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Cold Case Seckin Caglar von 1991Kölner Polizei bittet 355 Männer zum Speicheltest

Lesezeit 3 Minuten
Bestatter tragen die Leiche von Seckin Caglar in einem Leichensack weg.

Bestatter tragen die Leiche von Seckin Caglar weg.

Am 16. Oktober 1991 wird Seckin Caglar in Köln-Poll sexuell missbraucht und getötet. Wer nahe dem Tatort wohnte, erhält jetzt Post von der Polizei.

Fast 32 Jahre nach dem ungeklärten Mord an der 16-jährigen Seckin Caglar in Köln-Poll startet die Polizei eine DNA-Reihenuntersuchung bei zunächst 355 Männern. Am 18. und am 26. März bittet die Mordkommission sie zum freiwilligen Speicheltest in der Janusz-Korczak-Schule.

Alle 355 Männer haben 1991 in Poll in der Nähe des Tatorts gewohnt oder gearbeitet oder aus anderen Gründen dort verkehrt. Mit weiteren Aktionen will die Polizei in den kommenden Tagen die Bevölkerung um Unterstützung in dem Fall bitten.

Kölner Cold Case Seckin Caglar: Vater wartet vergebens an KVB-Haltestelle

Kölns Polizeipräsident Falk Schnabel sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, Aufgeben sei „keine Option“. „Auch wenn Kapitalverbrechen lange zurückliegen, lohnt es sich jeden noch so kleinen Hinweis zu prüfen oder neue Techniken auszuschöpfen. Gerade die Angehörigen haben ein Recht darauf, mit den belastenden Ereignissen abschließen zu können.“ Das Kölner Amtsgericht hatte mit einem Beschluss die Grundlage für den Massengentest erlassen.

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Die beiden Termine der Speicheltests finden jeweils ab 10 Uhr statt, teilte die Polizei mit. Die 355 Männer, die nun Post von der Polizei bekommen, warum zum Tatzeitpunkt zwischen 14 und 75 Jahren alt. „Mit Hilfe neuer wissenschaftlicher Methoden wird die DNA heutzutage so gut analysiert, dass neben dem Spurenverursacher auch mit ihm verwandte Personen erkannt werden können,“ sagt Markus Weber, Leiter der eigens gegründeten „Ermittlungsgruppe Cold Cases“ der Kölner Polizei.

Kölner Polizei will den Fahndungsdruck auf den Mörder im Fall Seckin Caglar erhöhen

In den kommenden Tagen und Wochen will die Polizei den Fahndungsdruck auf den Mörder weiter erhöhen, unter anderem mit Aufrufen und Informationen auf einer eigenen Internetseite, in sozialen Netzwerken und mit Kampagnen auf Plakaten. Unter anderem sollen in KVB-Bahnen der Linie 7 Flyer aufgehängt werden. Damit wolle man nicht nur Kölnerinnen und Kölner, sondern auch Pendlerinnen und Pendler erreichen, teilte die Polizei mit.

Seckin Caglar hatte als Auszubildende in einem Supermarkt in Poll gearbeitet und machte sich am 16. Oktober 1991 gegen 18.40 Uhr von der dortigen Station an der Haltestelle „ Salmstaße“ mit der KVB-Linie 7 auf den Heimweg. Nur zwei Minuten später verließ sie die Bahn an der damaligen Station „Poll-Autobahn“, wo sie üblicherweise ein Familienmitglied abholte. An diesem Abend aber verpasste Seckins Vater seine Tochter um wenige Minuten und wartete vergebens.

Erst am nächsten Morgen fand man wenige Meter von dem Ort, wo sie die Bahn verlassen hatte, Seckins Leiche hinter einem Gebüsch. Seckin wurde sexuell missbraucht und erdrosselt.

196 ungelöste Kapitalverbrechen in Köln

Der Mord an Caglar ist eines von 196 ungelösten Kapitalverbrechen in Köln seit 1970. Mit der Cold-Case-Einheit prüft die Kripo seit vorigem Jahr neue Ermittlungsansätze und rollt zahlreiche Fälle wieder auf. Zwei konnten schon geklärt werden: der Mord an Petra Nohl an Karneval 1988 sowie ein versuchter Raubmord in Ehrenfeld 1987.

In einer aufwändig recherchierten Serie stellt der „Kölner Stadt-Anzeiger“ ungelöste Tötungsdelikte aus Köln seit 1989 vor. Nicht nur Ermittler und Wissenschaftler kommen in den Reportagen zu Wort, sondern vor allem Hinterbliebene der Opfer. Die meisten berichten erstmals öffentlich, wie sie teils seit Jahrzehnten mit ihrer Trauer und der Ungewissheit umgehen, dass die Mörder – sofern sie noch leben – bis heute frei herumlaufen.

Serie Cold Cases

An diesen alten Fällen arbeitet die Kölner Polizei

In einem ausführlichen Gespräch zum Fall Seckin Caglar beziffert ihr acht Jahre jüngerer Bruder Basri die Chancen, dass der Mord noch geklärt wird, auf 40 Prozent, er sagt: „Gruselig ist die Vorstellung, dass es vielleicht einer war, den ich kenne. Einer, der vielleicht sogar mal bei uns zu Hause war.“

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