Besondere Fabrik in Köln-EhrenfeldBei Flemmings entstehen Hüte für jeden Anlass

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Ute Flemming im Lager ihrer Hutfabrik in Köln-Ehrenfeld

Ehrenfeld – Normalerweise wartet man auf einen Hut von „Hutfabrikation Jochen Flemming“ mehrere Monate. Um Karnevalsgesellschaften, Reitevents, Theater, Jäger und hutaffine Privatleute mit adäquaten Kopfbedeckungen auszustatten, arbeiten die Mitarbeiter des Traditionsbetriebes gerade in der kühlen Jahreszeit auf Hochtouren. Seit dem Frühjahr müssen sie mit einem bislang ungekannten Zustand zurechtkommen. Die laue Auftragslage und der dadurch resultierende Leerlauf bei der Arbeit scheinen dem Team um Hutmacherin Ute Flemming befremdlich. „Wir sind ein super Team, grundsätzlich haben wir hier eine gute Stimmung“, meint Ute Flemming über die Arbeitsatmosphäre in der Hutfabrik.

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Naima Meguellati und Eva Leinen (hinten) sind fürs Nähen und Garnieren zuständig. 

Stiefmutter Eva Leinen kümmert sich schon seit 32 Jahren um Näharbeiten und Hutgarnituren, sie teilt sich den Bestand an Spezialnähmaschinen aus den 50er, 60er und 80er Jahren mit der bekleidungstechnischen Assistentin und angehenden Hutmacherin Naima Meguellati. Alexander Schirotschenko blickt auf 15 Jahre bei den Flemmings zurück, er verleiht den Hüten ihre gewünschte Form.

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Auch die hochwertigen Perücken im Dreispitz werden noch selbst gemacht. 

Ute Flemming übernimmt Fabrikation

In vierter Generation liegt die Hutfabrikation erstmals in den Händen einer Frau. Nach dem Tod ihres Vaters Jochen 2013 übernahm Tochter Ute das Unternehmen. Noch während ihres Biologie- und Sport-Studiums entschied sie sich, die Hutmacher-Tradition weiterzuführen. In den Genen steckte ihr die Hutleidenschaft ohnehin, bereits Urgroßvater Otto hatte in Berlin erfolgreich im Hutgeschäft mitgemischt. Kurz vor der Mauerschließung gelang Jochen Flemming und seiner Mutter die Flucht von Ost- nach Westberlin, wo es ihn letztlich aber nicht hielt. Über die Schweiz kamen die Flemmings schließlich nach Köln-Ehrenfeld in die Marienstraße 69, wo sie mittlerweile mehr als 50 Jahre Hutgeschichte geschrieben haben. „Schon als Kind bin ich in der Hutfabrik herumgelaufen“, erzählt Ute Flemming und verweist bei ihrer Führung durch die Werkstatt auf eine beträchtliche Zahl an Hutrohlingen, den sogenannten Stumpen.

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Alexander Schirotschenko mit einer von 3500 Hutformen, hier der berühmte Zweispitz.

Eine Million Stumpen lagern in Köln-Ehrenfeld

Wohlverwahrt warten rund eine Million Woll- und Haarfilzstumpen in Deutschlands größtem Stumpenlager auf ihre Hutwerdung, hier ruhen Stumpen von einer Machart und Qualität, wie es sie heute nicht mehr zu kaufen gibt. An hohen Qualitätsstandards hält die Unternehmerin auch bei der Fertigung fest. Gleich beim ersten Schritt auf dem Weg zu einem Hut der Marke Flemming lässt sie keine Kompromisse zu. Das Appretieren des Rohlings durch Tauchen in einem Stärkebad sei dem heute gebräuchlichen Pinseln und Sprühen weit überlegen, sagt sie, die Stärke dringe beim Tauchen tief und gleichmäßig in den Filz ein und mache ihn widerstandsfähig und formstabil.

Hüte werden in Form gezogen

Alexander Schirotschenko bestreitet das anschließende Dampfen und Ziehen der Hutstumpen auf eine Form, ein Vorgang, der neben handwerklichem Geschick auch körperliche Kraft erfordert. „Ein Fitnessstudio brauche ich nicht“, scherzt er, „man sieht ja, wie schlank ich bin“. Die aus „Hals“ und „Kopf“ zusammengesetzten Holzformen können frei kombiniert werden, bei 3500 Formen ergibt das unendliche viele Möglichkeiten. Getrocknet werden die Kreationen im Ofen bei konstanten 80 Grad. Tatsächlich gelte der Beruf des Hutmachers als reine Männerdomäne, erklärt Ute Flemming, sie durfte sich in Deutschland als erste weibliche Vertreterin ihrer Zunft offiziell Hutmacherin nennen. Wie ihre Mitarbeiter liebt sie die ständigen Herausforderungen beim Realisieren von Aufträgen. „Theoretisch ist jeder Hut machbar“, meint sie, „manchmal müssen wir überlegen, wie wir die Wünsche der Kunden umsetzen.“ Für die RTL-Show „Denn sie wissen nicht, was passiert“ baute das Team Flemming einen seiner prominentesten Hüte – den durch Harry Potter inspirierten „Sprechenden Hut“.

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Hut Workshops in der Corona-Krise

Bisher ist der Betrieb der Corona-bedingten Auftragsflaute mit Hut-Workshops begegnet. Die Idee zu einem von Meisterkoch Jan Nolte ausgerichteten Vier-Gänge-Menü in der Hutfabrik ließ sich ähnlich erfolgreich an, konnte aber wegen der verschärften Corona-Auflagen nur einmal stattfinden. Als nächstes Workshop-Event steht „Pimp einen Gehrock und mache Deinen eigenen Hut dazu“ in den Startlöchern. Vielseitigkeit und Improvisationstalent zeichnet das Team der Hutfabrikation Jochen Flemming aus, tragbare Damen- und Herrenhüte gestaltet es ebenso liebevoll wie die Miniaturhütchen für das Hänneschen-Theater. Von der einmaligen Atmosphäre in der Werkstatt zeigt sich die Kundschaft begeistert: „Wenn jemand die Werkstatt zum ersten Mal betritt, heißt es meist, hier sehe es aus wie bei Harry Potter“, erzählt Ute Flemming.

Informationen über die Workshops gibt es auf der Webseite der Firma und auf dem Facebook-Account. Ab Montag, 4. Januar, sind Ute Flemming und ihr Team auch wieder telefonisch unter 0221 553206 oder per E-Mail erreichbar. www.hutfabrik-flemming.de 

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