Andrea M. wurde in der Silvesternacht 2015/16 im Kölner Hauptbahnhof sexuell belästigt. Sie heißt eigentlich anders, möchte aber anonym bleiben.
„Das war eine Scheißnacht“Kölner Silvester 2015/16 – Wie geht es Ihnen heute, Frau M.?

Andrea M. wurde in der Kölner Silvesternacht 2015/16 im Kölner Hauptbahnhof sexuell belästigt.
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Zehn Jahre nach der Kölner Silvesternacht 2015/2016, in der hunderte Menschen, vor allem Frauen, vor dem Hauptbahnhof beraubt und sexuell belästigt wurden, hat der „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit unterschiedlichen Menschen über die Nacht und ihre Folgen gesprochen.
Mir geht es gut. Ich träume nicht schlecht seit dieser Nacht, ich habe auch keine Angst, mich alleine draußen zu bewegen. Aber: Was ich vor zehn Jahren erlebt habe, beeinflusst mein Denken seitdem sehr stark.
Um das ganz klar zu sagen: Das war eine Scheißnacht, das waren Straftaten, und ich habe eine Scheißerfahrung gemacht. Ich weiß noch genau, wie das im Hauptbahnhof gerochen hat, ich kann mich an die Geräusche erinnern, wie ich angefasst wurde, wie diese Männer mich angeguckt haben, wie hilflos ich mir vorkam. Ich fand das total eklig. Das alles sind meine Gefühle.
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Es sind nun mal nicht alle Zuwanderer so, natürlich nicht
Aber: Ich bin auch ein vernünftiger Mensch, und mein Verstand sagt mir: Es sind nun mal nicht alle Zuwanderer so, natürlich nicht. Und für die, die sich integrieren wollen, ist es in Deutschland nach der Kölner Silvesternacht noch einmal ungemein schwerer geworden, das tut mir so leid. Was die Täter damals gemacht haben, ging nicht nur gegen uns Frauen, sondern es ging indirekt auch gegen ihre eigenen Landsleute.
Vor Jahren hatte eine gute Freundin von mir einen Freund mit nordafrikanischem Hintergrund, und ich muss ehrlich sagen: Es ist mir anfangs schwergefallen, ihn in unseren engsten Freundeskreis zu lassen. Er war ein herzensguter Mensch, aber tief in meinem Inneren hatte ich Vorbehalte. Ohne die Silvesternacht hätte ich die nicht gehabt. Ich wollte so nicht denken, ich habe mich dafür geschämt. Aber der Mensch ist leider so, dass er eher das Negative in Erinnerung behält.
Ich ermahne mich selbst immer wieder, mein Erlebnis nicht zu pauschalisieren – bis heute. Das ist sehr anstrengend. Aber wenn man das nicht tut, dann werden negative Gefühle zu Hass. Und so weit darf es nicht kommen.
Aufgezeichnet von Tim Stinauer
