Der queere Kölner Künstler Lukas Moll zeigt seine malerischen Portraits in der Einzelausstellung „When we were almost happy“ als mögliches Archiv nie gelebter Erinnerungen.
Einblicke in queere LebensweltenKölner Künstler präsentiert intime Portraits in Galerie Dietrich

Lukas Moll schafft in seinen Portraits Raum für Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte.
Copyright: Thomas Dahl
Zwei Menschen bewegen sich langsam in einem Traum. Gesten halten inne. Körper berühren sich zart, als befürchteten sie ein Zerbrechen. Worte fließen als personifizierte Stille aus einem Bildnis. Es ist bereits alles gesagt. Lukas Moll richtet den Blick seiner Figuren auf den Leinwänden nach innen. Dort finden sie Schutz, vielleicht eine Bleibe. „Ich mache queere Kunst, weil sie eine Präsenz braucht. Ich will mit meinen Werken queere Lebenserfahrungen teilen, auch wenn das Diskriminierungen und Ausgrenzungen sind“, sagt Moll.
Der gebürtige Aachener lebt seit 2019 in Köln. Nach einem Marketingstudium konzentrierte er sich auf die Malerei. Erste Ausstellungen bestätigten den Autodidakten in seinem Streben. Die Gefolgschaften auf sozialen Netzwerken wie Instagram stiegen kontinuierlich und machten den Künstler über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Ein Meilensteinjahr
„2025 war so erfolgreich, dass ich hauptberuflich als Kunstschaffender leben könnte. Es ist mein Meilensteinjahr“, erklärt der 32-Jährige. Die verwaschen-unscharfen Konturen in Öl ziehen den Betrachter unweigerlich in den Bann. Mit seiner Stilistik nahezu greifbarer Gefühle und gleichzeitiger Distanz trifft der Maler einen Nerv in der Kunstszene. Neben regelmäßigen bundesweiten Ausstellungen fand sich Moll mit einer Arbeit auf dem Cover der internationalen Fachzeitschrift „Juturna“ wieder, erhielt den KÜFO-Kunstpreis des Künstlerforum Schloss Zweibrüggen und verkauft seine Bilder mittlerweile bis in die USA.
Ich habe gemerkt, dass ich einen Platz suche, an dem ich mich mit meiner queeren Philosophie wohlfühle, aber diesen Ort gibt es nicht. Dennoch lebe ich sehr gerne in Köln, auch wenn es hier mehr Räume, etwa für Flinta-Leute und nicht nur schwule Menschen braucht.
Seine fotografischen Vorlagen findet Moll im Internet, beispielsweise auf der Online-Pinnwand „Pinterest“. Die Personen werden anhand der Wischtechnik des Malers verfremdet und bleiben anonym. Zum Portfolio gehören Auftragsarbeiten. „Da ist es mir wichtig, dass die Leute queere Erfahrungen gemacht haben. Es geht mir nicht um sexuelle Orientierungen oder wer mit wem schläft. Queer sein bedeutet viel mehr, als nicht cis (Person, die sich mit dem Geschlecht identifiziert, das ihr bei der Geburt zugewiesen wurde, Anm. d. Verf.) oder hetero zu sein. Es bedeutet, dass man sich dazu entscheidet, zu dieser Community zu gehören und seine Weltsichten zu überdenken“, betont Moll den sozialen wie philosophischen Charakter der Identitätsbewegung.
Im Zuge seiner kommenden Werkschau in der Galerie Dietrich errichtet der Künstler ein sinnliches Archiv nicht erlebter Jugend-Erinnerungen. Ein Familienalbum gefüllt mit Augenblicken queerer Lebensstationen, das in dieser Form nie existierte, zeigt verliebt ineinander versunkene Teenager beim Tanz, einen kleinen Jungen, der stolz in Mädchenkleidern posiert oder zwei Jünglinge, die über den Strand flanieren.
„Ich habe mir immer vorgestellt, dass es diese Fotos auch von mir gibt. Ich glaube, meine Eltern haben sich vor dem Gedanken gescheut, dass ich schwul sein könnte. Deshalb bin ich ihnen nicht böse. Wir haben ein gutes Verhältnis. Sie freuen sich über meinen Erfolg“, berichtet der Selbstständige. Die Popularität habe bisher noch keine verletzenden Reaktionen hervorgerufen. „Mir ist es egal, ob jemand meine Bilder negativ kommentiert, vor allem, wenn ich sie dann doch verkaufe. Offensichtlich gefallen sie anderen umso mehr“, sieht Moll Kritiken im Netz als unvermeidlich.
Die Malerei sei für ihn sowohl eine Form der Vergangenheitsbewältigung als auch eine Identitätssuche. „Ich habe gemerkt, dass ich einen Platz suche, an dem ich mich mit meiner queeren Philosophie wohlfühle, aber diesen Ort gibt es nicht. Dennoch lebe ich sehr gerne in Köln, auch wenn es hier mehr Räume etwa für Flinta-Leute (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre, transgeschlechtliche und agender Personen, Anm. d. Verf.) und nicht nur schwule Menschen braucht“, wünscht sich Lukas Moll.
„When we were almost happy“, Galerie Dietrich, Geisselstraße 27, 50823 Köln, 24. Oktober bis 29. November, Öffnungszeiten: samstags 13 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung, www.lukasmoll.de, www.art-dietrich.com

