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Ehrenamtler in Köln„Das Glück verpflichtet uns, etwas zu tun“

Lesezeit 4 Minuten

Rena Krebs liest in der Kindertagesstätte Heilig Kreuz in Weidenpesch Märchen vor.

Köln – Das Eis werde täglich dünner, sagt Rena Krebs. „Wir können zwar noch ab und an eine Pirouette drehen, aber es kann jederzeit einkrachen.“ Rena und Peter Krebs sind 83 und 88 Jahre alt. Längst planen sie nichts mehr langfristig. Und achten dafür umso ehrfürchtiger das Leben. Leben heißt für sie immer auch: Arbeiten, aufbauen. „Das ist ganz klar eine Sucht“, sagt Peter Krebs. „Wir pflegen dadurch Kontakte und bekommen noch Anerkennung“, sagt seine Frau.

Am Montagmorgen um 10 Uhr sitzt Rena Krebs in der Kindertagesstätte Heilig Kreuz in Weidenpesch und liest „Frau Holle“ vor. Die Kinder hören gebannt zu. Seit vielen Jahren hilft die Mutter von vier Töchtern, Oma von sieben Enkelkindern und Uroma ehrenamtlich im Kindergarten. Sie arbeitet auch noch in der Erwachsenenbildung, schult Lehrerinnen, und bei der Kölner Malakademie.

Kein Bilderbuchpaar

Am Montagabend um 21 Uhr steht Peter Krebs in einem Transporter am Appellhofplatz und behandelt Obdachlose. Ein zahnloser Mann kommt auf Krebs, der 23 Jahre Chefarzt und ärztlicher Direktor des Krankenhauses St. Agatha war, zu, raunt ihm ein „Hallo Doktor, alles klar?“ ins Ohr und umarmt ihn. Seit vier Jahren engagiert sich der Internist bei der Arbeitsgemeinschaft für Wohnungslose. Im vergangenen Jahr hat er sich für die Gruppe aus Ärzten und Krankenschwestern bei einem Charity Award beworben – und gewonnen. Dank der 20.000 Euro sind neue Dolmetscher angeheuert worden. „Das Glück, das wir haben, verpflichtet uns, etwas zu tun“, sagt Krebs. Einmal pro Woche geht der 88-Jährige ins Altenheim und besucht psychisch Kranke, um mit ihnen zu reden.

Der Wille zu Gestaltung und Aufbau kommt aus der Kindheit. Genauso die Tatsache, dass sich Rena und Peter mit 23 beziehungsweise 18 füreinander entschieden – und fünf Jahre später heirateten. „Es lag daran, dass damals alles kaputt war“, sagt Rena Krebs. „Wir wollten eine Heimat wieder aufbauen, die wir nicht mehr hatten.“ Nein, sie seien kein Bilderbuchpaar gewesen. Wenn sie in Eheporträts liest, man habe sich immer gut verstanden und blendend ergänzt, werde ihr ganz anders, sagt Rena Krebs. „Früher war auch nicht alles besser. Die große Ernsthaftigkeit unserer Beziehung geht einfach auf die große Zerstörung zurück. Das lag am Krieg.“

Ihre Heimatstädte, Dresden und Leipzig, lagen in Trümmern, sein Vater kam nicht zurück aus dem Krieg. Peter Krebs war bei der Marine. Ende 1945 kam er aus russischer Gefangenschaft und sah das Elend. Er studierte dann Medizin, engagierte sich im Studentenrat, ging in die CDU, kritisierte die Sowjetisierung der Ost-Zone, wurde vor Gericht gestellt, floh in den Westen, und landete bei Rena in Frankfurt. Die Familien waren seit langem befreundet.

Zu zweit haben sie dann aufgebaut. Die erste eigene Wohnung 1955. Er wurde Arzt, sie Dolmetscherin. Sie bekamen vier Töchter. Siebenmal zog die Familie um, bis sie seit 1969 in Köln ihr zu Hause fand. Mit ihrem Vermögen sanierten sie vor einigen Jahren in Leipzig ein von ihren Eltern geerbtes Haus, das jetzt als katholisches Zentrum dient.

Seit Jahren organisieren die Krebs’ Gesprächsabende. Oft geht es um Ethik oder Religion. Sie sind katholisch geprägt – „auch wenn unser Glaube an die Amtskirche mit den Jahren immer brüchiger geworden ist“, sagt Rena Krebs. So ähnlich sei es mit der Verbundenheit zur CDU. Sie wuchs mit Hannelore Kohl in einem Haus auf und war mit der Ehefrau des Alt-Kanzlers bis zu deren Freitod eng befreundet. Er ist der CDU treu geblieben, „weiß allerdings nicht immer, warum“.

Verschwinden mit dem Alter die Hoffnungen? Nur zum Teil, sagen Peter und Rena Krebs, die am Donnerstag, 5. Februar, ihre Diamantene Hochzeit feiern. Sie sind noch beweglich, fahren Rad, gehen schwimmen und zum Fitnesstraining. Sie haben ihre Kinder, Enkel und Urenkel, sie umgeben sich bewusst mit jungen Menschen. Zwei Wohnungen in ihrem Haus haben sie an gebildete junge Männer vermietet. Im Kindergarten erzählen die Kleinen Rena Krebs von ihren Träumen. Peter Krebs arbeitet am Appellhofplatz an der Seite der jungen Krankenschwester Gülsen, die von einer Karriere als Sängerin träumt. „Man darf sich in unserem Alter nie nur mit Gleichaltrigen umgeben“, sagt Rena Krebs. „Das wäre zu deprimierend.“