Dickschiff mit viel Zeitgeist

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Markus Georgino aus Brück geht mit einem Opel Kapitän, Baujahr 1963, auf große Fahrt. Der Wagen fuhr früher einmal in Südfrankreich.

Markus Georgino aus Brück geht mit einem Opel Kapitän, Baujahr 1963, auf große Fahrt. Der Wagen fuhr früher einmal in Südfrankreich.

  • Der Opel Kapitän P 2,6 L von Markus Georgino ist die Nierentisch-Ära auf vier Rädern

Sie sind lange vorbei, die Zeiten, als sich Opel erfolgreich in der Oberklasse tummelte. Der Opel Kapitän gehörte jahrzehntelang zu den Paradepferden des Rüsselsheimer Automobilproduzenten. Der von 1959 bis 1963 gebaute Typ P 2,6 L (L steht für Luxus) schaffte sogar das Kunststück, sich besser zu verkaufen als das damalige Premium-Modell von Mercedes, der 220 S. "Denn der Opel war um die 3000 D-Mark günstiger - so viel wie ein halber VW Käfer", sagt Markus Georgino, der schon Kapitän-Fan war, als längst kein Hahn mehr nach dem Dickschiff krähte. Sein P 2,6 L ist ein Schmuckstück aus der Wirtschaftswunder-Ära, kaum ein Passant dreht sich nicht um, als der 54-Jährige Zigarillo rauchend mit seinem Oldtimer durch Brück fährt. Mit seinen Heckflossen, der Panoramascheibe und der haifischmaul-ähnlichen Front lässt der Kapitän die Nierentisch-Jahre prachtvoll wieder aufleben - nicht gerade mit dynamischer Sportlichkeit, dafür aber voller Selbstbewusstsein.

-> Deshalb habe ich ihn:

In den 1980er Jahren wollte ich unbedingt einen Oldtimer mit Heckflossen, Panoramascheibe und Automatikgetriebe - ein 57er Buick, ein amerikanischer Traum-Straßenkreuzer, sollte es werden. Ich wusste allerdings nicht, wo ich dieses 5,70 Meter lange Schiff unterstellen sollte. 1983 schlug mir ein Nachbar vor, ein Opel-Treffen in Holland zu besuchen. Dort stand ein schwarzer Opel Kapitän 2,6 von 1959. Auf die Frage, ob es den auch mit Automatik gibt, hörte ich ein Ja. Da habe ich mich sofort in dieses Auto verguckt. Opel gehörte wie Buick zum General-Motors-Konzern und hatte deshalb viele ähnliche Design-Elemente. Allerdings alles eine Nummer kleiner, also genau das Richtige für meine Garage. Bis zu meinem ersten eigenen Kapitän war es jedoch ein weiter Weg. Durch ein Zeitschriften-Inserat stieß ich auf einen 2,6er-Kapitän mit Hydra-Matic-Automatikschaltung und Servolenkung. Das Auto stand in West-Berlin, wohin ich mich am 12. August 1984 mit 4500 D-Mark und einem Satz roter Kennzeichen unterm Arm auf den Weg machte. In Berlin stellte sich heraus, dass es sich de facto um Edelschrott handelte - ein Auto, das Jahrzehnte lang immer wieder mühsam über den Tüv geschweißt wurde. Aber Liebe macht bekanntlich blind und ich kaufte trotzdem. Zu Hause kam das böse Erwachen: Ich habe den Wagen noch ein Weilchen gefahren, aber zu retten war er nicht mehr - obwohl ich mehrere andere Kapitäne zum Ausschlachten dazu gekauft habe. Aber meine Leidenschaft für dieses Modell war entfesselt. Ich kenne mittlerweile jede Schraube an dem Auto mit Vornamen und war überglücklich, als ich 1991 in Leverkusen meinen jetzigen Kapitän fand - frisch importiert aus Südfrankreich. Dort hatte Jahrzehnte lang ein Rechtsanwalt den Wagen gefahren. Die Substanz war sensationell gut und ich bin heute rundum glücklich mit diesem Opel. Der Kapitän hat einfach eine positive Geschichte, er war ein fester Bestandteil und Repräsentant des deutschen Wirtschaftswunders. Fast jeder ist begeistert, wenn ich irgendwo aufkreuze und eine Geschichte zum Auto erzählen kann.

Bandtacho und viel Chrom: Der Kapitän glänzt auch von innen.

Bandtacho und viel Chrom: Der Kapitän glänzt auch von innen.

-> Das kann er: Langstrecke kann er unglaublich gut. Mit meinem Kapitän war ich sieben Mal in Schweden, zum Teil mit Wohnwagen. Er ist ein zugkräftiges Reisemobil. Er sieht zwar schwerfällig aus, hat aber ordentlich Dampf unter der Haube. Die 1,3 Tonnen werden durchaus zügig bewegt. Dazu ist er unheimlich bequem und komfortabel. -> Das kann er nicht: Das Fahrwerk ist zwar komfortabel, aber kommt im Grunde mit seiner blattgefederten Starrachse noch aus der Kutschenzeit. Einmal habe ich eine Hochzeitsfahrt mit italienischer Mama unternommen. Die Mama war so kräftig, dass die Stoßdämpfer anschließend den Dienst quittiert haben. Seitdem habe ich Niveau-Lift-Stoßdämpfer, die mit Luftdruck reguliert werden können. Stau mag das Auto auch nicht: Wenn es zu warm wird, gibt es thermische Probleme und der Motor könnte überhitzen. Seit dem Rekordsommer 2003 habe ich deshalb einen zusätzlichen Elektrolüfter vor dem Kühler sitzen.

-> Das habe ich für ihn getan: Wegen seiner Vergangenheit im trockenen Südfrankreich hatte er noch nie Rostprobleme, aber einige Schönheitsfehler wie Beulen in den Türen, Kratzer hier und da und einen völlig ausgeblichenen Lack von der französischen Sonne. Den Lack habe ich erst 2012 erneuern lassen, weil meine Frau fand, dass die anderen Kapitäne mehr Glanz zu bieten hatten. Den originalen Motor musste ich schon 1998 austauschen, nachdem mir bei der Fahrt zu einem Rüsselsheimer Kapitän-Treffen ein Kolbenfresser auf halber Strecke mein Vorhaben zunichte machte. Seitdem fahre ich mit einer Maschine aus dem Nachfolge-Modell, dem Kapitän A. Das war ein Motor aus einem Leichenwagen, der schon 13 Jahre lang ungenutzt im Regal gelegen hatte, aber sofort ansprang und seitdem zuverlässig seinen Dienst verrichtet. Genauso wie die Hydra-Matic, die ich als Automatik-Fan unbedingt nachrüsten musste. Dieses sehr aufwändige Getriebe ist auch mitverantwortlich für den relativ geringen Benzinverbrauch.

-> Das haben wir erlebt: Mitte der 1990er Jahre wären der Kapitän und ich um ein Haar in einen schweren Unfall verwickelt gewesen, hätte ich nicht vorher die originalen und etwas wirkschwachen Bremsleitungen aus Gummi gegen Stahlflex-Leitungen mit deutlich besserem Druckpunkt und Ansprechverhalten ausgetauscht. So konnte ich dem Fahrer, der auf der Olpener Straße plötzlich vor mir einscherte, noch rechtzeitig ausweichen. Sonst hätte es mit Sicherheit Tote und einen zerfetzten Ford Fiesta gegeben. Beim Kapitän wäre wohl wenig passiert, weil es damals noch keine Knautschzonen gab. Die massive Stoßstange ist fest mit dem Rahmen verschweißt. Bis die sich verformt, sind moderne Autos schon halb gefaltet.

Der Sechs-Zylinder-Motor schnurrt wie ein Kätzchen.

Der Sechs-Zylinder-Motor schnurrt wie ein Kätzchen.

-> Das haben wir vor: Die letzte große Amtshandlung ist der Einbau der originalen Servolenkung, die ich noch aus meinem ersten Kapitän übrig habe. Insgesamt habe ich die Ersatzteile von drei baugleichen Autos. Das ist für mich ein äußerst wertvoller Schatz, weil Ersatzteile für den Kapitän sehr rar gesät sind. Der 2,6er-Kapitän war zwar zu seiner Zeit ein Bestseller, aber spätestens Ende der 1970er Jahre sind die reihenweise in der Schrottpresse gelandet. Dieses Auto steckt voller Zeitgeist und war einfach aus der Mode gekommen. Nur wenige Exemplare haben bis heute überlebt.

Opel Kapitän P 2,6 L Baujahr: Hubraum (ccm): PS: Zylinder: km/h (max.): Verbrauch: Gebaute Exemplare: Neupreis (D-Mark):1963 2600 90 6 150 12,5 145 618 10 625

Baujahr:

Hubraum (ccm):

PS:

Zylinder:

km/h (max.):

Verbrauch:

Gebaute Exemplare:

Neupreis (D-Mark):

1963

2600

90

6

150

12,5

145 618

10 625

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