Anschlagspläne für DomVerdächtiger für Kölner Bedrohungslage hatte Kontakt zu Terror-Helfer

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24.12.2023, Köln: Wegen eines befürchteten Anschlags kontrolliert die Polizei alle Besucher des Doms. Die Messe an Heiligabend findet trotz einer Terrorwarnung statt.Foto: Uwe Weiser

Wegen eines befürchteten Anschlags kontrollierte die Polizei an Heiligabend alle Besucher des Doms.

Der festgesetzte Tadschike saß bei einer Kontrolle in einem der Polizei bekannten Auto. Später spähte er den Kölner Dom aus.

Der Hinweis auf eine Terror-Zelle aus Zentralasien in NRW erfolgte Anfang Februar 2023 durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Abhörmaßnahmen hatten auf die Spur von zwei Chatpartnern geführt, die im Auftrag der Terror-Miliz „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) so viele Ungläubige wie möglich töten wollten. Über Telegram erkundigte sich der Turkmene Ata A. mit dem Kürzel @saffah_777 bei seinem Chatpartner Abdusamad A.: „Wann führen wir hier einen Anschlag durch?“ Ob der „Scheikh“ nicht im Namen des ISPK ein terroristisches Attentat organisieren könne, wollte er wissen.

Abdusamad A., ein 29-jähriger Tadschike, der mit seiner Frau unter falscher Flüchtlingslegende in die niederländische Stadt Breda eingereist war, beruhigte seinen Mitstreiter aus Ennepetal. Er möge noch abwarten. Das Gespräch aus dem Sommer 2022 führte zu umfangreichen Ermittlungen durch das Bundeskriminalamt und die Bundesanwaltschaft. Allein der Telegram-Account Saffah ließ die Staatsschützer aufhorchen. Aus dem Arabischen übersetzt bedeutet das Wort: „Blutvergießer.“ Es sollten noch weitere fünf Monate vergehen, ehe die Ermittler zuschlugen und neun Tatverdächtige in einer großangelegten Razzia in NRW und den Niederlanden verhafteten.

Verbindungen nach Köln

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ konnte Vermerke einsehen, die eine hochaktive Terror-Gruppe dokumentieren – und Verbindungen nach Köln belegen. Im Umfeld tauchte etwa der 30-jährige Mukhammadrajab B. auf. Bei einer Fahrzeugkontrolle auf der A3 an der Raststätte Urbacher Wald wurde der Tadschike am 12. März als Beifahrer in einem Opel Zafira festgestellt. Den Wagen nutzte meist ein Helfer des ISPK. B. war im saarländischen Sankt Wendel im Haus der Steyler Missionare gemeldet.

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Wie sich nun herausstellte, soll sich der Islamist mit jenen drei Terrorverdächtigen in Wien ausgetauscht haben, die an Silvester Anschläge auf den Stephansdom, in Madrid und auf den Kölner Dom geplant haben sollen. So soll er mit einem Komplizen aus Wien auch die Sicherheitsvorkehrungen im Kölner Dom ausgespäht haben. Nach der Festnahme kurz vor Weihnachten setzte ein saarländischer Haftrichter den Verdächtigen wieder auf freien Fuß.

B. fuhr zu Freunden nach Wesel. Dort setzten ihn Spezialeinsatzkräfte fest. Ein Amtsrichter folgte dem Antrag, den 30-Jährigen über den angeblich geplanten Anschlag an Silvester hinaus ins Polizeigewahrsam zu nehmen. Denn für einen konkreten Tatverdacht reichen die Beweise derzeit nicht aus. Bisher sei auch völlig unklar, wie die Terrorakte in Wien, Madrid und Köln konkret ablaufen sollte, heißt es aus NRW-Sicherheitskreisen.

Klar ist, dass die Anschlagsgefahr laut BfV-Präsident Thomas Haldenwang so hoch ist, wie lange nicht mehr. Insbesondere der ISPK, der einflussreichste Ableger des „Islamischen Staats“, ruft seit Jahren zu Anschlägen gegen „die Kreuzritter und Juden“ auf. Dabei bedienen sich die Kommandeure vornehmlich Dschihadisten aus Zentralasien. Mit falschen Papieren oder Fluchtgeschichten reisen diese Zellen seit 2015 verstärkt nach Deutschland, um Asyl zu erbitten.

Im Mai des vergangenen Jahres verurteilte der Düsseldorfer Staatsschutzsenat eine fünfköpfige, überwiegend tadschikische Zelle zu Haftstrafen zwischen vier und neuneinhalb Jahren. Mit Drohnen planten sie Anschläge auf US-Militärbasen hierzulande. Auch wollten die Angeklagten einen Islamkritiker aus Neuss ermorden. Zudem verfügte die Gruppe über weitreichende Beziehungen zur militanten Islamistenszene in Österreich.

Der Weg nach Deutschland führte über die Ukraine

Nach dem Fehlschlag des ersten Terror-Kommandos sickerte die zweite Truppe im Februar 2022 nach Deutschland ein. Dieses Mal führte der Weg über die Ukraine und Polen. Ähnlich wie die Vorgänger erschlichen sich die Mitglieder mit erfundenen Legenden über Folter und Gefängnis einen Aufenthaltsstatus.

Dabei hatte der mutmaßliche Kopf der Gruppe, Abdusamad A., genannt Sheikh, bereits zwei Jahre zuvor mit zwei Anführern von ISPK-Unterstützerzellen das Vorgehen erörtert, um in Europa ein Blutbad anzurichten. Entsprechende Erkenntnisse lieferte der Bundesnachrichtendienst.

In der Folgezeit reiste A. in die Ukraine. Dort beteiligte er sich an den Vorbereitungen zu einem Attentat auf ein jüdisches Neujahrsfest, das zwischen dem 18. und dem 20. September 2020 in der Stadt Uman stattfinden sollte. In der Ukraine musste der Sheikh zunächst einen Hausarrest absitzen, ehe er fliehen konnte. Ein weiteres Mitglied der Gruppe soll in Syrien in einem IS-Lager einen Gefangenen enthauptet haben. Zudem bestanden Kontakte zu zwei ISPK-Mitgliedern, die wegen eines geplanten Anschlags in Straßburg verhaftet worden waren.

Niederländische Staatsschützer fanden Anleitungen zum Bombenbau

In Deutschland verhielt sich die Gruppe unauffällig. Sheikh Abdusamad A. erteilte aus Breda die Befehle. Bereits im März 2022 entdeckten die niederländischen Staatsschützer auf seinem Handy Anleitungen zum Bombenbau. Ein Jahr danach forderte er den zweiten Anführer aus Ennepetal auf, automatische Schusswaffen „für drei deutsche Brüder zu beschaffen“. Sein Gefolgsmann bekundete: „Bald wird es eine Bombe geben, so Gott will.“ Auch klickte die Gruppe Seiten an, die über den Tagesablauf strengreligiöser Juden informierten.

Überdies besuchten die Komplizen in NRW Bau- und Flohmärkte. Hier interessierten sie sich vor allem für Sanitärbedarf sowie Chemikalien für Pools und Schädlingsbekämpfungsmittel. Alles Dinge, die sich als Basisstoffe für die Herstellung von Sprengstoffsätzen eigneten.

Neben Anschlagsplänen sammelten die ISPK-Leute in NRW-Städten über Moscheevereine Spenden zum Freikauf von IS-Gefangenen in kurdischen Lagern in Syrien. Dabei soll auch ein bereits wegen Terror-Propaganda einschlägig verurteilter Hassprediger aus Herne eine wichtige Rolle spielen. „Geld für die Schwestern im Gefängnis“, lautete die Parole. Weitere Sammelstellen fanden sich in Moscheevereinen in Köln und Düsseldorf. Auch aus dem sogenannten Haus des Geldes, der Finanzverwaltung des ISPK am Hindukusch, flossen Mittel.

Abgehörte Chatnachrichten belegen ein klares Weltbild. Demnach gelten die Ungläubigen als „unrein“, die nur durch einen Märtyreranschlag in NRW vernichtet werden können. „Mein Tod soll nach Düsseldorf kommen“, erklärte ein Terrorverdächtiger via Chatnachricht seiner Frau.

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