Abschied von Rolf Domning„Wir waren provokativ und experimentierfreudig“

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Rolf Domning war 19 Jahre Stadtsuperintendent. Nun folgt ihm Bernhard Seiger nach.

Rolf Domning war 19 Jahre Stadtsuperintendent. Nun folgt ihm Bernhard Seiger nach.

  • An der Spitze der evangelischen Kirche in Köln hat ein Wechsel stattgefunden. Bernhard Seiger ist zum Nachfolger von Rolf Domning gewählt worden.
  • Der ehemalige Stadtsuperintendent Rolf Domning spricht über die mitunter schwierige Zusammenarbeit mit dem Erzbistum, die AfD und die Zukunft der Seelsorge.
  • Ein Abschluss-Interview.

Herr Domning, das Ende Ihrer Amtszeit fällt in eine schwierige Phase für die Kirchen mit schlechten Prognosen: Halbierung der Mitgliederzahlen und der Finanzkraft bis 2060. Haben Sie für sich so ein Gefühl „rettendes Ufer Ruhestand“?

Rolf Domning: So gut wie unsereiner wird die kommende Generation es sicher nicht mehr haben. Ich stelle fest, das macht den jüngeren Kollegen schon Sorge.

Zur Person

Rolf Domning, geboren 1953 in Eitorf, studierte Betriebswirtschaft und Theologie. 1984 wurde er Pfarrer in Eschweiler. Von 1990 bis 2003 war er Pfarrer an der Lutherkirche in Köln, danach an der Kartäuserkirche. 2000 wurde er zum Superintendenten des Kirchenkreises Köln-Mitte und 2008 zum Stadtsuperintendenten gewählt. Domning ist verheiratet und hat drei Kinder. (jf)

Ich habe selbst immer wieder gemahnt: Denkt daran, dass ihr künftig für mehrere Gemeindezentren zuständig sein werdet! Die Zeiten der Seelsorge für – sagen wir – 2500, 3000 Gemeindeglieder, wie das heute noch der Fall ist, diese Zeiten sind vorbei. Bald werden es doppelt oder dreimal so viele sein. Um uns darauf einzustellen, haben wir in der rheinischen Landeskirche einen Prozess unter dem Motto „Zeit fürs Wesentliche“ begonnen.

Was ist für Sie das Wesentliche?

Der Gottesdienst und die Nähe zu den Menschen. Beides hat sich bei mir verbunden im Ausprobieren neuer Formen. Zusammen mit Hans Mörtter an der Lutherkirche waren wir da ziemlich experimentierfreudig und so provokativ, dass wir mitunter sogar ganz froh darüber waren, wenn wir ein bisschen unter dem Radar geflogen sind.

An wen denken Sie noch besonders zurück?

Ich nenne einmal stellvertretend den verstorbenen Präses Peter Beier, der mich ordiniert hat. In seiner Ansprache zur Einführung als Pfarrer 1984 in Eschweiler hat er mir einen „männlichen Dienst“ gewünscht (lacht).

Was soll das denn sein, bitteschön?

Ich habe den Begriff nicht geschlechtsspezifisch verstanden. Unsere Kirche wird mehr und mehr von Frauen geprägt, und das ist auch gut so. Schon deshalb kann und darf „Männlichkeit“ in unserem Dienst kein Gender-Kriterium sein.

Was ist es dann?

Tja, vielleicht die Entschiedenheit in den Fragen, die einem wichtig sind. Was den Frauen dann aber nicht weniger eigen wäre. Übrigens habe ich Beiers Wort vom „männlichen Dienst“ später sogar einmal selbst bei einer Einführung eines Pfarrers gebraucht – spaßeshalber, wie ich mich erinnere, aber doch sehr zur Irritation von Gemeindegliedern. (lacht)

Was soll denn einmal im Goldenen Buch des Himmels auf Ihrer Haben-Seite ganz oben stehen?

In politischen Fragen Haltung gezeigt zu haben, das war mir immer besonders wichtig – und ich hoffe, es war auch im Sinne dessen, in dessen Namen wir als Christen unterwegs sind. Damit meine ich zum Beispiel ein klares Bekenntnis gegen rechte Tendenzen. In einer Kampfschrift der AfD bin ich jetzt, als einfacher Stadtsuperintendent, in einer Reihe mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm, Bischof Markus Dröge von Berlin und Margot Käßmann aufgetaucht. Na! Das zeigt dann doch, dass mein Wirken nicht ohne Widerhall geblieben ist.

Und was, denken Sie, müsste auf der Passiv-Seite im Himmelsbuch eingetragen sein?

Bei uns Protestanten wurmt mich manchmal die Beschränktheit – im übertragenen Sinn – auf den eigenen Kirchturm. Ich hätte mir mehr Mut zur Kooperation gewünscht, gerade jetzt in den Zeiten, in denen es schwieriger wird. Ich habe einmal den Versuch von Zusammenschlüssen in unserer evangelischen Krankenhaus-Landschaft unternommen. Da gab es sehr viel Gegenwehr, und letztlich ist die Sache steckengeblieben.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Kirche in der Stadt Köln?

Auch da über den Kirchturm hinausgeblickt: Das Miteinander mit den Katholiken auf der Stadtebene, namentlich auch mit den Stadtdechanten, war fantastisch. Ich denke da gerade an die entschiedene Absage an Rechtspopulisten und Extremisten. „Unser Kreuz hat keine Haken“, das haben wir 2017 aus Anlass des AfD-Bundesparteitags in Köln in völligem ökumenischem Einvernehmen gesagt. Auf der höheren Ebene, dem Erzbistum, gab es auch Enttäuschungen. Ich bin aber überzeugt, wir sitzen als Christen in einem Boot, und wirklich weiter kommen wir nur gemeinsam.

Ist es einfacher, einen gemeinsamen Gegner zu identifizieren, als miteinander klarzukommen?

Ach, wenn ich an unsere ökumenischen Gottesdienste denke, ob mit Motorradfahrern oder beim gemeinsamen Taufgedächtnis im Baptisterium am Dom – dann war da schon viel Gemeinsamkeit. Schade, dass es nicht noch viel mehr ist! Im ökumenischen Gottesdienst für die Karnevalisten im Dom habe ich in einem Grußwort einmal erzählt, wie in Dellbrück der katholische und der evangelische Pfarrer einfach mal die Amtstracht getauscht haben. Mein Kommentar dazu: „Schade, Herr Kardinal Woelki, dass wir in der Vorbereitungsgruppe nicht auch auf die Idee gekommen sind!“ Oh, da stand er aber gleich vom Bischofsstuhl auf und rief bestimmt: „Nein, so weit geht der Spaß aber nicht!“

Noch einmal zurück zur Kirche in Köln. Die Christen stellen inzwischen weniger als die Hälfte der Bevölkerung. Was sagen Sie der Mehrheit auf die Frage, was sie an Ihnen hat?

Wir haben einen so reichen Schatz an Geschichten, an Werten, an Einsatz für Kinder und Jugendliche, für die Schwachen, die Benachteiligten. Davon hat die ganze Gesellschaft etwas. Wir erleben doch zurzeit alle, wie sich das gesellschaftliche Klima ändert. Der selbstverständliche Respekt voreinander geht schon im Alltag zunehmend verloren, auch das Feingefühl im Umgang mit Schwachen, Kranken, Sterbenden, Menschen in Not. Feuerwehrleute oder Rettungssanitäter bei ihrer Arbeit zu behindern oder gar anzugreifen, Unfallopfer zu filmen – das hätte es vor ein paar Jahren noch nicht gegeben. Da sind Dämme gebrochen.

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Wir Christen sind nun gewiss nicht die Einzigen, die dagegen halten, aber noch sind wir doch eine gesellschaftliche Größe mit Gewicht. Wir sollten den Mund nicht zu voll nehmen, auch eingedenk unseres historischen Ballasts und vieler eigener Schwächen, aber ich würde trotzdem sagen: Ohne uns würde etwas fehlen.

Gibt es denn etwas, wovon Sie sagen würden, „da sind wir die Einzigen, das können nur wir“?

Trost spenden aus dem Glauben, Menschen in schwierigen Lebenssituationen begleiten, Notfall-Seelsorge leisten. Nicht von ungefähr sind unser Rat und unsere Rituale in Katastrophen-Situationen nach wie vor gefragt. Aber wir dürfen uns auch nicht hinter die Kirchenmauern zurückdrängen lassen – als fromme Dreingabe, sozusagen. Wir werden auch weiterhin politisch aktiv und präsent sein. Und ich frage einmal: Wie sähe das Leben in unseren Städten, in den Dorfgemeinschaften ohne die Kirchen aus? Jesus hat vom „Salz der Erde“ gesprochen – und ja, ich glaube, ohne uns wird es fad.

Sie werden Köln nun den Rücken kehren. Haben Sie doch genug von der Stadt?

Es gibt keine Vorschrift für Pfarrer, die frühere Stelle zu verlassen. Wohl aber verlangen die Dienstpflichten, sich dem Gemeindeleben nicht als hinderlich zu erweisen. Mit solchen Fällen hatte ich wiederholt zu tun, wenn Kollegen der Versuchung nicht widerstehen konnten, sich in die Amtsgeschäfte ihres Nachfolgers einzumischen. Bei mir und meiner Frau hat der Wechsel familiäre Gründe. Mein Sohn mit Familie wohnt in Bonn, und wir konnten dort in der Nähe Eigentum erwerben. Vom Balkon aus behalte ich Köln mit den Domspitzen im Blick. Ich gehe also auf Abstand und bleibe zugleich in Sichtweite.

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