„Für mich ist es ein Albtraum“Ehrenfelder Punkkneipe muss raus – Kölner Wirt steht vor dem Nichts

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Das Resistance in Köln Ehrenfeld musste schließen.

Das Resistance in Köln Ehrenfeld musste schließen.

Sascha Braschoß betrieb jahrelang das Resistance in Ehrenfeld. Jetzt muss er raus, der neue Hausbesitzer meldet Eigenbedarf an. Mit der Schließung geht das Kneipensterben in Ehrenfeld weiter.

An der Fassade des Ehrenfelder Mehrfamilienhauses ist noch zu erkennen, wo bis vor einigen Wochen noch das Logo hing. Doch das Schild, auf dem in roten Lettern „Resistance“ stand und Gesichter von Persönlichkeiten wie Che Guevera oder Edward Snowden abgebildet waren, ist abmontiert. Die kleine Punkrockkneipe musste raus. Der neue Hausbesitzer hatte ihm gekündigt. Für Sascha Braschoß, der das Resistance im Erdgeschoss sieben Jahre lang betrieb, ist es eine Katastrophe.

„Ich stehe im Grunde vor dem Nichts“, sagt der 53-Jährige. Er ist nicht einer jener Gastronomen, die noch etliche weitere Läden betreiben, das Resistance nicht einer jener Läden, die in den Stadtführern stehen und ihre Betreiber zu viel Geld bringen. Es ist eine kleine Kneipe, in der Braschoß mit Stammgästen lange und bedeutungsvolle Gespräche führte, ein zweites Wohnzimmer für viele, die mit dem Leben so ihre Probleme hatten, und irgendwie auch ein Therapiezimmer. Die Band Fortuna Ehrenfeld spielte hier eines ihrer ersten Konzerte. Der Laden lief gut. Das ist jetzt vorbei.

Ich fühle mich perspektivlos. Und bin es auch.
Sascha Braschoß

„Für mich ist es ein Alptraum“, sagt Braschoß. „Ich fühle mich perspektivlos. Und bin es auch.“ Eine Berufsausbildung hat er nicht gemacht, mit 40 hatte er an einem Abendgymnasium sein Abitur nachgemacht, um dann zu studieren. Das Studium wollte er mit der Kneipe finanzieren. „Das wurde aber so schwierig, dass ich das abbrechen musste. Der Aufwand für Studium plus Kneipe war zu groß, und dann fiel das Studium hinten runter. Wie sollte ich es finanzieren? Für Bafög bin ich zu alt, für Elternunterstützung braucht es Eltern, aber die sind tot.“

Seine Ersparnisse seien inzwischen aufgebraucht. Nun beantrage er Bürgergeld, um die Miete für seine Wohnung bezahlen zu können, erzählt Braschoß. Auch eine Privatinsolvenz steht im Raum. Durch das schnelle Ende stehen Forderungen aus, die er aktuell nicht begleichen kann. Seine Frau, chronisch krank, kann nicht arbeiten. Ein Dauerzustand soll der Bezug von Bürgergeld nicht sein. „Es ist für mich nicht sonderlich attraktiv, länger davon zu leben“, sagt er. 

Die Fassade des Resistance von außen, das Logo ist abmontiert, davor steht ein großer Container.

Wo das Logo einst war, ist noch gut zu erkennen.

Ein neues Resistance an einem anderen Ort, das ist für Braschoß eher unwahrscheinlich. Zu teuer seien die Locations in Ehrenfeld, und von hier möchte er nicht weg. „Ich sage scherzhaft immer: Für mich ist alles abseits der Inneren und Äußeren Kanalstraße das Ende vom Schengener Raum.“ Aber: „Die Entwicklung, was Mieten und Pacht angeht, ist hier in Ehrenfeld desaströs.“ In den letzten Jahren seien sie in die Höhe geschossen. Ehrenfeld ist Kölns Paradebeispiel für Gentrifizierung und dessen Folgen – vom Arbeiterviertel, über das man einst die Nase rümpfte zum hippen und teuren Szenestadtteil.

Resistance in Köln-Ehrenfeld: Probleme mit der Ordnungsamt

Ein anderes Problem ist der Stress. „Ich habe den Eindruck, dass es nicht mehr möglich ist, eine Kneipe zu betreiben, ohne dabei nervlich vor die Hunde zu gehen. Von einem anderen Wirt habe ich gehört, dass er entnervt aufgeben will, weil er permanent das Ordnungsamt vor der Tür hat wegen Lärmbeschwerden“, sagt Braschoß. Die habe es auch im Resistance gegeben. „Ich hatte innerhalb von wenigen Monaten das Ordnungsamt zehnmal vor der Tür stehen.“ An den Abenden sei es nicht laut gewesen, nur wenige Gäste seien in der Kneipe gewesen. „Das macht einen fertig. Irgendwann hat man wirklich Angst, wenn es voll ist.“

Das Verhältnis zum Ordnungsamt könnte „schwieriger nicht sein“, sagt Braschoß. Er habe auch sehr nette Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennengelernt, betont er. „Aber einige legen ein Auftreten an den Tag, da fragt man sich: Was ist mit Dialog und Kommunikation?“ Der 53-Jährige gibt auch zu: Für kleine Konzerte habe er gewisse Anträge nicht gestellt. „Das ist vielleicht ein Relikt oder ein Auswuchs eines bei mir seit der Kindheit vorhandenen Autoritätsproblems“, sagt er lächelnd. Die Gründe für den dafür notwendigen Papierkram waren ihm nicht einleuchtend. In einer Schankwirtschaft darf nur einmal im Monat ein Konzert veranstaltet werden. Das entbehrte für Braschoß jedweder Logik.

Die Menschen wollen jeden Vorteil der Stadt. Aber Geräusche darf es nicht geben.
Sascha Braschoß

In der Location war schon seit Jahrzehnten immer eine Kneipe beheimatet, vor dem Resistance eine Kölschkneipe, davor ein Rockerladen. Künftig wird es wohl keine Gastronomie mehr in der Geisselstraße 70 geben. „Die Menschen wollen jeden Vorteil der Stadt haben, alles soll fußläufig erreichbar sein – aber Geräusche darf es nicht geben“, sagt Sascha Braschoß. „Das sind Lebensentscheidungen, die nicht zusammenpassen. Das wird dann ausgelassen an dem, was Stadtleben so ausmacht.“ Für ihn geht jetzt ein Lebensabschnitt zu Ende.

Kennengelernt hat er die neuen Hausbesitzer nie, per Brief wurde ihm die Kündigung im Sommer vergangenen Jahres mitgeteilt. Eine Zeit lang behielt er es für sich, um belastende und nervige Gespräche darüber zu vermeiden. Ende März dann ein letzter Abend im Resistance. „Es war gerappelt voll, es lief auch die eine oder andere Träne.“ Widerstand will und kann Braschoß nicht leisten. Aussicht auf Erfolg gäbe es kaum. Vielleicht wird Braschoß jetzt doch ein Studium der Sozialen Arbeit verfolgen. „Dass es jetzt so gekommen ist, ist eine Realität, die es zu akzeptieren gilt“, sagt er.

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