Kritik an LindenthalWo in Köln die meisten Geflüchteten leben und wo die wenigsten

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Blick auf die Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete am Kölner Südstadion

Erstaufnahmeeinrichtung am Südstadion: In den Bezirken Rodenkirchen und Innenstadt sind viele Geflüchtete untergebracht, in Lindenthal wenige.

In Wahnheide gibt es aktuell sieben Flüchtlingsunterkünfte, in Weiden fünf, in Niehl vier – und in vielen Stadtteilen gar keine. Warum ist das so?

Wie viele Geflüchtete in den verschiedenen Kölner Stadtbezirken leben, zeigt ein aktueller Bericht des Amts für Wohnungswesen. In Rodenkirchen mit 1,46 Prozent der Bevölkerung und im Bezirk Innenstadt mit 1,49 Prozent sind Geflüchtete im städtischen Vergleich demnach deutlich überrepräsentiert, in Lindenthal macht ihr Anteil lediglich 0,58 Prozent aus.

Noch offensichtlicher wird die ungleiche Verteilung geflüchteter Menschen auf die Kölner Stadtteile, die sich auch auf der Internetseite der Stadt nachvollziehen lässt: Einer aktuellen Statistik zufolge gibt es in Wahnheide sieben Unterkünfte für geflüchtete Menschen, in Weiden fünf, in Niehl vier – in etlichen Veedeln wie Bickendorf, Braunsfeld, Lövenich, Dünnwald oder Mauenheim aber gar keine. Die meisten Flüchtlingsunterkünfte – ohne Beherbergungen wie Hotels und Pensionen mitzuzählen – gibt es aktuell im Bezirk Porz.

„Eine Standortentscheidung allein aufgrund der Verteilungsstatistik-Daten ist bei dem aktuell sehr hohen Bedarf nicht möglich, da sich die Realisierung neuer Unterkünfte vorrangig nach der konkreten Verfügbarkeit geeigneter Flächen und Gebäude richtet. Es findet daher im Einzelfall eine Abwägung hinsichtlich der Vor- und Nachteile eines Standortes statt“, sagt dazu Harald Rau, Beigeordneter für Soziales, Gesundheit und Wohnen der Stadt Köln.

Eine Standortentscheidung allein aufgrund der Verteilungsstatistik-Daten ist bei dem aktuell sehr hohen Bedarf nicht möglich
Sozialdezernent Harald Rau

In der Innenstadt seien relativ viele Geflüchtete untergebracht – ein größerer Anteil allerdings in dafür gemieteten Hotels oder Pensionen, die sonst von Touristen genutzt würden. Große Stadtbezirke wie Porz oder Chorweiler mit mehr freien Flächen als ein kleiner Bezirk komme eher für die Aufstellung von Wohncontainern in Frage. Auch die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und an soziale Infrastruktur sei ein mitentscheidendes Kriterium.

Köln: 128 Unterkünfte und 42 Beherbergungsbetriebe für Geflüchtete

Insgesamt gibt es in Köln derzeit 128 Unterkünfte für geflüchtete Menschen in mobilen Containern, Häusern, Systembauten oder Leichtbauhallen und 42 so genannte Beherbergungsbetriebe – in der Regel sind das Hotels oder Pensionen. Die meisten Unterkünfte werden für Familien zur Verfügung gestellt, in neun Heimen leben nur Männer, in zweien nur Frauen, eine Unterkunft ist jeweils ukrainischen Familien, jüdischen Familien aus der Ukraine und LGBTQ-Personen vorbehalten.

Die Einschätzung, dass sich die Verwaltung um eine gleichmäßige Verteilung der Menschen auf die Stadtbezirke bemühe, dies „in der Realität aber nicht immer möglich“ sei, wie Sozialdezernent Rau jüngst äußerte, wird nicht kritiklos hingenommen.

Lindenthal täte gut daran, größere Anstrengungen zu unternehmen, um mehr geflüchtete Menschen aufzunehmen
Andreas Hupke (Grüne), Bezirksbürgermeister Innenstadt

„Lindenthal täte gut daran, größere Anstrengungen zu unternehmen, um mehr geflüchtete Menschen aufzunehmen“, sagt etwa Andreas Hupke (Grüne), Bezirksbürgermeister für die Innenstadt. Für das Image des wohlhabenden Bezirks sei das „nicht unbedingt förderlich“. Den Verweis der Verwaltung auf schwer zu findende Flächen und Immobilien in Lindenthal hält Hupke für unzureichend: „Das ist flächenmäßig ein großer Bezirk, für den mir sofort etliche Flächen und Parkplätze einfielen, die geeignet wären.“

„Es ist bedauerlich, dass es im Bezirk Lindenthal Viertel wie Braunsfeld oder Lövenich ganz ohne Unterkünfte für Geflüchtete gibt“, sagt Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats. Es gehe auch um das Bild, das der wohlhabende Bezirk nach außen abgebe: „Es wäre gut, wenn Lindenthal sich offensiv und für alle sichtbar bemühen würde, mehr Menschen aufzunehmen.“

Lindenthaler Bezirksbürgermeisterin möchte mehr Menschen unterbringen

Cornelia Weitekamp (Die Grünen), Bezirksbürgermeisterin von Lindenthal, teilt die Ansicht, dass ihr Bezirk Verantwortung übernehmen sollte. „Als sozial relativ gut situierter Stadtbezirk sollten wir in Lindenthal durchaus einen größeren Anteil der Unterbringung übernehmen“, sagt sie. „Es ist allerdings zuerst Aufgabe der Stadtverwaltung, geeignete Standorte stadtweit und möglichst gleichmäßig zu definieren und in Anspruch zu nehmen.“

Tatsächlich seien in einigen Vierteln in Lindenthal „kaum Flächen zu finden, auf denen insbesondere mobile Wohneinheiten aufgestellt werden können“. Geeignete Flächen gebe es vor allem in Marsdorf und Weiden. „In Weiden gibt es ohnehin bereits soziale Probleme, so dass ich die schwerpunktmäßige Unterbringung von Geflüchteten dort kritisch sehe.“

Im Stadtbezirk Lindenthal seien momentan 660 Geflüchtete untergebracht, teilt dazu die Stadt Köln mit. An der Potsdamer Straße entstehe eine neue Unterkunft – der Stadtbezirk werde also durchaus bei der Verteilung der Geflüchteten berücksichtigt.

Für uns ist die Situation noch stimmig, ich erlebe deutlich weniger Widerstand gegen Einrichtungen als noch 2015 und 2016 nach Angela Merkels ‚Wir-schaffen-das-Satz‘
Manfred Giesen (Die Grünen), Bezirksbürgermeister von Rodenkirchen

Dass in Rodenkirchen verhältnismäßig viele Flüchtlinge leben, habe ihn beim Lesen des aktuellen Berichts überrascht, sagt Manfred Giesen (Die Grünen), Bezirksbürgermeister von Rodenkirchen. „Für uns ist die Situation noch stimmig, ich erlebe deutlich weniger Widerstand gegen Einrichtungen als noch 2015 und 2016 nach Angela Merkels ‚Wir-schaffen-das-Satz‘.“ Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern gebe es vor allem in der Nähe von Unterkünften, in denen „viele Menschen ohne Perspektive lebten“, so Giesen. „Hier ist die Stadtverwaltung in der Pflicht, sich noch mehr um die Menschen zu kümmern – und zu verhindern, dass sie über sehr lange Zeit in den Unterkünften leben müssen.“

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