Warum die Deutsche Bahn selbst die gutwilligsten unter ihren Kunden noch verprellt.
Erneute SperrungBahn-Chaos in Köln – Wollt ihr uns für blöd verkaufen?


Fernzüge der Deutschen Bahn verlassen den Kölner Hauptbahnhof über die Hohenzollernbrücke. Die Deutsche Bahn sucht nach den folgenschweren Software-Problemen nach einem Termin für die nötige zweite Sperrung des Bahnhofs. Foto: dpa
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Noch gibt es keine Statistik darüber, wie viele der 14 Millionen Nutzer des Deutschlandtickets, die täglich mit Verspätungen, Zugausfällen und Schienenersatzverkehr zu kämpfen haben, den Preis für diese Zumutungen nur noch als Schmerzensgeld empfinden. Als gerade noch erträglichen Preis für erbrachte Nicht-Leistungen im Regionalverkehr, für die vor der Einführung des D-Tickets im Mai 2023 von den Verkehrsverbünden völlig überzogene und zum Teil dreistellige Summen abkassiert wurden.
Auch Erkenntnisse darüber, wann den Besitzern der Bahncard 50 oder 100 endlich der Kragen platzt und sie genug haben von den immer gleichen Ausflüchten, warum ausgerechnet ihr Zug zum Verspätungsopfer eines Personalausfalls, einer Großbaustelle, der Verspätung eines vorausfahrenden Zugs oder dessen verspäteter Bereitstellung geworden ist, liegen nicht vor.
Liebe zur Bahn ist erschöpft
Wirft man einen Blick in den Großraum Köln und konzentriert sich dabei ausschließlich auf die Baustellen, die für die kommenden Jahre angekündigt sind, kann man die neue und hoch engagierte Bahnchefin Evelyn Palla nur warnen.
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Die Grenze der Leidensfähigkeit ist erreicht, die Liebe zur Bahn erschöpft, das Umweltbewusstsein erlahmt und die mitleidigen Blicke der Mitmenschen, die einen wahlweise für verrückt oder unbelehrbar halten, wenn man das D-Ticket auch noch verteidigt, schmerzen.
Und warum? Weil die Bräsigkeit, mit der die Bahn ihr Missmanagement zu verteidigen versucht, unverschämt ist.
Wollt ihr uns für blöd verkaufen?
Zehntausende Opfer eines Software-Fehlers in einem neuen Stellwerk am Kölner Hauptbahnhof, das in Wahrheit in Teilen schon seit vier Jahren in Betrieb ist, damit zu vertrösten, trotz dieses Super-Gaus werde man im ersten Sperrteil „wichtige Arbeiten“ an Oberleitungen und Bahnsteigverlängerungen ausführen, lässt nur eine Frage zu: Wollt ihr uns für blöd verkaufen?
Offensichtlich schon. Weil der Bahnkunde jetzt schon sicher sein kann, dass das Jahr 2026 mit mehr als 40 Großbaustellen im Rheinland, deren Zahl sich schneller verändert als Ersatzfahrpläne geschrieben werden können, im gleichen Chaos enden wird.
Gesprochene Versprechen
Das Versprechen, mehr und schnellere Verbindungen zwischen Köln und Berlin zu schaffen, ist beim Blick auf die Baustellen-Übersicht längst gebrochen. Der berühmte Sprinter ist anscheinend so schnell unterwegs, dass man ihn nur noch selten zu Gesicht bekommt.
Den Regierungssitz bis zum Abschluss aller Generalsanierungen vorübergehend zurück nach Bonn verlegen, mag für Rheinländer einen gewissen Charme haben, macht aber keinen Sinn, weil niemand genau sagen kann, wann es wieder zuverlässige Direktverbindungen zwischen Köln und Bonn mit Ausnahme der KVB-Linien 16 und 18 geben wird. Die Prognosen gehen vom zweiten Quartal 2030 aus.
Bahn muss Kunden schleunigst Wertschätzung entgegenbringen
Bis dahin dürfte das D-Ticket rund 80 Euro kosten und in der Bahncard 50 eine kostenlose warme Mahlzeit ab einer Verspätung von mehr als zwei Stunden enthalten sein. Aber nur bei freiwilliger Inanspruchnahme des Schienenersatzverkehrs.
Nein. Wenn die Bahn sich nicht schleunigst darum bemüht, ihren Kunden endlich mehr Wertschätzung entgegenzubringen anstatt jede Verspätung und jeden Zugausfall wahlweise auf die marode Infrastruktur, auf den unter Ex-Bahnchef Mehdorn gescheiterten Börsengang oder den politischen Zickzack-Kurs ihres Eigentümers schieben, der immer auch mal Eisenbahn spielen wollte, wird das nichts mehr mit uns, den Kunden. Früher durften sich die Züge auf mit Herbstlaub verschmutzten Schienen durchrutschen und sich verspäten. Davon haben wir lange nichts mehr gehört. Was für ein Fortschritt.

