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Verein BfOMobilfunk-Anbieter 1&1 will „Basislager“-Halle in Bickendorf übernehmen

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Drei Frauen stehen vor der hölzernen Theke eines Kaffeemobils, das vor einer großen Halle steht.

Am Café-Wagen vor dem „Basislager“ diskutieren Yasemin Alpaslan (M.) und Natalie Thönnissen (r.) mit Kunden über die aktuelle Situation.

Der Verein Bürger für Obdachlose steht vor dem Aus. Nun ist wohl auch die Halle an der Silcherstraße weg: Das Unternehmen 1&1 will sie offenbar anmieten.

Für die Mitarbeiter und Kunden des „Basislagers“ in der Silcherstraße ist es eine Horrorvorstellung, wenn nicht gar ein düsteres Zeichen für einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel. Seit mehr als 25 Jahren stehen in der Halle Gebrauchtwaren zum Verkauf, mit dem Erlös werden Obdachlose unterstützt. Vermutlich schon bald werden hier nur noch ein paar leistungsfähige Computer vor sich hinsummen, denn der Telekommunikationsriese 1&1 will in der Halle einen Serverstützpunkt einrichten.

„Das war ein Schlag ins Gesicht“, sagt Natalie Thönnissen, Leiterin des „Basislagers“. Sie hat die fatale Nachricht auch erst vor wenigen Tagen erhalten. „Dabei hatten wir eine tragfähige Lösung gefunden. Ein großer, städtischer Träger der Sozialarbeit, der vorerst nicht genannt werden möchte, wollte den Betrieb übernehmen, zeitnah und ohne Unterbrechung“, berichtet Thönnissen. „Auch unsere Partnerschaft mit der Emmaus-Gemeinschaft sollte fortgesetzt werden.“ Der Schwerpunkt der Arbeit hätte sich stärker in Richtung Inklusion von Menschen mit Behinderung verschoben, aber damit habe man schon Erfahrungen.

Mitarbeiter, Ehrenamtler, Besucher und Politiker setzen sich für den Weiterbestand des Vereins ein.

Mitarbeiter, Ehrenamtler, Besucher und Politiker setzen sich für den Weiterbestand des Vereins ein.

Das ist nun alles in Gefahr. Mit bösen Überraschungen müssen die Mitarbeiter des „Basislagers“ schon seit dem Frühjahr zurechtkommen. Damals war der gesamte Vorstand des Vereins „Bürger für Obdachlose“ (BfO), der das Gebrauchtwaren-Kaufhaus betreibt, zurückgetreten. Aus beruflichen und Altersgründen hieß es, viel mehr wurde nicht kommuniziert. Im Sommer dann erfuhren die Mitarbeiter, dass der Vorstand die Auflösung des Vereins beantragt hatte (wir berichteten) – allerdings auch nur über eine Anfrage beim Amtsgericht, der frühere Vorstand hüllte sich in Schweigen. Daran hat sich bis heute nichts geändert, auch Presseanfragen wurden nicht beantwortet.

Verein BfO aus Köln-Bickendorf hat keine finanziellen Probleme

Die Vereinsauflösung ist aber erst rechtsgültig, wenn ein Liquidator ernannt ist, der sich etwa um die noch laufenden Geschäfte kümmert und sie zu Ende bringt. Weil der zurückgetretene Vorstand von Bürger für Obdachlose nicht tätig wurde, hatte das Amtsgericht mit der Anwältin Nina Haverkamp eine Liquidatorin bestellt. Sie bestätigt, dass der Verein finanziell auf gesunden Füßen stehe: „Das ist kein Insolvenzfall, das Modell funktioniert.“ So durften die Mitarbeiter hoffen, dass die Übernahme durch den städtischen Träger reibungslos verlaufen würde.

Doch dann kam der Schock, die Anwältin teilte mit, dass der Verein mit dem  Eigentümer der Halle in gegenseitigem Einvernehmen einen Mietaufhebungsvertrag geschlossen hatte. Der bisherige Mietvertrag, der noch bis zum Juni 2026 läuft, wurde damit null und nichtig, nun soll die Halle bis Ende Januar geleert sein, damit 1&1 dort seine Server aufstellen kann. Das Unternehmen hatte auf den früheren Termin gedrängt und – so ist zu hören – offensichtlich deutliche höhere Mietzahlungen angeboten.

Basislager in Köln-Bickendorf steht vor dem Aus

Vom Vermieter wurden diese Angaben bisher allerdings noch nicht bestätigt, auf Anfragen habe er bislang nicht reagiert, erzählt Natalie Thönnissen. Dass er einen Mietvertrag mit 1&1 unterzeichnet hat, steht damit offiziell noch gar nicht fest, allerdings sei vor ein paar Tagen ein Bauingenieur des Unternehmens aufgetaucht, um das Gelände zu vermessen. „In gewisser Weise kann ich den Vermieter verstehen, wegen der Ungewissheiten in den vergangenen Monaten“, sagt die Leiterin des „Basislagers“. „Andererseits hat er ein soziales Herz, und ich hoffe, dass er seine Meinung noch ändert. Wenn der städtische Träger das übernimmt, sind die Mietzahlungen ja auf jeden Fall gesichert.“

Sorgen macht sich Thönnissen nun vor allem um die Mitarbeiter, von denen viele Alkohol- oder Drogentherapien hinter sich haben oder unter psychischen Problemen leiden. Bis zu 15 Beschäftigte des „zweiten Arbeitsmarkts“ sind in normalen Zeiten im „Basislager“ tätig, aufgrund der aktuellen Situation wurde im laufenden Jahr aber kaum jemand neu eingestellt. „Ich wollte hier eigentlich bis zum nächsten Frühjahr meine Sozialstunden ableisten, aber das kann ich jetzt wohl vergessen“, meint etwa Nena Borzic.

Aber das „Basislager“ ist auch ein Veedels-Treffpunkt unweit des Rochusplatzes, am Café-Wagen von Yasemin Alpaslan auf dem Vorplatz unterhalten sich junge Mütter, Senioren, Studenten, die in der Nähe leben. Das ist bald wohl auch vorbei: „Meinen Wagen werde ich wohl verkaufen müssen, es ist in Köln ziemlich schwierig, einen guten Platz zu finden“, sagt Alpaslan.

Beim städtischen Träger, der die Halle übernehmen wollte, muss man auch neu überlegen. Derzeit wird offensichtlich diskutiert, ob man nach einer anderen Halle für das „Basislager“ suchen soll. „Die sollte natürlich am besten hier in Bickendorf stehen“, meint Natalie Thönnissen.


Informationen über mögliche neue Räumlichkeiten für das „Basislager“ sind sehr willkommen. nathalie.thoennissen@gmx.net