Das Haus des Ehepaares Kirches wird sonntags zum Kölner Atelier Ba.Cologne. Dort präsentieren sie auch Werke von verfolgten Künstlern.
Vom Bordell zur KunstgalerieEhrenfelder Galeristen laden Interessierte zum Kunstnachmittag ein

Winfried und Julitta Kirches an der Leiter-Installation.
Copyright: Hans-Willi Hermans
Übermütig, akrobatisch wirkt die Körperhaltung der vier Frauen aus Ton, gleichzeitig halten sie die Balance auf alten Holzschlitten, die an den Sprossen einer schräg gestellten Leiter befestigt sind. In wilder Schussfahrt scheinen sie abwärts zu rasen in Richtung des Eingangstors zum Atelierraum Ba.Cologne. „Manchmal denke ich, dass die sofort weg sind, raus auf den Neptunplatz, wenn ich das Tor öffne“, sagt ihr Schöpfer Winfried Kirches belustigt.
Die Arbeit an der Installation hatte Kirches in der Corona-Zeit begonnen. Sie sei natürlich auch eine Hommage an Joseph Beuys, eines seiner großen Vorbilder, erzählt er den Besuchern, die sich an diesem Nachmittag im Atelier getroffen haben, um entspannt über Kunst zu reden. Seit einem Jahr bieten Winfried und Gattin Julitta Kirches allen Interessierten diese Möglichkeit an: Sonntags zwischen 15 und 18 Uhr ist ihr Haus offen, Anmeldung nicht notwendig. Vom Erd- bis zum Dachgeschoss ist es eine einzige Galerie, in der Arbeiten von rund 100 Künstlern zu sehen sind.
Kraft und Ästhetik des weiblichen Körpers auf Holzschlitten
So erklärt Bildhauer Kirches, dass Beuys, der Holzschlitten mit Installationen wie „Das Rudel“ gleichsam in der Kunstwelt salonfähig gemacht hatte, 2021 100 Jahre alt geworden wäre: Ein Anlass für Winfried Kirches, eines seiner bevorzugten eigenen Motive, die Kraft und Ästhetik des weiblichen Körpers, mit dem Schlitten-Thema zu verbinden. „Auffällig ist, dass die Haltung der Frauen auf den Schlitten so offen ist, als wollten sie etwas Neues angehen. Sonst sind meine Skulpturen ja eher ruhig, in sich gekehrt“, sagt Kirches.
„Interessant, wie du das Thema weiterentwickelst“, merkt Ulrike Frenzen-Flesch an, die mit ihrem Ehemann vorbeigekommen ist. Schließlich haben die meisten Menschen eher düstere Erinnerungen an die Corona-Zeit, auch sonst blickt die Mehrheit momentan eher besorgt in die Zukunft. „Ich bin schon froh, dass er nicht die ganze Zeit betrübt in der Ecke gesessen hat“, wirft Julitta Kirches schmunzelnd ein. „Wir sind nicht die ganz großen Kunst-Experten, aber wir kennen uns schon lange und finden es großartig, was die beiden hier auf die Beine gestellt haben“, erklärt Karl Flesch den vertraulichen Umgangston.
Ba.Cologne: ehemaliger Bordell-Betrieb
Im Jahre 1997 hatten die Kirches das Haus in der Rothehausstraße 21 gekauft. Es hat einen zweiten Ausgang zum Neptunplatz, das Erdgeschoss war zuvor zwölf Jahre von einem Bordell-Betrieb genutzt worden. Mehr als ein Vierteljahrhundert lang fanden hier große Vernissagen und Kunstaktionen statt, die zuletzt mehr als 100 Gäste anzogen. „Aber auf so großen Veranstaltungen hat man kaum Gelegenheit, mit den Einzelnen zu sprechen, das wird schnell zur Party“, sagt Julitta Kirches.
„Deshalb wollten wir das mal ganz anders machen. Wir haben auch das Gefühl, dass sich das auch für die Künstler auszahlt, dass wir mehr von ihren Arbeiten verkaufen.“ Gerade kommt Finja Hoffmann, studentische Praktikantin, mit einem Tablett vorbei: „Noch Kaffee, Tee oder Kuchen?“, fragt sie freundlich lächelnd.
Denn am Sonntagnachmittag werden die Besucher umfassend beköstigt, Julitta Kirches hat auch wieder ein neues Kuchenrezept mit Zitrone, Pfirsich und Mandeln ausprobiert. Winfried Kirches erzählt, dass sich am Konzept der Galerie, auch jenen Künstlern Öffentlichkeit zu verschaffen, die in ihren Heimatländern verfolgt werden, nichts ändern werde. Derzeit hängen im Flur etwa Zeichnungen von Mohammad Rahman aus Bangladesh: „Er sollte vor zwei Jahren an der Documenta teilnehmen, erhielt aber keine Ausreisegenehmigung, weil sich einige seine Arbeiten mit Transsexualität beschäftigen“, so Kirches.
Etwa fünf bis zehn Besucher kommen mittlerweile am Sonntagnachmittag ins Ba.Cologne, die Kirches haben den Termin mit 10.000 Flyern im Großraum Köln bekannt gemacht. „Das Konzept, sich auf diese Weise intensiv mit Kunst auseinanderzusetzen, begeistert mich“, sagt Kay Radke, der häufig Kunstwerke erwirbt und auch in anderen Galerien unterwegs ist. „Ich bin immer sehr gern hier.“