Corona-Nachrufe„Elke hat auf mich gewartet mit dem Sterben"

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Elke Schebesta (links) wurde 77 Jahre alt. Gisela Steubesand trauert um ihre Lebensgefährtin.

  • 80.000 Menschen sind in Deutschland an Covid19 gestorben. Mehr als 600 von ihnen allein in Köln.
  • Hinter den Zahlen und Statistiken stehen Menschen, die Lücken gerissen haben in ihren Familien und Trauernde, die bis heute quält, dass ihre Liebsten einsam sterben mussten.
  • Wir geben einigen von ihnen stellvertretend ein Gesicht und erzählen ihre Geschichte.

Köln – Wie sehr haben Gisela Steubesand und Elke Schebesta aufgepasst. „Ich gehörte zu denen, die als übervorsichtig belächelt wurden“, sagt Steubesand. Konsequentes Masketragen reichte ihr nicht. „Ich bin zum Einkaufen mit Schutzhandschuhen gegangen.“ Unter allen Umständen wollte sie das Virus fernhalten. Sie hatte Angst, weil sie beide wussten, dass Elke durch ihre Autoimmunerkrankung ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf trug. Dass es dann trotzdem passierte, muss ein kleiner Moment gewesen sein. Eine ganz kurze Unachtsamkeit. Ein Weihnachtswunsch unter Bekannten, vermutet sie. Ein paar Minuten. „Wer weiß das schon, was es letztlich war. Uns hat das jedenfalls eiskalt erwischt.“ So kalt, dass sie bis heute nicht wirklich begriffen habe, dass es wirklich passiert ist.

Künstliches Koma

Ein paar Tage nach Heiligabend fühlte sich Elke Schebesta (77) plötzlich fiebrig und schlapp. Ein positiver Schnelltest brachte ans Licht, was sie beide am meisten gefürchtet haben. An Silvester musste sie vom Notarzt abgeholt werden, weil der Zustand sich dramatisch verschlechterte. Gisela – inzwischen selbst auch mit Corona angesteckt - blieb alleine zurück.

Während sie in Quarantäne verharrte, kämpfte Elke inzwischen beatmet im künstlichen Koma auf der Intensivstation um ihr Leben, ohne dass jemand zu ihr konnte. „Elke war eine ganz starke Frau. Immer geradeaus. Ein wunderbarer Mensch. Die hat immer gekämpft. Nicht erst mit Corona.“ Elf Jahren waren die beiden Frauen offiziell verpartnert. Ihr Leben geteilt haben sie schon viel länger: fast vier Jahrzehnte.

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Elke Schebesta wurde 77 Jahre alt.

Eine Patchworkfamilie wie sie damals in den 80ern selbst in Köln noch eine Ausnahmeerscheinung war: sie die Alleinerziehende mit dem elfjährigen Sohn, und die geschiedene Elke mit Teenager-Sohn und Tochter. Mit großer Selbstverständlichkeit und Selbstbewusstsein haben sie ihr gemeinsames Leben aufgebaut und nach draußen vertreten. Die Stürme von drei Teenagerpubertäten haben sie gemeinsam durchgestanden, sich gemeinsam an den inzwischen vier Enkeln gefreut. „Wir sind immer akzeptiert worden. Ganz selbstverständlich und überall.“ Gisela erzählt, wie gerne sie ein volles Haus hatten. „Wir haben es geliebt, wenn Leben hier war.“ Wenn mit Freunden Spieleabende angesagt war oder Geselligkeit im Garten, der Elkes Reich war. „Auch von unseren gemeinsamen Reisen haben wir immer gezehrt“, erzählt sie und es klingt, als ob da zwei ihr Leben genießen konnten. Es klingt dankbar. Trotz allem. Trotz des Schweren, was über den letzten Monaten lag.

„Sie hat auf mich gewartet“

Dankbar ist sie auch der menschenfreundlichen Ärztin, die sie am 12. Januar anrief, als sie ahnte, dass Elke Schebesta es nicht länger schafft. Die ihr anbot, trotz Besuchsverbot ins Krankenhaus zu kommen, um sich zu verabschieden. „Es war so enorm wichtig, dass ich diese kurze Begegnung noch hatte“, sagt sie im Rückblick. „Ein Geschenk.“

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Wissend, dass dieser auch für die Verarbeitung so wertvolle Moment vielen anderen betroffenen Familien in der ersten Welle verwehrt geblieben ist und diese dadurch in ihrer Trauer bis heute behindert sind. Elke habe auf sie gewartet, ist Gisela Steubesand sich sicher. Kurz nach ihrem Abschiedsbesuch ist sie für immer eingeschlafen. Neben der Dankbarkeit steht bis heute die Angst, weil Covid eben auch traumatisiert: Trotz eigener überstandener Infektion geht sie nie ohne Maske aus dem Haus.

„Nicht mal zum Mülleimer.“ Jede Woche macht sie einen Schnelltest. „Wenn mir beim Einkauf an der Kasse jemand ohne Abstand im Nacken hängt oder die Gefahr einfach runtergespielt wird, dann spüre ich in mir richtige Wut. Die wissen ja nicht, wie das ist, wenn es die eigene Familie dann wirklich trifft.“

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