Baustellen-TourismusBaggerfahrer – die neuen Superstars in der Corona-Krise

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Derzeit wird auf vielen Straßen in Köln gearbeitet. 

  • In Zeiten, wo Kindergärten und Spielplätze geschlossen sind, werden plötzlich möglichst spektakuläre Baustellen-Fahrzeuge in Eltern-Whats-App-Gruppen hoch gehandelt.
  • Baggerfahrer mögen nicht auf der Liste der systemrelevanten Berufe stehen – für unsere Autorin sind sie trotzdem die neuen Superstars der Corona-Krise. Eine Würdigung mit nur kleinem Augenzwinkern.

Bauern, Ärztinnen, Altenpfleger – klar, dass diese Jobs auf der Liste mit den systemrelevanten Berufen stehen. Aber für mich ist der wichtigste Beruf gerade mit Abstand: Baggerfahrer.

Jeden Morgen, wenn meine Jungs wieder mal dabei sind, die Wohnung zu verwüsten, rufe ich: „Los, wir gehen raus – Bagger gucken!“ Das zieht. Anders als so schlappe Floskeln wie „frische Luft schnappen“.

In vielen Kölner Familien scheint der morgendliche Schlachtruf derselbe zu sein. Denn an den Baustellen der Stadt herrscht Hochbetrieb. Kinderwagen, Roller, Fahrradanhänger und jede Menge Eltern mit Kleinkindern, die offenbar genauso gelangweilt sind wie wir. Man muss tatsächlich manchmal aufpassen, dass man den derzeit gültigen Mindestabstand einhält.

Kein Wunder – denn wo sonst die Kita den Tag strukturierte, herrscht jetzt: gähnende Leere. Spielplatz, Freunde treffen, schwimmen gehen, alles gestrichen. Es bleibt uns nur die Baustelle. Wie bei einem Freiluft-Theaterstück sichern sich alle die Plätze mit dem bestem Bagger-Blick vorm Bauzaun. Sand in die Schaufel, Schaufel hoch, Sand in den Lkw, Sand in die Schaufel … Das hat fast etwas Meditatives. Und das allerbeste: Es wirkt auch bei Kindern. Die Hand mit der Reiswaffel verharrt bei dem Anderthalbjährigen auf halbem Weg zum Mund, er fixiert den Bagger: Sand in die Schaufel, Schaufel hoch …

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Es ist einer der wenigen Momente am Tag, an denen ich mal kurz durchatmen kann. Oder heimlich meine Arbeits-Mails checken. Würde jemand von der Baustelle mit einem Hut rumgehen – ich würde sofort einen großen Schein reinwerfen. Wenn der Baggerfahrer den Kindern dann auch noch zuwinkt, kennt die Begeisterung keine Grenzen. Tipps für spektakuläre Fahrzeuge werden in WhatsApp-Gruppen heiß gehandelt: „Baumfällarbeiten am Neusser Wall. Der Vormittag ist gerettet!“

Den Sonntagnachmittag haben die Kinder mit offenem Mund vor einem Sprenger verbracht, der ein Feld bewässert. Als sich das Licht in den Wassertropfen zu einem Regenbogen brach, jubelten sie, als ob es gerade Kamelle regnete.

Ich stelle mir vor, um meinen Arbeitsplatz im Homeoffice würde sich eine begeisterte Menge scharen, die jedes Wort, das ich schreibe, abfeiert. Und ich frage mich, was wohl die Arbeiter von diesem Baustellen-Tourismus halten. Sind sie stolz? Sind sie genervt?

Der Anderthalbjährige lernt gerade sprechen. Vor ein paar Wochen sagte er öfter mal „Banane“, doch das hat er eingestellt. Das einzige Wort, das er im Moment sagt ist: „Bagger“.

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