln registrierten Personen war noch nicht geklärt, ob sie langfristig in Deutschland bleiben dürfen oder nicht.

2023 wurden bislang 113 Menschen abgeschoben – 67 davon Straftäter

Abgeschoben wurden von Köln aus in diesem Jahr bislang 113 Menschen – davon 67 Straftäter, wie die Stadt Köln mitteilt. Das liegt in erster Linie daran, dass viele ausreisepflichtige Geflüchtete geduldet werden: weil sie krank sind, Pässe fehlen oder die Identität aus anderen Gründen nicht geklärt ist, weil sie zur Schule gehen, eine Ausbildung machen, sich um Familienangehörige kümmern oder beruflich fortbilden.

Viele Menschen, die Deutschland verlassen müssen, entscheiden sich zudem dafür, freiwillig auszureisen – zum Beispiel die meisten Menschen aus den West-Balkan-Staaten ohne Bleibeperspektive. Sie tun das auch, weil abgeschobene Geflüchtete nicht erneut einreisen dürfen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich viele Länder weigern, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen – oft fehlen gesetzlich durchsetzbare Vereinbarungen mit den Herkunftsländern. 

Asyl: Kölner Ausländeramt gilt als liberal – wie lange noch?

Das Kölner Ausländeramt entscheidet „unter Berücksichtigung aller für den Einzelfall bedeutsamen Aspekte“ über Rückführungen. Sofern es eine gesetzliche Bleibeperspektive gibt, würden auch „günstige Umstände“ berücksichtigt – Erlasse und Gesetze bieten Spielräume, die in Köln dem Vernehmen nach bislang eher großzügig genutzt wurden, um Abschiebungen abzuwenden. Das Kölner Ausländeramt gilt als eher liberal. Damit könnte es nun bald ein Ende haben.

„Es ist zu befürchten, dass Geflüchtete auch in Köln in Zukunft restriktiver und schneller abgeschoben werden“, sagt Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats. Bei dem von der Bundesregierung vorbereiteten Gesetzesentwurf zu beschleunigten Abschiebungen könne „der Eindruck entstehen, dass man nicht mehr weiß, dass der Rechtsstaat mit seinen Errungenschaften auch für Nicht-Deutsche gilt“.

Vorlage sieht mehr Rechte für Behörden und Polizei vor

Am Mittwoch (24. Oktober) will die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf verabschieden, durch den die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber beschleunigt und verschärft werden soll. Die Vorlage sieht mehr Rechte für Behörden und Polizei vor, um Abschiebungen durchzusetzen. So sollen ausreisepflichtige Ausländer 28 statt wie bisher zehn Tage in sogenannten Ausreisegewahrsam genommen werden dürfen, um die Abschiebungen vorbereiten zu können.

Die Polizei soll nicht wie bisher nur die Privaträume der Betroffenen betreten dürfen, um sie zum Flughafen zu bringen; Ankündigungen von Abschiebungen sollen entfallen, Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote künftig ein Grund für Abschiebehaft sein, Straftäter schneller und restriktiver abgeschoben werden.

Was ist mit der Mutter aus Nigeria und ihrem kranken Sohn, die geduldet werden, aber ausreisepflichtig sind?
Claus-Ulrich Prölß, Kölner Flüchtlingsrat

Dass Straftäter Deutschland schneller verlassen sollen, findet Claus-Ulrich Prölß nachvollziehbar. „Aber was ist mit der Mutter aus Nigeria und ihrem kranken Sohn, die geduldet werden, aber ausreisepflichtig sind?“

Die Debatte um eine Verschärfung von Asylrecht und Abschiebungen erlebe er als „sehr emotionalisiert und ein Stück weit getrieben“, so Prölß. „Emotionalisierung ist aber immer schlecht, um Probleme zu lösen.“ Momentan beobachte er, dass Sorgen öffentlich befördert und dadurch Menschen – zum Beispiel Geflüchtete – stigmatisiert würden.

Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat gestikuliert während einer Pressekonferenz

Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat (Archivbild)

Dadurch würden nicht nur Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit befördert – es drohe aus dem Blick zu geraten, welche Errungenschaft das Grundgesetz bedeutet, das großen Wert auf die Gleichbehandlung aller hier lebenden Menschen ungeachtet ihrer Herkunft legt. „Ich finde es problematisch, dass sehr viel über beschleunigte Abschiebungen und ein effektiveres Ausreisemanagement gesprochen wird, aber sehr wenig über ein integriertes Bleibemanagement, benötigte Fachkräfte und die Chancen von Arbeitsintegration“, sagt Prölß. Wie wichtig es sei, humanitäre Standards beizubehalten und den Rechtsstaat zu schützen, um systemischem Rassismus vorzubeugen, gehe momentan fast unter. „Das bereitet mir große Sorge.“

Und was sagt die Stadt Köln? Wie sich die geplanten Gesetze auf die Arbeit der Kölner Ausländerbehörde auswirken, sei bislang noch nicht bekannt, teilt eine Stadtsprecherin mit. „Die kommunalen Ausländerbehörden sind bisher an den Entwicklungen nicht beteiligt. Es gibt auch noch keine Handlungsanweisungen oder ähnliches.“

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