„Zumutung für die Einrichtungen“Besuche treffen Kölner Pflegeheime unvorbereitet

Lesezeit 4 Minuten
5F9EEE003B76F222

Symbolbild

Köln – „Ausgerechnet an Muttertag, das ist wirklich ein ungünstiger Starttermin.“ Der Stoßseufzer von Gabriele Patzke, Geschäftsführerin der Sozialbetriebe Köln (SBK) bringt die Stimmungslage in den Seniorenzentren auf den Punkt.

Dass die Bewohner der Pflegeheime – nach achtwöchiger Kontaktsperre – endlich wieder Besuch empfangen dürfen, wird von ihnen ausdrücklich begrüßt. „Wir haben ja täglich gesehen, wie unsere Senioren unter der Isolation gelitten haben“, so Patzke. Aber dass dies nun schon ab Sonntag und noch dazu an einem so symbolträchtigen Tag wie Muttertag gilt, bringe die Heime in die Bredouille.

„Zumutung für die Einrichtungen“

Von einer „Zumutung für die Einrichtungen“ angesichts der Kurzfristigkeit der Ankündigung spricht Caritas-Chef Peter Krücker. Auch er betont, wie wichtig es sei, dass Besuche wieder stattfinden können, hätte sich aber mehr Vorlaufzeit gewünscht. „Was uns so ärgert ist, dass Gesundheitsminister Laumann mit der Wahl des Muttertags einen Besucherandrang geradezu provoziert und zudem in seiner Ankündigung den Eindruck erweckt hat, dass nun alle gleichzeitig kommen können.“ Ausbaden müssten das die Mitarbeiter, die nun unter Umständen Angehörigen wegschicken müssen.

Wie groß die Empörung der Pflegekräfte ist, zeigt eine Fotoaktion, die das Caritas-Altenzentrum St. Maternus auf seiner Facebook-Seite gestartet hat. Mit Schildern machen dort Mitarbeiter ihrem Ärger Luft. „Wir haben alle dazu beigetragen, dass wir kein Corona haben. Und jetzt riskieren wir das Gegenteil!!!“, heißt es dort oder: „Jede Gefahrenquelle mehr kann Menschenleben kosten“ und „Danke für diese unüberlegte Entscheidung.“ Niemand sei gegen Besuche, sagt Ulrich Schwarz vom Leitungsteam des Rodenkirchener Heims. „Aber alle haben Angst. Das Maternus-Seniorencentrum, wo 24 Bewohner mit Covid-19 gestorben sind, ist nur ein Kilometer entfernt.“

Hygienekonzepte entwickelt

Trotz des Unmuts haben die Heimbetreiber – mit Ausnahme des Arbeiter-Samariter-Bundes – in den letzten Tage Hygienekonzepte entwickelt, um Besuche in eingeschränktem Umfang zu ermöglichen. So müssen Angehörige zuvor einen Termin vereinbaren. Die Besuchszeiten werden beschränkt, bei der Caritas etwa auf maximal zwei Stunden, in den Riehler Heimstätten auf eine halbe Stunde. Möglich sind Besuche von bis zu zwei Personen, Bettlägerige können von höchstens einer Person direkt auf ihrem Zimmer besucht werden, vorausgesetzt, das Heim kann die Hygienestandards gewährleisten. Alle Besuche müssen dokumentiert , jeder Angehörige zu seiner Gesundheit befragt werden. Heime mit Covid-19-Erkrankten oder Verdachtsfällen bleiben geschlossen.

Pro Haus mit in der Regel 80 Pflegeplätzen werden zwei bis fünf Besucherareale eingerichtet. Dies können Pavillons im Außenbereich sein oder Räume im Eingangsbereich, die von außen und innen betreten werden können, wie bei den SBK. In den Caritas-Heimen werden vor allem Bereiche in den Cafeterien abgegrenzt. „Wir müssen deshalb alle Besucher mit Schutzkitteln ausstatten, von denen wir selbst zu wenige haben“, sagt Krücker. Hinzu kämen aufwendige bauliche Veränderungen. Das Argument, die Heime hätten sich schon länger auf die absehbaren Lockerungen einstellen können, lässt Krücker nicht gelten. „Man kann sich erst vorbereiten, wenn die Regeln bekannt sind. Und die wurden erst vor vier Tagen verkündet.“

Kölner Pflegeheime: Schutz des Lebens aufs Spiel gesetzt?

Der Arbeiter-Samariter-Bund hat daraus die Konsequenz gezogen. Die beiden ASB-Heime in Mülheim und Zollstock bleiben vorerst geschlossen.

In einem Schreiben, das der ASB am Dienstag an alle Angehörigen verschickte, heißt es: „Wir möchten nicht verschweigen, dass wir eine Öffnung der stationären Pflegeeinrichtungen zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht halten. Zu tief sitzt noch der Schock, dass es auch in Köln Senioreneinrichtungen gibt, die viele Tote zu beklagen haben.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Man wolle „das Erreichte, den Schutz des Lebens der uns anvertrauten Menschen, jetzt nicht leichtfertig durch vorschnelle Lockerungen auf das Spiel setzen“. In etwa zwei Wochen, so ASB-Geschäftsführer Peter Stegmaier, werde man Lösungen präsentieren.

Die anderen Heime erwarten für den Muttertag einen Besucheransturm: „Es werden sicher viele ohne Termin kommen“, glaubt Krücker. Und SBK-Leiterin Patzke appelliert an die Angehörigen: „Kommen Sie bitte nicht gleich am ersten Tag. Ab jetzt ist ja jeder Tag ein Besuchstag.“

KStA abonnieren