Innenstadt – Da hat sich im hippen, kreativen Belgischen Viertel doch tatsächlich eine Marktlücke aufgetan: „Hier fehlt ein Fischgeschäft“, sagt Alfred Biolek, einer der prominenten Bewohner des Veedels. Deutschlands wohl bekanntester Gourmet und dienstältester Fernseh-Koch muss zum Fisch-Kauf zu Karstadt in der Breite Straße ausweichen. „Da bekomme ich auch Thunfisch in Sushi-Qualität.“ Den braucht er für die Spaghetti, die er besonders mag: „Den Fisch schneide ich in Würfel und gebe eingelegte Kapern darüber. Durch die heißen Spaghetti unter den Würfeln wird der Fisch von außen gegart und bleibt innen roh“, verrät der 78-Jährige, der auch „Bio“ genannt wird.
Die Stadt und die Baustellen
Vor eineinhalb Jahren ist der Ex-Talkmaster vom Prenzlauer Berg in Berlin zurück nach Köln gezogen. Bei einem Besuch in der alten Heimat am Rhein hatte er sich die Schulter gebrochen. „Nach dem Treppensturz war ich zur Reha in der Merheimer Klinik und hatte viel Zeit zum Nachdenken“, sagt Biolek. „Ich wollte nicht mehr diese großen Gesellschaften geben, wo ich in Berlin für 30 Personen gekocht habe und wo bei mir auch Hauskonzerte stattfanden.“ Viel Prominenz war an solchen Abenden zu Gast, beispielsweise Regisseur Wim Wenders, Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, Schauspielerin Iris Berben und Tote-Hosen-Sänger Campino.
Der studierte Jurist Biolek erinnerte sich in der Reha an das „Stufen-Gedicht“ von Hermann Hesse, in dem es um Lebensabschnitte geht. „Ich wollte sprichwörtlich eine neue Stufe nehmen und wieder zurück nach Köln ziehen.“ Durch Zufall entdeckte Biolek seine jetzige Wohnung im Belgischen Viertel im Internet. Das Angebot gefiel, er nahm die Wohnung. Dort lebt er unter einem Decknamen auf seinem Klingelschild – eine Vorsichtsmaßnahme, nachdem er in den 70er Jahren einen Erpresserbrief erhalten hatte. Deshalb entschloss er sich damals, an der Tür einen anderen Namen anzubringen. „Mein Deckname ist an eine kleine griechische Insel angelehnt. Weil mein ehemaliger Vermieter ein alter Nazi war und Angst hatte, man könne denken, es wohnten Ausländer in seinem Haus, musste ich ihn lateinisch abwandeln.“ Dieses Pseudonym hat er bis heute beibehalten.
Nach zehn Jahren in der Hauptstadt liegen die Vorteile Kölns für Biolek auf der Hand. Hier hat er noch alte Kontakte, wird häufig eingeladen. Nicht zu vergessen die vielen Baustellen. „Europaweit würde Köln damit den ersten Platz belegen“, scherzt Biolek. Zudem sei Köln großstädtischer geworden und habe trotzdem eine angenehme Größe. „In Köln ist alles leichter zu erreichen. In Berlin hingegen fährt man lange Strecken, um von A nach B zu gelangen.“ An seinem Viertel gefällt ihm auch besonders die gute Lage. „Innerhalb von 15 Minuten bin ich im Zentrum.“ Auch sonst weiß er sein Veedel zu schätzen: „In den vergangenen Jahren ist es lebendiger geworden, viele Cafés sind hinzugekommen. Da kann man schön beobachten, wie Leute flanieren.“ In der Gegend um den Stadtgarten ist es für ihn ruhig. „Am Brüsseler Platz wird’s lauter und hektischer. Da möchte ich nicht wohnen.“ Umso lieber geht er im Stadtgarten spazieren. Nachmittags sitzen dort vor allem Mütter mit ihren Babys auf Decken und unterhalten sich. Bioleks Neugierde weckt eine Mini-Bibliothek am Rande des Parks. „Ich schaue immer wieder von außen, was es drinnen gibt. Aber ich bin noch nie reingegangen.“
Natürlich spielt das Essen eine wichtige Rolle in Bioleks Leben, hat er doch jahrelang in der Sendung „Alfredissimo“ mit Prominenten gekocht und geplaudert. Gern geht er ins Restaurant „Acht“ in der Spichernstraße. Die Wände in dem Gebäude, das zu den ehemaligen Spichernhöfen gehört, sind unverputzt belassen worden, so wie 1949 erbaut. Biolek lobt das Restaurant, das französische Landküche und belgische Spezialitäten bietet. „Sehr gute und einfache Gerichte ohne viel Aufwand“, sagt Biolek, der auf einem alten Stuhl im Restaurant sitzt und einen Schluck vom Riesling nimmt. Freunden stellt er das Lokal hin und wieder vor. „Die sind alle so begeistert wie ich.“
Trotz der Besuche im Restaurant kocht Biolek für sich fast jeden Tag. Manchmal lädt er auch Freunde zu sich ein – maximal drei. Vorbei also die Zeiten, in denen er Gastgeber für Dutzende war. „Die Rezepte schlage ich immer wieder nach. Ich bin ja kein richtiger Koch, sondern Amateur.“ Bevor er loslegt, guckt er zu Hause noch mal nach, ob er auch wirklich alle Zutaten hat. Wenn nicht, besorgt er sich die zum Beispiel im Bioladen „Hulc“, gleich neben dem Restaurant „Acht“.
Freundlich und zurückhaltend
In dem kleinen Geschäft kennt man ihn. Weinbergpfirsiche stehen bei ihm hoch im Kurs. „Ich heiße Bio und mag bio.“ Ob die Zuschauer von „Alfredissimo“ – nach wie vor in Wiederholungen zu sehen – die darin gezeigten Gerichte nachkochen? „Das kann ich nicht beurteilen. Ich bin ja nicht da, wenn die Sendungen angeschaut werden.“
Manchmal wird er auf der Straße angesprochen. „Die Leute hier sind freundlich und zurückhaltend. Aber ich war ja auch nicht anders zu meinen Gästen im Fernsehen.“ Seine eigenen Sendungen hat er sich übrigens nie angesehen. Viele stammen aus der Zeit, in der sich sein Produktionsbüro in der Goebenstraße befand, die nicht weit entfernt ist.
Von Anfang der 90er Jahre bis 2010 wurden dort Formate wie „Boulevard Bio“, „Mitternachtsspitzen“ und Krimis wie „Unter Verdacht“ entwickelt. „Ich fand es immer reizvoller, selbst Fernsehen zu machen, als zu schauen“, sagt Biolek. Auch heute noch schaltet er den Kasten nur selten an.
Gern hat Biolek Kontakt zu Kreativen – vor allem über die Kunstagentin Anne Scherer. Die Kuratorin des vergangenen Festivals des Kölner Kunstvereins Artrmx hat sich in ihrer Galerie in der Maastrichter Straße auf Street-Art spezialisiert. Sie möchte zum Beispiel Malern und Musikern eine gemeinsame Plattform bieten. Biolek besuchte dort jüngst eine Ausstellung von John Palatinus. Der New Yorker Fotograf hatte in den 50er Jahren nackte Männer abgelichtet. Im Jahr 1959 durchsuchte die Polizei sein Atelier und beschlagnahmte Tausende Bilder, Zeichnungen und Negative. Neben Palatinus selbst war auch der Kabarettist Holger Edmaier zur Kölner Ausstellung gekommen, der dem Künstler ein Loblied sang. Alfred Bioleks Umzug ins Belgische Viertel hat sich gelohnt: Hier hat er Kulinarisches, Kultur und Kreative in einem kleinen Umkreis.