„Hören schreckliche Geschichten“Demonstranten in Köln fordern Aufnahme von Afghanen

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Demonstrierende auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz.

Köln – Nach der Machtergreifung der Taliban im Sommer ist es in Deutschland still um das Land am Hindukusch geworden. Menschenrechtsverletzungen seien aber immer noch an der Tagesordnung, sagt Bele Grau von Afghanistan Not Safe Köln/Bonn. „Wir hören schreckliche Geschichten.“

Etwa 70 Vertreter von 16 Vereinen und Initiativen, darunter der Kölner Flüchtlingsrat, Kein Mensch ist illegal, Diakonie und Seebrücke, demonstrierten am Montagabend dafür, dass Bund und Länder Aufnahmeprogramme für Ortskräfte, Menschrechtsaktivisten und Journalisten beschließen sollen. Zudem solle der Familiennachzug ausgeweitet werden und ein Abschiebestopp für Afghanen und Afghaninnen in Deutschland beschlossen werden. Der Protest, der vom Bahnhofsvorplatz über den Eigelstein zum Ebertplatz führte, fand im Vorfeld der Innenministerkonferenz statt, die vom 1. bis 3. Dezember in Stuttgart tagt.

Unabhängige Berichterstattung in Afghanistan nicht mehr möglich

Die Lage für Ortskräfte und Aktivisten sei nach wie vor kritisch, so Grau. Ihr Verein erhalte täglich Anfragen von Menschen, die es nicht rechtzeitig aus dem Land geschafft haben. Aktivisten und Aktivistinnen schliefen oft täglich an anderen Orten, um nicht von den Taliban aufgespürt zu werden. Frauen dürften entweder nicht oder nur im Beisein ihres Mannes zur Arbeit gehen, Mädchen meist nicht in die Schule. Die Taliban-Spitze habe sich noch nicht klar geäußert, wie sie es mit den Menschenrechten halte. Auf lokaler Ebenen gebe es aber zahlreiche Verstöße.

Hassan Fekrat vom Forum afghanischer Migranten berichtete, dass die wirtschaftliche Lage vieler Menschen in Afghanistan katastrophal sei. Es gebe  Menschen, die ihre Kinder verkaufen würden, um an Essen zu kommen. Die Taliban würden Berichte von Journalisten abzeichnen, eine unabhängige Berichterstattung sei nicht mehr möglich. Journalisten lebten in ständiger Angst, würden verprügelt oder ihnen werde gedroht, sie hinrichten zu lassen. Moschda Ebrahimi von der Diakonie Köln und Region berichtete von Zwangsverheiratungen von Frauen.

Leistungen für Asylbewerber sollen steigen

Die Initiativen fordern auch, dass beim Familiennachzug nachgebessert werde. Derzeit dürfe nur die engste Kernfamilie nachgeholt werden, etwa Kinder und Ehepartner, Eltern dagegen nicht. Außerdem müssten die Geflüchteten nachweisen, dass sie sich selbst unterhalten können, über Wohnraum und Sprachkenntnisse verfügen. „Für jemanden, der gerade geflüchtet ist, ist das so schnell kaum möglich“, sagt Grau.

Auch beim Asylbewerberleistungsgesetz soll nachgebessert werden. Kritisiert wird, dass die Leistungen für Geflüchtete unter den Sätzen für Hartz-IV-Empfänger liegen und der Zugang zum Krankensystem eingeschränkt ist. Bezahlt werde nur, was unbedingt notwendig ist, erläutert Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats. „Mit den Regelsätzen kann man sich nicht integrieren.“ Marianne Arndt von der AG Bleiben erzählt von einem Fall, bei dem mühsam nachgewiesen werden musste, welche Behandlung bei einem Nierentumor unbedingt notwendig sei.

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Schluss mit den Sammelunterkünften

Schluss soll auch mit den Sammelunterkünften sein. Prölß bewertet positiv, dass im neuen Koalitionsvertrag das Aus für die Ankerzentren verkündet wurde. Allerdings gebe es etwa in NRW mit den Erstaufnahmeeinrichtungen Sammelunterkünfte für Geflüchtete, in denen Menschen Monate und Jahre lebten. „Die Lage dort ist nicht gut, insbesondere für Familien mit Kindern“, sagt Prölß. „Wir wollen dezentrale Unterkünfte.“

Der Kölner Stadtrat hatte Anfang des Jahres beschlossen, dass Flüchtlinge in den kommenden Jahren in  separaten Unterkünften untergebracht werden sollen. Für die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes würde der Beschluss aber nicht gelten. 

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